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Digital In Arbeit

Den Künstler im Mittelpunkt

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dieFurche: Haben Sie seit den Anfangsjahren Veränderungen im „Forum Stadtpark "festgestellt?

Christine Frisinghelli: Das Forum hatte immer die Position des Künstlers und seine Arbeit im Mittelpunkt. Das ist das Besondere, das ich auch in meiner Intendanz des „steirischen herbstes" bewahren möchte. Durch diese Betonung des Künstlers erneuert sich das Umfeld immer wieder.

dieFurche: Wie hat sieh die Situation der Fotografie entwickelt, seit Sie die „ Camera A ustria "führen?

Frisinghelli: Die Fotografie hat sich als künstlerisches Medium in Osterreich sehr lange nicht etablieren können. Durch neue Präsentationsformen, Arbeit mit ausländischen Künstlern, Diskussion der Theorie auf Symposien, durch Bücher und durch unsere Zeitschrift haben wir Pionierarbeit geleistet. In der Literatur hat sich diese Pionierarbeit durch die Zeitschrift „Manuskripte" schon viel früher ergeben. Das Forum hat aber auch in anderer Hinsicht solche Pionierarbeit geleistet: durch seine Auffassung von Kunst als Prozeß. Daraus ergibt sich eine Zusammenarbeit, welche Kunst zu einem sozialen Vorgang macht.

dieFurche: Wie sehen Sie den Beitrag der Fotografie zur Kunst?

Frisinghelli: Ich glaube, die Fotografie als Medium ist eine große Herausforderung für die Kunstdebatte. Einmal hat die Theoriediskussion auf diesem Feld viel mit Fragen der AVahr-nehmung zu tun. Zum anderen ist sie eine Kunst, die mit einer Maschine gemacht wird. Aus diesem Gegensatz zwischen der Geste des Künstlers und der Tätigkeit der Maschine entsteht die Spannung, die immer wieder zur Auseinandersetzung auffordert.

dieFurche: Hat die österreichische Fotografie den internationalen Qualitätsstandard erreicht?

Frisinghelli: Für mich steht weniger die Frage nach der Nutzung der Maschine für die Kunst im Vordergrund. Für mich ist es wichtiger zu fragen, wie wir die Welt wahrnehmen, wie wir sie reflektieren und welche Mittel wir zur Beschreibung dieser Welt haben. In dieser Beziehung hat die Fotografie Ähnlichkeit mit der Schrift, die ebenfalls ein Mittel der Beschreibung ist. Nun wissen wir aber, daß es keine gültige Beschreibung gibt, sie kann nur authentisch sein, als Dokument. Hier liegt der Anknüpfungspunkt zur Wirklichkeit für den Film, die bildende Kunst und eben auch für die Fotografie. Das sind Fragen, die weit über die rein technische Beherrschung des Mediums Fotografie hinausgehen. In Osterreich aber gibt es nur eine Berufsausbildung, keine Studienrichtung „Fotografie" auf den Kunsthochschulen, keine öffentlich zugängliche Sammlung, kein Museum, welches die Fotografie dokumentiert. Das ist eine Mißachtung dieser Kunst. In letzter Zeit hat sich die Situation etwas gebessert. Wir haben zwei Zeitschriften und einige Galerien, die kontinuierlich arbeiten. Was uns fehlt, ist eine internationale Sammlertätigkeit.

dieFurche: Werden Sie als Intendantin des „steirischen herbstes" sich noch diesen Fragen widmen können?

Frisinghelli: Ich habe jetzt natürlich weniger Zeit, aber ich werde die Camera Austria nach wie vor betreuen.

dieFurche: Kam die Berufung in diese neue Positionfür Sie überraschend?

Frisinghelli: Als Peter Vujica 1988 seine Intendanz beendete, bewarb ich mich, wurde aber nicht ausgewählt. Damals hätte ich die Intendanz mit größerer Sicherheit angenommen als jetzt. Ich mußte mich fast überreden lassen, denn die Situation hat sich seit 1988 stark verändert. Schon gegen Ende der Intendanz Haberl wurde die Debatte problematisch, weil man sich kulturpolitisch alleingelassen fühlte. Das alles erschwerte mir jetzt die Entscheidung.

dieFurche: Ich habe den Eindruck, daß der „steirische herbst" ein ungeliebtes Kind geworden ist, beim Publikum und bei der Kulturpolitik. Sehe ich hier zu schwarz?

Frisinghelli: Man muß für den „herbst" eine neue Stimmung erzeugen, muß zeigen, wie wichtig er ist. Aber ich glaube nicht, daß die Situation früher so viel besser war. Vieles wird heute rosiger gesehen, als es damals Bealität war. Allerdings gibt es schon einen wichtigen Unterschied gegenüber früher: Ende der achtziger Jahre wurde die Kunst stark selbstreflexiv, selbstkritisch. Sie fragte, was vom Publikum noch aufgenommen werde, einfach, ob es einen Markt gebe. Seit damals gibt es die interne Kritik, die Institutionskritik. Man fragt, welche Stellung der Künstler in der Gesellschaft habe, was er für die Gesellschaft tun könne. Das Ergebnis ist eine Einschränkung der Überzeugung, daß der „herbst" das einzige und beste Festival der Avantgarde sei. Diese Einschränkung, diese Selbstbesinnung ist gut und notwendig. Das ist auch der Unterschied zu einem Großfestival traditioneller Art. Dort hat diese Selbstkritik keine Platz. Aber an dem Ort, der mir wichtig ist, dort wo der Künstler zu Wort kommt, gibt es kein dick aufgetragenes Wichtigtun.

dieFurche: Ist die Intendanz eines Festivals, wie es der „steirische herbst" mit seinen vielen Teilen ist, nicht eigentlich eine unausfüllbare Position?

Frisinghelli: Das geht nur durch loyale Zusammenarbeit mit Mitarbeitern und Institutionen. Ich wünsche mir möglichst loyale, aber auch konkurrenzfähige Partner. Zu diesen gehören Institutionen wie die Neue Galerie, der OBF, das Theater, das Forum Stadtpark. Sie leisten das Jahr über ihre eigene Arbeit und bekommen dadurch ihr eigenes Profil. Auf diesem Boden wächst unser Festival. Nehmen wir als Beispiel das Jugendmusikfest in Deutschlandsberg. Es. wurde für den „steirischen herbst" entwickelt, war immer in den „herbst" eingebunden, hat aber innerhalb des Festivals eine eigene Geschichte. Ich wünsche mir diese „Außenstellen", wie Deutschlandsberg, Mürzzuschlag oder Pischelsdorf, daß sie etwas tun, das an ihren Ort gebunden ist, typisch für ihre Arbeit, aber gut herzeigbar.

dieFurche: Heuer ist die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft neu ...

Frisinghelli: Ich bin bewußt auf die Universitäten zugegangen, weil es wichtig ist, das dort vorhandene Potential zu nützen, das Denk-, aber auch das Publikumspotential durch die vielen Studenten. Das Jelinek-Symposi-um in Zusammenarbeit mit dem Franz-Nabl-Institut und das Symposium „Fremdheit in der Moderne" zeigen, welche Herausforderung die Kunst für die Wissenschaft bedeutet.

dieFurche: Hoffen Sie die Grazer Studenten als Publikum zu gewinnen? Eine Studie über deren Kulturverhalten zeigte ein eher trostloses Bild

Frisinghelli: Ich habe keine fertige Antwort, aber ich glaube, daß man sich um diese jungen Menschen bemühen muß. Sie sollen Kunst als' Abenteuer, als Erweiterung ihrer Erfahrung erleben. Deshalb haben wir heuer nach neuen Wegen gesucht, wie man dem Publikum bei der Rezeption helfen kann. Es ist zu wenig, eine Ausstellung hinzustellen und den Besucher damit allein zu lassen. Das Ziel ist für mich, in den Menschen das Bedürfnis zu wecken, gegen den Mainstream kritisch anzugehen. Wenn die Kunst ein Ort ist, an dem Erfahrungen gemacht werden, ist sie durch nichts ersetzbar.

dieFurche: Wie sehen Sie zusammenfassend Ihre Aufgabe als Intendantin?

Frisinghelli: Ich bin eine Mischung zwischen dem Coach einer Fußballmannschaft, der diese in Bestform bringen will, und einem Entscheidungsträger. Ich muß entscheiden, welche Projekte durchführbar sind und welche abgelehnt werden müssen. Dadurch gibt es zwischen mir und meinen Mitarbeitern keine vollständige Gleichheit. Aber Gleichheit und Kooperation sind nicht dasselbe. Kooperation aller Beteiligten ist aber die Basis eines Festivals wie des unseren. Ich will den . Künstlern einen Ort bieten', an dem sie produzieren können. Fertig Eingekauftes herzeigen, ist mir zu wenig.

Das Gespräch führte

Christa Höller.

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