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Der Kaiser machte das Rennen Ein Aufgebot an Kunstschätzen bieten

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Ende September die Wiener Kunstauktionen am Kärntner Ring bei ihrer vierten Auktion.

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Ende September die Wiener Kunstauktionen am Kärntner Ring bei ihrer vierten Auktion.

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Zu schlaftrunkener Morgenstunde strömten am 16. Juni die Menschenmassen in den zehnten Bezirk, „wo die Elektrische1 in der Laxenburgerstraße endet“, um einem imposanten Medienspektakel beizuwoh- nen: der Automobil-Alpenfahrt. Das berichtete die „Neue Freie Presse“ in Wien am 17. Juni 1912.

Der spätere Karl I. von Österreich - damals dachte noch niemand daran, daß er Franz-Joseph beerben würde - zählte zu den 85 ambitionierten „Rennfahrern“, sein Wagen wurde allerdings von seinem Chauffeur gefahren. Zu bewältigen war eine 2.400 Kilometer lange Strecke, es herrschte aus Sicherheitsgründen Überholverbot und Ziel war es, strafpunktefrei, also ohne jegliche Panne, wieder zurückzukehren.

Von der „weitaus schwierigsten Tourenkonkurrenz, die es jemals auf der ganzen Welt gegeben hat“, trafen 72 Teilnehmer am Ziel wieder ein, 25 davon strafpunktefrei. Einer dieser Sieger war Erzherzog Karl, der vom Wiener Automobilclub einen Pokal für „seine“ Leistung erhielt. Der hohe Prozentsatz derer, die die Strecke geschafft hatten, löste große Bewunderung für die „moderne Automobiltechnologie“ aus, denn der Schwierigkeitsgrad der Alpenstrecke wurde als sehr hoch eingestuft. 16 Bergübergänge mit einer Steigung bis zu angeblich 30 Grad mußten in sieben Tagen bewältigt werden.

Angekommen waren die Automobilisten am 25. Juni 1912 am Wiener Kärntner Ring. 82 Jahre später, wieder am Kärntner Ring, wird am 29. September der Ehrenpreis des Wiener Automobilclubs für die Alpenfahrt 1912, der an den letzten österreichischen Kaiser ging, bei den Wiener Kunstauktionen versteigert.

Der Deckelpokal mit seiner skurrilen Geschichte stellt einen bedeutenden Wert dar, denn er stammt aus der Wiener Werkstätte und wurde von Josef Hoffmann und Michael Powolny ausgeführt.

Die Wiener Kunstauktionen öffnen bereits am 27. September für die dreitägige Auktion wieder ihre Pforten. Am ersten Tag kommen 325 Kostbarkeiten aus Glas unter den Hammer, am Tag darauf werden 320 Gemälde versteigert und am 29. September können Liebhaber und Sammler für 380 Antiquitäten und Jugendstilobjekte ihr Meistbot machen.

Im Glasbereich wird eine beeindruckende Alt-Wiener Glassammlung, die seit den sechziger Jahren im Corning Museum of Glass in New York ausgestellt war, angeboten. Die Sammlung von Josef Mah ler, die aus mehr als 140 Gläsern besteht, stammt ursprünglich aus Österreich. 1938 mußte der Papierfabrikant Josef Mahler nach New York emigrieren, wo er nach dem Zweiten Weltkrieg die Sammlung vervollständigte. Seine Erben entschlossen sich nun, die wertvollen Stücke zu verkaufen.

Zu den Objekten, die aus der Zeit von 1550 bis 1900 stammen, zählt die beachtliche Summe von 24 Kothgasser-Gläsern, neun Mildner- Bechern sowie drei Arbeiten von Gottlob Mohn. Ein bedeutendes Exponat der Sammlung Mahler ist ein Wildensteiner Pokal von Gottlob Mohn aus der Zeit um 1815. Das Glas mit der Ansicht der Festung Pitten ist Teil einer zwölfteiligen Serie, die Mohn für die Wildensteiner Ritterschaft fertigte. Dieser Verein setzte sich die Erhaltung und Wiederherstellung von Burgen zum Ziel. Es ist anzunehmen, daß die zwölf Burgen-Darstellungen mit den Projekten der Kunst- und Altertumsfreunde in Zusammenhang stehen.

Ein besonderes Zuckerl sind die Malutensilien sowie eine Kupferdruckplatte für Geschäftskarten von Anton Kothgasser. Zum Leid vieler Sammler und zur Freude der Allgemeinheit werden die Objekte dem Historischen Museum übergeben. Während der Auktionsausstellung ab 20. September (täglich geöffnet) werden sie noch bei den Wiener Kunstauktionen zu besichtigen sein.

Bei den Bildern des 19. und 20. Jahrhunderts wartet auf Freunde der Biedermeiermalerei ein besonderes Gemälde. Seit 1856 war das auf fünf bis sechs Millionen geschätzte Bild im Buckingham Palace in London ausgestellt und zuletzt bei der Waldmüller-Ausstellung im Kunstforum der Bank Austria zu sehen: „Nähende Mutter mit ihren Kindern“ von Ferdinand Georg Waldmüller. Im Bereich des 20. Jahrhunderts finden sich viele Werke aus der Zeit nach 1945. 1970 entstand Oskar Kokoschkas Portrait des kleinen Carletto Ponti, des Sohnes der Filmdiva und Kunstliebhaberin Sophia Loren. Das Spätwerk Kokoschkas wird auf 1,6 bis 1,8 Millionen Schilling geschätzt.

Neben Porzellantassen, Gmund- ner Keramikkrügen und Asiatika zählt zu den Antiquitäten und Jugendstilobjekten eine 137 Zentimeter hohe Standuhr nach einem Entwurf von Adolf Loos. Das 1904 entstandene Werk könnte mehr als eine Million einbringen.

Für diese Auktion des jungen Unternehmens, das im vergangenen Jahr gegründet wurde, wird insgesamt ein Umsatz von 50 Millionen Schilling oder mehr erhofft, denn schon allein die untere Schätzpreissumme der gemischten Auktion beträgt 52 Millionen Schilling.

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