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Der Mann und sein Werk

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Jäh hat der Tod das Leben Karl Holeys ausgelöscht, der in seltener Uebereinstimmung nicht nur ein bedeutender Künstler, sondern auch ein hervorragender Lehrer und Wissenschaftler war. Von ungewöhnlicher Begabung und profundem Wissen, nicht bloß auf den engeren Gebieten seines Berufes, ein wahrer Humanist und ein tiefgläubiger Katholik, gehörte Holey zu den glänzendsten Repräsentanten österreichischen Kunst- und Geisteslebens. Mit ihm wurde wieder einer der Bewahrer altösterreichischen Kulturerbes zu Grabe getragen, der dessen wertvollste Güter der jüngeren Generation nach den beiden Weltkriegen vermittelt hat.

Holey durfte ,auf ein an Erfüllungen selten reiches Leben zurückblicken, das seinen Fähigkeiten, vielfältigen Interessen und Neigungen ein weites Betätigungsfeld bot und dem es vergönnt war, als Krönung seines Lebenswerkes und als sein unvergängliches Denkmal den Wiederaufbau der im letzten Weltkrieg zerstörten Dome von Wien und Salzburg zu leiten.

Trotz aller äußeren Erfolge und Ehrungen blieben auch ihm schwere Schicksalsschläge nicht erspart und ließen ihn die Bitternisse des Lebens fühlen. So konnte er den frühen Tod seines Sohnes nie ganz verwinden und hat dieses Leid noch auf die letzten Jahre seines Lebens tiefe Schatten geworfen.

Holey war als Künstler kein stürmischer Neuerer und allem nur Modischen abhold. Der Abgeklärtheit seines Wesens entsprach es, seinen Werken bei aller Zeitgebundenheit den Stempel des Zeitlosen aufzudrücken. Sein gründliches historisches Wissen um das Tatsächliche und die Zusammenhänge, sein sicheres Erkennen aller Werte und künstlerischen Absichten bei Werken alter und neuer Kunst sowie die genaue Kenntnis der Mittel künstlerischer Gestaltung spiegeln sich immer wider in seinen eigenen Schöpfungen, die, mögen sie in ihrer Formengebung auch neue Wege gehen oder die alte Tradition fortsetzen, doch stets die Reife seiner Persönlichkeit zeigen und die Verbundenheit mit dem Erbe einer alten Kultur. Es ist darum kein Zufall, daß das architektonische Lebenswerk dieses Architekten vornehmlich der Kirchenkunst und Denkmalpflege gewidmet war und sich in solchen oder artverwandten profanen Aufgaben erfüllte. Seine gläubige Gesinnung ließ ihm die Erfüllung kirchlicher Bauaufgaben ein besonderes Herzensbedürfnis sein. Neben diesen Aufgaben sind seine sonstigen profanen Werke von geringerer Zahl, doch zeugen auch sie von dem kultivierten Geschmack ihres Schöpfers.

Während seines ganzen Berufslebens beschäftigten Holey praktische theoretische Aufgaben der Denkmalpflege, an deren gesetzlicher Verankerung er vorbereitenden. Anteil hatte. Als Denkmalpfleger vereinigte sich in seiner Person in überaus glücklicher Weise der Wissenschaftler und Kunsthistoriker mit dem schöpferischen Künstler, welchem Zusammenwirken die vorbildliche Restaurierung vieler bedeutender Kunstdenkmäler im In- und Ausland zu danken ist.

Als Dombaumeister von St. Stephan in Wien wurde Holey die Betreuung und die Leitung der Wiederherstellungsarbeiten an dem wohl ehrwürdigsten österreichischen Baudenkmal anvertraut und mit ihm wird Holeys Name für immer als einer, der großen Baumeister, die diesem Dom Gestalt verliehen haben, verbunden sein.

Untrennbar verknüpft mit seinem Wesen ist Holeys Tätigkeit im Lehramt an der Technischen Hochschule. Die Lehrtätigkeit wurde ihm zur zweiten Natur und er hat sie seit der Vollendung seiner Studien, bis wenige Monate vor seinem Tode, ausgeübt. Alle, die ihn kannten, wußten, wie schwer ihm der Abschied von seiner vielgeliebten Lehrkanzel gefallen ist. Er hat diese Trennung wie viele, ähnlich geartete Menschen, nicht lange überlebt. Als Hochschullehrer war Holey eine überragende Persönlichkeit. Mit seinem universellen und profunden Wissen war er seinen vielen Schülern nicht nur der Mittler des Wissensstoffes der von ihm vorgetragenen Fächer, sondern auch ein Lehrer, der die Gabe besaß, durch einen lebendigen Vortrag bei seinen Hörern ein tieferes Verstehen der Dinge zu wecken und sie für die Aufgaben ihres Berufes zu begeistern. Holey äußerte einmal, er sehe die erzieherische Aufgabe bei der jungen Architektengeneration weniger darin, durch das faszinierende Vorbild des Lehrers und eine allzu starke Bindung an diesen bei den Schülern mehr oder weniger begabte Nachahmer von dessen Formensprache heranzuziehen, als vielmehr in den jungen Menschen das Verstehen um das Wesentliche in der Baukunst zu wecken und durch verschiedene hervorragende Lehrer die Vermittlung eines gründlichen Wissens in allen Fachgebieten. So würde die Persönlichkeit der wirklich Begabten und Schöpferischen nicht in ihrem Wesen vielleicht fremde Bahnen gelenkt und ihnen durch einen so gearteten Unterricht ein gutes Fundament für ihre Weiterentwicklung geschaffen; der größeren Zahl jener aber, die sich nicht über den Durchschnitt erheben, ein objektives und brauchbares Rüstzeug für ihr künftiges Schaffen gegeben.

In vielen Studienreisen mit seinen Schülirn zu den Stätten bedeutender Baudenkmäler hat er den jungen Menschen die Augen geöffnet für das Erkennen verborgener Schönheit und den Sinn geweckt für das Erleben aller Werke echter und wahrer Kunst. Trotz seiner imponierenden und achtunggebietenden Erscheinung, seiner olympischen Ueberlegenheit und Ruhe kam Holey seinen Schülern stets menichlich nahe und weilte gerne im Kreis der Jugend.

Von seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zeugen die vielen Veröffentlichungen und Vorträge, die Fragen der Baukunst, des Städtebaues und der Denkmalpflege sowie Themen technosophischen und kulturgeschichtlichen Inhalts behandeln. Im besonderen sei erwähnt sein Entwurf für ein Denkmalschutzgesetz, der 1912 bei Gerlach und Wiedling erschienen ist und die Grundlage für das spätere Bundesgesetz wurde. In den wissenschaftlichen Rahmen fällt auch seine Mitarbeit bei den Ausgrabungen im Auftrag der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Aegypten 1925—1929 und bei der Publikation der Ausgrabungsergebnisse. Auch seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Forschungsinstituts für Geschichte der Technik nach 1931 sei in diesem Zusammenhang Erwähnung getan.

Sein bekanntester Kirchenbau in Wien ist die Erweiterung der Pfarrkirche St. Gertrud in Währing. Unvollendet blieb die groß geplante Eucharistische Gedächtniskirche auf dem Engelsplatz, von der nur die Krypta gebaut wurde. Zahlreiche Kirchen hat Holey in Niederösterreich und im Burgenland gebaut, von denen in Niederösterreich zu nennen wären die Kirchen in Erlach bei Fitten und in Großau bei Vöslau, die Filialkirchen in Marchegg und in Neubau, die Pfarrkirchen in Nieder-Kreuz-stetten und in Rust bei Tulln; ini Burgenland die Kirchenerweiterungen in Andau und Nikitsch, die Kirchen von Güttenbach, Jois und Weiden.

Als einer seiner bedeutendsten Bauten entstand in den Jahren 1931 bis 1932 der Neubau des Priesterseminars mit der Christkönigskirche in Klagenfurt. Holey hat im Dienst der Kirche viele Altäre und andere kirchliche Einrichtungsund Kultgegenstände geschaffen, so den Hochaltar für den Dom in Ragusa, das Chorgestühl für den Dom zu Klagenfurt und den Entwurf für den Prospekt der neuen Domorgel in Graz. Erwähnt seien auch die gelungenen und unter seiner Leitung durchgeführten Restaurierungen der Peterskirche, der Schottenkirche und der Annakirche in Wien.

Sein repräsentativster Profanbau, den er im Auftrage des Bundesministeriums für Unterricht vor Ausbruch des letzten Krieges geschaffen hat. war der Neubau des Oesterreichischen Kulturinstituts in Rom. Andere öffentliche Aufträge waren die Neugestaltung des Landtagssitzungssaales im Landhaus in Klagenfurt und der Umbau und die Einrichtung des Schlosses Hubertendorf zu einem bäuerlichen Volksbildungsheim. Auch andere Schlösser hat Holey für private Besitzer umgebaut und eingerichtet, so Schloß Marchegg, Schloß Vesten-tal, Schloß Emmahof bei Grußbach in Mähren und Schloß Dietrichstein in Weidlingau bei Wien. Bei diesen Bauführungen erwies sich sein feines Einfühlungsvermögen für die Instandsetzung und Nutzbarmachung alter Repräsentativgebäude.

Für die Gemeinde Wien schuf Holey in der Sebastian-Kelch-Gasse einen ansprechenden Wohnhausbau. Verschiedene kleinere und größere Villen und Landhäuser entstanden nach seinen Plänen in Wien und auf dem Lande. Auf der Landstraße in Wien baute er eine Pfandleihanstalt als Zweigstelle des Dorotheums.

Nicht vergessen zu erwähnen sei ein kleines Landhaus in Dürnstein, das ob seiner originellen und malerischen Gestaltung vortrefflich in die Weinberglandschaft und romantische Umgebung dieses altertümlichen Wachauer Städtchens paßt, das Holey so sehr geliebt hat und das er immer wieder zur Entspannung und Erholung aufsuchte.

Holey war in seinen letzten Lebensjahren durch ein Altersleiden, von dessen operativer Behandlung er sich nie mehr ganz erholt hat, sehr geschwächt. Die aufreibende Tätigkeit früherer Jahre, in denen er sich keinerlei Schonung auferlegte und oft ein Uebermaß an Arbeit aufbürdete, hatte die Kräfte dieses hühnenhaften Mannes doch langsam verzehrt. Ein Unfall, durch den er sich einen Oberschenkelbruch zuzog und in dessen Gefolge eine Lungenembolie, führte seinen plötzlichen Tod herbei. Holey ist am Sonntag, den 6. März dieses Jahres. 76 Jahre alt, verschieden.

Ein begnadetes Leben hat damit sein Ende gefunden.

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