Der Meister des Lichts

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Eine große, rundum gelungene Rembrandt-Ausstellung in der Albertina.

Man nennt es gerne das Goldene Jahrhundert der holländischen Kunst: das 17. Jahrhundert, als die großen Künstler Werkstätten unterhielten, wo wie am Fließband gearbeitet wurde und sich viele obendrein auf ein Spezialgebiet innerhalb der Malerei einschränkten, um so noch besser, noch produktiver, noch berühmter zu werden. Eine Strategie, der viele folgten, verhieß sie doch die Möglichkeit, im unsicheren Geschäft der Kunst große Erfolgsaussichten zu haben. Mitten in diesem Spezialistentreiben bricht aber einer aus, kümmert sich nicht um dergleichen wirtschaftliche Überlegungen, lässt sich auch durch einen Konkurs nicht von seinem Kurs abbringen und wird so zu einem der ganz großen Figuren der Geschichte der Kunst. Die Albertina widmet ihm, Rembrandt Harmenszoon van Riijn, eine gelungene Ausstellung, die von jeder Facette dieses rundum meisterlich agierenden Künstlers großartige Beispiele vorstellt.

Der jüngste Sohn einer Müllersfamilie studiert zwar zuerst auch Historienmalerei und etabliert sich auch auf diesem Gebiet. Aber parallel zu diesen geldbringenden Arbeiten vertieft sich Rembrandt grafisch in die "Tronies", Porträtstudien, bei denen es nicht um eine konkrete Person geht, sondern um das Aufspüren allgemeiner Beschreibungen von sozialen Typen. Er übt damit eine Eigenschaft seines gesamten Kunstschaffens ein, die viele seiner Werke dermaßen epochenüberschreitend interessant machen: Es ist der Beobachter Rembrandt, der mit psychologischem Feingefühl die Geschehnisse auf seinen Arbeiten vollständig in die anschauliche Wirklichkeit des Bildes überführt.

Psychologisches Feingefühl

Die großartigen Blätter und Leinwände bleiben nüchtern, verzichten auf die große Geste und auf gespreizte Inszenierung. Und gewinnen gerade dadurch Überzeugungskraft und Unmittelbarkeit. Sein "Apostel Petrus" zeigt einen halb knienden alten Mann, die abgearbeiteten, geröteten Hände sind wie zum Gebet gefaltet oder halten sich einfach nur gegenseitig fest. Im mit Falten zerfurchten Gesicht blicken die Augen zu Boden, eine wässrige Linie markiert ihre Unterkanten, der Mund ist wie bei einem Tiefschlafenden geöffnet, die ganze Figur macht einen abwesenden Eindruck. Die Schlüssel, Insignien der himmlischen Macht, liegen achtlos neben ihm, sind seinen Händen entglitten oder von diesen noch gar nicht berührt, nachdem sie ihm ein anderer hingelegt hatte. Manches spricht dafür, dass es Petrus im Gefängnis ist, manches dafür, dass damit die Reue von Petrus nach dem dreimaligen Verleugnen dargestellt ist. Immer bleibt ein in sich versunkener Mann, der seiner Umgebung wie ein Unbeteiligter gegenübersteht; in ein Licht getaucht, von dem man nicht genau sagen kann, ob es von oben kommt oder ob es aus der inneren Zwiesprache der Szene herausstrahlt. Rembrandt greift bei diesem frühen Meisterwerk auf die Eindringlichkeit seiner späteren religiösen Darstellungen vor.

Viele Themen und Techniken

Mit diesem Bereich ist aber die vielseitige Kreativität Rembrandts, sowohl im thematischen wie auch im technischen Bereich, noch lange nicht ausgelotet. Die einfühlsame Charakterisierung und die neuartigen Farb- und Lichteffekte machen ihn bald zum gefragten Porträtisten. Seine Faszination für das Theater und die damit verbundene Kunst des Verstellens hält er zumeist mit der Feder fest. Den Tieren widmet er sogar ein Buch, wobei die Elefantendarstellung besonders herausragt. In verschiedenen Techniken schafft er in seinen Mutter-Kind-Darstellungen Meisterwerke der psychologischen Beobachtung von Alltagsszenen. Der schockierende Realismus seiner nackten Figuren zeigt Rembrandt einmal mehr als kompromisslosen Beobachter, der nicht nur seine Zeitgenossen damit verstörte. Der unermüdliche Zeichner Rembrandt, der auf diese Art und Weise Motive optisch auswendig lernte, verband in seinen Landschaften Elemente "aus dem Geist" mit Elementen "nach dem Leben", die er vor Ort schuf. Die trotz kleiner Formate atemberaubende Fernwirkung und die subtilen atmosphärischen Effekte lassen den Betrachter in diese Landschaften gleichsam eintreten. Heroische Frauenfiguren haben es ihm ebenso angetan wie das eigene Porträt, das auf einen introvertierten Charakter schließen lässt. Nicht zuletzt in den grafischen Miniaturen aus den Beständen der Albertina zeigt sich der Schlüssel zur Meisterschaft von Rembrandt: größte Präzision bei extremer malerischer Freiheit.

Rembrandt

Albertina

bis 27. Juni, tägl. 10-18, Mi bis 21 Uhr

www.albertina.at

Katalog: Klaus Albrecht Schröder, Marian Bisanz-Prakken (Hgg.), Rembrandt, München 2004.

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