Der Mystiker aus Brüssel

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Rätsel der Sphinx - eine Doppelausstellung im Salzburger Rupertinum präsentiert den belgischen Künstler Fernand Khnopff und dessen Einflüsse auf Klimt. von ulrike laubert-konietzny

Unter dem Themenschwerpunkt "Symbolismus" präsentiert Salzburgs Museum der Moderne seine aktuelle Doppelausstellung "Das Rätsel der Sphinx". Anlass hierzu ist eine von den Königlichen Museen in Brüssel mit rund 100 Werken teilübernommene, erstmalig in Österreich gezeigte Retrospektive des Belgischen Symbolisten "Fernand Khnopff" (1858-1921). Diese monografische Ausstellung im dritten Stock des Rupertinum wird ergänzt durch die Werkschau "Gustav Klimt und Wien um 1900" in der ersten und zweiten Etage. Das Ausstellungskonzept führt den Besucher von den künstlerischen Positionen in Wien zur Zeit der Gründung der Secession 1897, beleuchtet Einflüsse Fernand Khnopffs auf Klimt und seinen Kreis und führt schließlich zur Präsentation des belgischen Künstlers.

Blick in die Seele

Dem Besucher mit Zeit zum Schauen sei zunächst der entgegengesetzte Weg empfohlen. Die sehr gut gehängte Einzelschau vermittelt einen ausgezeichneten Überblick über das inhaltlich sehr anspruchsvolle Oeuvre von Fernand Khnopff: Portraits, Frauenbildnisse, Landschaften in den Ardennen, Ansichten von Brügge - Themen, die immer wiederkehren, sich gleichen in ihrer Ausschnitthaftigkeit, in ihrer genau kalkulierten Komposition. Nichts ist dem spontanen Zu- oder Einfall überlassen. Die Portraits, meist Auftragsarbeiten, mit denen Khnopff in den 80er Jahren der künstlerische Durchbruch gelang, zeigen seine hohe Begabung, seinem erwachsenen Gegenüber in die Seele, kaum je in die Augen zu schauen, im Kindergesicht schon die Dame, den künftigen Bankier zu erahnen. Alle Lebendigkeit ist den Portraitierten genommen. Wie eingefroren wirkt ihr Sitzen oder Stehen, vor Paravent, Täfelungen und verschlossenen Türen und aus der Bildmitte leicht verschoben, in sanfte, oft blaue, auch braune und graue Farbtöne gehüllt.

Auch seine ländlichen Ansichten in Fosset, wo der Sohn aus wohlhabender Familie seine Ferien verbrachte, sind menschenleer, geträumte Visionen im Dämmerlicht, weit entfernt von jeglicher Idylle. Ein milchig grauer Himmel ist hier und da sichtbar, meist nur als geheimnisvolle Spiegelungen in ruhig stehenden Bächen und Weihern. Parallel gereihte Bäume zwingen den Blick in das Dunkel eines Waldes. Nur selten fällt ein Lichtschimmer zwischen den Bäumen hindurch. Gehöfte liegen verlassen da. Vor einem Haus warten zwei Frauen, wie losgelöst aus Raum und Zeit.

Der Europäer Khnopff

Khnopffs Entwicklung wird schon zu Studienzeiten geprägt von Kontakten zu belgischen Schriftstellern des Symbolismus wie Georges Rodenbach und Emile Verhaeren, von seiner Vorliebe für Baudelaire und Flaubert, während seiner Pariser Aufenthalte von der Kunst französischer Maler wie Moreau oder Ingres. Bereits seit den 80er Jahren pflegt er enge Beziehungen nach England über Ausstellungsbeteiligungen und persönliche Freundschaften, vor allem mit Edward Burne-Jones. Durch Kritiken im renommierten "The Studio", durch Vorträge in Brüssel vermittelt Khnopff wechselseitig die Kenntnis über englische bzw. belgische Positionen zeitgenössischer Kunst.

Ambivalentes Werk

Sein eigenes Schaffen spiegelt diese Einflüsse mit Bezug auf literarische Vorlagen, die er im Bildtitel ausdrücklich zitiert. Jede Auseinandersetzung mit symbolistischen Themen dient der eigenen Bildfindung. So deutet er in einem seiner großartigsten Werke "Die schlafende Medusa" (1896) neu als mächtigen Adler mit einem Frauenkopf, geschlossenen Augen, auf einem Fels verharrend, in der Stille der Nacht, Faszination und Bedrückung gleichmaßen ausstrahlend. Diese Ambivalenz kennzeichnet auch sein berühmtes Hauptwerk "Die Liebkosung" eines sphinxhaften Leoparden mit einem Hermaphroditen. Hier gibt sich das Weibliche bedrohlich, rothaarig und katzenhaft geschmeidig, dem sich der androgyne Jüngling fast zu entwinden scheint. Das Thema "Frauenbildnis" hat den Künstler wie eine Obsession beschäftigt. Er hat ihr Gesicht eingeschlossen in die Enge eines schmalrechteckigen oder runden Bildausschnittes, die Stirn meist beschnitten, die Augen suggestiv herausgearbeitet. Oft ist ihr eine Kreisscheibe beigegeben, mal eine blaue Blume, eine Kristallschale, ein Zauberstab. Seine Idee der höchsten Vollendung war das Bild einer zeitlosen Schönheit, einer zeitlosen Liebe. Fernand Khnopff, dem über lange Jahre seine Schwester Modell stand, bezog erst mit 44 Jahren sein eigenes Haus, in dem er sich selbst, seine Weltsicht, seine Erinnerungen zelebrierte.

Die Jahre seiner Kindheit im damals melancholischen Brügge mit den vielen Kanälen, engen Mauern und der dämmrig-feuchten Atmosphäre holt er in sich selbst zurück mit Ansichten einer gespenstisch stillen Stadt, strengen Fassaden und unheimlich spiegelnden Wasserflächen. Alte Postkarten und Fotografien dienen ihm als Grundlage. Für Georges Rodenbachs Roman "Die tote Stadt" (Vorlage für Korngolds gleichnamige Oper und dieses Jahr auf dem Programm der Salzburger Festspiele) schuf Khnopff die Illustrationen.

Aufbruch in die Moderne

Herausragende Werke des Belgiers sind in den "Wiener Teil" integriert, u.a. ein frühes Knabenportrait (1890), die beiden Teichbilder "In Fosset. Am Fluss" und das breitformatige Gemälde "Stilles Wasser" (1894), die Pastellzeichnung der auf der Felsklippe stehenden "Sappho" (1912). Drei Werke zum Thema "Musik" bieten interessante Vergleiche: James Ensors "Russische Musik" (1881) und Khnopffs "Schumanns Werken zuhörend" (1883) sowie Klimts "Schubert am Klavier" (1899).

Als Khnopff seine begeisterte Aufnahme 1898 mit einem eigenen Saal in der Secessions-Ausstellung feiern konnte, war für Klimt und seine Künstlerkollegen der Aufbruch in die Moderne bereits vorgezeichnet. Die Rezeption des Symbolisten war ein kurzes, aber wichtiges "Intermezzo". Bereits um 1900 setzt sich die Tendenz zu einer mehr linearen Kunstauffassung durch, Einflüsse durch Jan Toorop oder George Minne werden sichtbar.

Geheimnisvolle Bildsprache

"Niemand hätte gedacht, dass der Obermystiker aus Brüssel in Wien einen so großen Erfolg haben würde", schrieb der verdiente Kritiker Ludwig Hevesi 1906, "[...] es ist merkwürdig die Wiener zu sehen, wie sie an jeder Wand voll Rätsel, voll anmutiger Unlösbarkeiten, angestrengt herumdeuten." In Salzburg hat der Besucher die seltene Gelegenheit, sich einzulassen auf Fernand Khnopffs geheimnisvolle Bildsprache und die seltsame Anziehungskraft seiner Werke. Im Wissen um die Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts und mit veränderten Sehgewohnheiten mag dies leichter geworden sein. Fernand Khnopffs Werke entziehen sich jedoch immer wieder einer Deutung. Sie spiegeln das künstlerische Ausloten von Seelentiefe und -abgrund um den Preis des "On a que soi", des kompromisslosen Sich-Zurückziehens-in-sich-selbst in eine Stille, die seinem gesamten Oeuvre innewohnt.

Fernand Khnopff (bis 29. 8.) und

Gustav Klimt und Wien um 1900 (bis 26. 9.)

Museum der Moderne Rupertinum,

Wr.-Philharmoniker-G. 9, 5020 Salzburg

www.museumdermoderne.at

Di, Do-So 10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr,

zur Festspielzeit auch Mo 10-18 Uhr

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