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Der schwierige Name Grillparzer

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London, Ende Februar

Das Mozart-Jahr ist ein passender Zeitpunkt für die Eröffnung des österreichischen Kulturinstitutes in London, die am 16. Februar durch den Bundesminister für Unterricht, Dr. D r i m-m e I, in einer festlichen Zeremonie stattfand. Noch ist bei vielen Engländern die Erinnerung ah das Londoner Gastspiel der Staatsoper im vergangenen Sommer lebendig, und gegenwärtig veranstaltet das Britische Museum eine Mozart-Ausstellung, die im besonderen auf die älteren Bande anglo-österreichischer Kulturbeziehungen, seit Mozarts Besuch in London im Jahre 1765, eingeht..

In seiner Ansprache erwähnte Bundesminister Dr. Drimmel auch den englischen Besuch Grill-parzers im Jahre 1836, und den tiefen Eindruck, den das englische Parlament und das Theater auf den Dichter gemacht hatte. Shakespeare war ihm ein so bekannter Begriff, daß er die eindrucksvollen Londoner Aufführungen trotz mangelnder Englischkenntnisse gut verstand. Das Wort Lord Byrons, ,,Grillparzer — ein verdammt schwieriger Name, aber die Nachwelt wird ihn auszusprechen lernen müssen“, kann dem neuen Londoner Kulturinstitut auf seinen Weg mitgegeben werden, und es ist erfreulich, daß der Dichter Felix Braun einer der ersten Vortragenden sein wird, den Namen Grillparzers in dem neuen Haus bekannter zu machen als er ist

Oesterreich ist ein kleines Land; es ist daher zu billigen, daß mit dem Londoner Institut nicht ein Prunkbau, sondern eine in bescheidenerem Rahmen gehaltene, anheimelnde und geschmackvoll eingerichtete Stätte österreichischen Kulturschaffens gestaltet wurde. Zentral, an einem alten Square, R u 11 a n d Gate, in der Nähe des Hydeparks gelegen, wird das Kulturinstitut auch nicht die Absicht verfolgen, die breite englische Oeffentlichkeit anzusprechen, wie das etwa in dem großen Londoner französischen und in dem künftigen deutschen Zentren geplant ist. Für große künstlerische Darbietungen und Ausstellungen aller Art werden andere Räumlichkeiten notwendig sein, doch wird sich das Institut auch hiir, wenn auch nicht auf kommerzieller Basis, vermittelnd einschalten können.

Dem Unterrichtsministerium unterstehend, beabsichtigt das Institut in dem begrenzteren, aber* vielleicht wichtigeren Raum der geistigen und kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Völkern, und besonders in der Vermittlung zwischen gegenseitig fachlich interessierten akademischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Kreisen, zu wirken. So werden etwa in einigen Wochen Vertreter österreichische Berufsschulen nach England kommen, um sich hier anzusehen, was auf ihrem jeweiligen Interessengebiet getan wird. Es ist weiterhin vorgesehen, durch Vermittlung des Institutes den führenden fünfzehn englischen Universitäten und Colleges österreichische literarische Werke, besonders jüngeren Datums, zur Verfügung zu stellen.

Auf diesem Gebiet ist besonders viel zu tun. Die meisten englischen Universitätsbibliotheken weisen große Lücken in neuen literarischen Werken in deutscher Sprache auf, und diese Lücken sind geradezu gewaltig auf dem Gebiet der österreichischen Geschichte. Wie stark war wohl der Mangel solcher Kenntnisse für das Urteil der britischen öffentlichen Meinung in der österreichischen Frage 1918 und 1938 verantwortlich! Wie groß ist die Notwendigkeit, österreichische Geschichte nicht nur durch eigene einschlägige Werke in England bekannt zu machen, sondern auch ihr Studium zu fördern und die Historiker beider Länder in engeren Gedankenaustausch zu bringen. Ein erster Schritt in diese Richtung wird von Professor Benedikt getan werden, der jetzt im Londoner Kulturinstitut über das Thema „Geschichtliche Beziehungen zwischen England und Oesterreich“ sprechen wird. Führende englische Historiker sind dazu eingeladen worden. Für das weitere Programm vorgesehen sind musikalische Darbietungen von Ruthilde E- ö s c h, Alexander Jenner, Fred L i e w e h r und der Bläservereinigung der Philharmoniker; ein Nestroy-Abend, Vorträge über die Ausgrabungen in Carnuntum und österreichische wissenschaftliche Leistungen. Eine, reichhaltige Bibliothek und Schallplattensammlung, die noch ausgebaut werden soll, steht den englischen Interessenten zur Verfügung.

Der Direktor des neuen Kulturinstitutes, Dok-r tor Heinrich R i t s c h 1, früher Dozent der englischen Sprache an der Technischen Hochschule, Leiter des englischen Sprachunterrichtes beim Radio und Referent für kulturelle Auslandsbeziehungen des Unterrichtsministeriums Wien, bringt zu seiner Mission nicht nur die notwendigen Sympathien für England und Kenntnisse des englisch-österreichischen Kulturraumes, sondern auch ein großes Einfühlungsvermögen und ernste, akademische Interessen, die dem Ruf des Hauses in den entsprechenden englischen Kreisen dienen werden. Es gilt in einem solchen Beruf, der naheliegenden Versuchung, nur Beamter zu sein und nationale Propaganda zu treiben, zu widerstehen, und sich voll für die kulturelle Annäherung der beiden Völker einzusetzen. Nach Paris und Rom werden die österreichischen Interessen nun auch im Londoner Kulturinstitut in diesem Sinne gewahrt sein. Die Schaffung solcher Institute ist wesentlich eine Nachkriegserscheinung. Seit Kriegsende wirkt der British Council in Oesterreich, und durch die Unterzeichnung des anglo-österreichischen Kulturabkommens von 1952 war die Möglichkeit einer eigenen kulturellen österreichischen Vertretung in England gegeben worden.

Die Inneneinrichtung des Hauses, ein Gebäude aus der Viktorianischen Zeit, wurde dm Wiener Architekten Carl Auerböck übertragen, der das gegebene Alte gut mit dem

Neuen österreichischer Möbel und Bilder verbunden hat. Außen ist das Kulturinstitut weithin kenntlich durch zwei alte, jetzt mit Glühbirnen versehenen Laternen aus dem ehemaligen. Kaiserzelt, deren Schwarzgelb bunt übermalt worden ist, um ja nicht zu einem politischen Mißverständnis Anlaß zu geben. Im großen Bibliotheksraum im Erdgeschoß warten Tische mit modernen, zweckmäßigen Leselampen auf die englischen Studenten. Der Vortragsraum oder Salon im ersten Stock bietet Platz für etwa achtzig Gäste, und zwei Gemälde — ein Porträt in Oel der Schauspielerin Martha R o h s von Professor Dobrowski und eine Dorflandschaft von Professor B o e c k 1 — künden dort von neuerem künstlerischem Schaffen. Eine schöne, im Auftrag des Feldmarschalls Fürsten zu Schwarzenberg 1822 hergestellte Landkarte des Kaiserreiches hängt in einem kleineren Raum und erinnert an den Dienst an Oesterreich dieser Familie, den der heutige österreichische Botschafter gleichen Namens in London fortsetzt.

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