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Diana neben St. Florian

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Mit barocker Großzügigkeit gab Propst Johann Baptist Födermayr den antiken Sagengestalten nahe bei den Heiligen der Christenheit Heimatrecht: Sandsteinstatuen der Diana und des Aktäon flankieren das Portal des Schlosses Hohenbrunn im Blickfeld des Stiftes St. Florian. Gleich einem Landedelmann wollten Seine Gnaden dort des Weidwerks pflegen. Eine neue Aufgabe für Jakob Prandtauer. Beim Grundriß hielt er sich an das nächstliegende, das bodenständige Vorbild: den Vierkanthof. Dessen Form verband er mit dem Goldenen Schnitt seiner eigenen Bauideen zu einer harmonischen, noblen Schöpfung. Nehmt alles nur in allem: ein Schloß in Oberösterredch.

Doch Anno 1732, als Hohenbrunn vollendet war, lag Propst Födermayr bereits in der Gruft der Stiftskirche. Seine Nachfolger zeigten wenig Interesse an dem weitläufigen geistlichen Jagdhaus. Allmählich wurde der einzige feudale Ansitz, den Prandtauer je geschaffen hatte, von Mauerkrebs und Dachfäule befallen. Schnee, Schmelzwasser und Regen ungezählter Jahre erodierten Dianas verödete Residenz. Die Schöpfung des genialen Architekten schien zu einem der vielen Abschreibposten des österreichischen Kulturkontos degradiert.

Kummergewohnte Denkmalpfleger wußten zwar sachkundigen Rat, aber auf die Frage nach den erforderlichen Mitteln zur Restaurierung schnitten sie Gesichter, als sollte ihnen ein Nerv gezogen werden und zuckten resignierend die Achseln. 1961 kam schließlich aus Linz der Hilfszug auf der Trasse der Privatinitiative: der „Verein zur Rettung und Erhaltung des Schlosses Hohenbrunn“. Mehrere gezielte Sammelaktionen und kluge Darlehenspolitik brachten den gewünschten .Erfolg, bereits drei Jahre später konnte das Fähnlein der aufrechten freiwilligen Kulturpartisanen Hohenbrunn vom Stift St. Florian erwerben. Kaum hatte der Vertrag Rechtskraft, überlegte Verednspräsident Doktor Alfons v. Wunschheim, ein bekannter Industrieller, wie die sinnvollste Neuwidmung des Baues zu verwirklichen wäre. Als prominenter Weidmann regte er bei der Jägerschaft des Landes an, im Schloß ein oberösterreichisches Jagdmuseum einzurichten. Rasch waren die Weidkameraden ob der Enns für diesen Plan gewonnen. Hohe Zuschüsse der öffentlichen Hand ermöglichten die völlige Sanierung von Prandtauers so lange vergessenem Werk. Gleichzeitig setzte Dr. v. Wunschheim seine weitverzweigten Verbindungen in Jägerkreisen und der altösterreichischen High Society ein, um für die Schausammlung Exposita zu sichern. Aristokraten stellten aus ihrem Privatbesitz kostbare Leihgaben zur Verfügung. Seit 1967 steht Hohenbrunn im Zeichen des „Grünen Bruchs“, in jedem Sommer kommen scharenweise Jäger und Wochenendtouristen, die sich für die Tierwelt und den Naturschutz interessieren. In Österreich gibt es nur einige Jagdmuseen: Schloß Marchegg, Eggenberg bei Graz, Hohenbrunn und seit neuestem in kleinerem Rahmen, in Fuschl. Auch die mehr als 1000 Wildpräparate des Gastwirtes Hans Fenz in Ketzelsdorf, Nö., verdienen Beachtung und in gewisser Hinsicht können die Ischler Kaiservilla und das Salzburger „Haus der Natur“ ebenfalls als Jagdmuseen gelten. Zwischen vergoldeten Reliefs des Hohenbrunner Hauptsaals hängen kapitale Hirschgeweihe aus vielen Revieren und Epochen. Bezeichnend der Wandel in der Montierung: bis ins 19. Jahrhundert war es üblich, die Stangen in holzgeschnitzte, bemalte Häupter einzusetzen. Die barocken Trophäen wirken dadurch nicht naturalistisch, sondern betonen in ihrer eigenartigen, fast heraldischen Stilisierung den adeligen Charakter des damaligen Weidwerks und sind vielleicht auch Ausdruck der fast ehrfürchtigen Scheu des Menschen vor der märchenhaften Entrücktheit des „Königs des Waldes“.

Besonders anschaulich für Jungjäger und solche, die es werden wollen, die Objekte aus dem Gebiet der Wildkunde und des praktischen Jagdbetriebs: Abgüsse von Trittsiegeln, Modelle von Fütterungen und Hochständen, Einzelheiten über die Altersbestimmung des Wildes und Kennzeichen, nach denen man einen Bock — der entweder „schwach“, „gering“, ein „Kümmerer“ oder „gut“, „stark“, „kapital“ aber niemals „schön“ sein kann! — richtig „anspricht“.

In Ungarn erlegte ein Welser Weidmann jenen Hirsch, dem der Internationale Jagdrat (CIC) bei der Trophäenbewertung des Jahres 1968 den Weltrekord zuerkannte. Das Original mußte innerhalb der rotweißgrünen Grenzpfähle verbleiben, aber für Hohenbrunn wurde wenigstens ein täuschend naturgetreues Faksimile aus Kunstharz gefertigt. Von fürstlichen Jagden des deutschen Barock stammen rechteckige Sackleinenwimpel mit aufgemalten Wappen und Mohrenköpfen, sie wurden an Schnüren um markierte Revierteile gespannt. Trotzdem kam es vor, daß den Schützen manches Stück Wild eben „durch die Lappen ging“ — daher leitet sich die gängige Redewendung ab.

Hinter einer Kuhattrappe gedeckt bejagte man Rebhühner mit dem „Schnepper“, einer Armbrust, die statt Bolzen Tonkugeln verschoß. Solch ein Schnepper, heute eine große Rarität, ist in Hohenbrunn zu sehen. Die Gewehrsammlung zeigt die Entwicklung der Jagdwaffe von beispielhaften Einzelschöpfungen der Büchsenmacherei der Renaissance mit Elfenbein-Einlegearbeiten, geschnitzten Schäften und wahren Meisterwerken an kunstvoll geschmiedeten Schlössern bis zur Präzision einer modernen Mannlicher-Schönauer. Als negative Gegenstücke: Wildererwaffen, kurzläufig oder zerlegbar, heimtückische Mordinstrumente, unwillkürlich denkt man in die selbstverfertigten Gewehre von Dschungel-Guerillas. Flandrische Wandteppiche verbreiten die Atmosphäre der alten Ars vetiandi, ein Leihgeber trennte sich zugunsten des Museums von einer Lodenjoppe aus der Ischler Garderobe Kaiser Franz Josephs. Helmut Krauhs schuf Figurinengruppen von gewohnter kulturhistorischer Akkuratesse und obendrein mit seiner anekdotischen persönlichen Note. Zur seltenen „Beute“ systematischen Sammeleifers zählt auch ein bäuerliches .Hinterglasbild des Hubertushirsches, ein Motiv, das in diesem Zweig der Volkskunst nur ganz vereinzelt vorkommt. Bis in unser Jahrhundert trugen die Leibjäger des Adels bei feierlichen Anlässen den Hirschfänger am breiten, wappengezierten Bandelier. Ein eigener Raum ist der traditionsreichen Falk-nerei gewidmet, die mit zunehmender Perfektionierung der Schußwaffen in Vergessenheit geriet, nun aber in West- und Mitteleuropa wieder intensiv gepflegt wird. Offizielle Besucher aus verschiedenen Staaten erklärten übereinstimmend, diese ebenso kulturhistorische wie weidgerechte Kustodenleistung sei in ihrer Gesamtheit ein Vorbild und Modellfall für die Einrichtung von Jagdmuseen. Durch Filmvorführungen in Hohenbrunn wirbt die oberösterreichische Jägerschaft für die ins Allgemeine wirkenden Grundsätze des Weidwerks: die Erhaltung von Wild und Wald und damit unseres so vielfach gefährdeten Lebensraumes. Denn von nun an müßte jedes Jahr ein Naturschutzjahr sein. Auch ohne Dekret der UNESCO.

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