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Die Einheit von Leben und Bauen entdeckt
»Adolf Loos für junge Leute“ im Museum des 20. Jahrhundert ist die einzige Ausstellung, ja, überhaupt die einzige Ausstellung, mit der in Wien des 100. Geburtstags des Architekten Loos gedacht wird: am 12. Dezember 1870 wurde er in Brünn geboren, 1933 starb er in Kalksburg. Er war einer der wichtigsten Erneuerer modernen Bauens. Werke wie das 1899 entstandene Cafe Museum, die Kärntner Bar (1907), das einst skandalumwitterte Haus auf dem Michaelerplatz (1910) in Wien und das Haus des Dichters Tristan Tzara in Paris (1926) bis zum Haus Müller in Prag (1930) sind Marksteine der Entfaltung neuer Architektur geworden. Freilich, in welchem Zustand sind heute viele seiner Werke...
»Adolf Loos für junge Leute“ im Museum des 20. Jahrhundert ist die einzige Ausstellung, ja, überhaupt die einzige Ausstellung, mit der in Wien des 100. Geburtstags des Architekten Loos gedacht wird: am 12. Dezember 1870 wurde er in Brünn geboren, 1933 starb er in Kalksburg. Er war einer der wichtigsten Erneuerer modernen Bauens. Werke wie das 1899 entstandene Cafe Museum, die Kärntner Bar (1907), das einst skandalumwitterte Haus auf dem Michaelerplatz (1910) in Wien und das Haus des Dichters Tristan Tzara in Paris (1926) bis zum Haus Müller in Prag (1930) sind Marksteine der Entfaltung neuer Architektur geworden. Freilich, in welchem Zustand sind heute viele seiner Werke...
Das Haus am Michaelerplatz ist nur noch ein Schatten seiner selbst: Firmen haben an dieser Prachtfassade gewütet, um- und verbaut, was nur möglich war, unpassenden, falschen Marmor an den Seitenfronten zur Verkleidung verwendet Im Cafe Museum wurde buchstäblich alles entfernt, was an Loos erinnerte, im berühmten „Capua“ ist nichts Originales mehr vorhanden, das Haus Rufer im 13, Bezirk wurde verändert usw. Kurz, der Denkmalschutz hat es nicht geschafft, Loos' Wiener CEuvre in seiner Gesamtheit zu erhalten, ja man hat gewissenlos vieles preisgegeben. Freüich, Loos selbst war zeit seines Lebens wie sein Schaffen unbequem, unkonventionell. All seine Aufsätze und Reden bezeugen es, wie sehr er morsch gewordene Bauordnungen und im Klischee erstarrte Fassadenprinzipien hinwegzufegen gedachte. Schon die Artikelreihe von 1898 in der „Neuen Freien Presse“ wirkte mit geradezu elementarer Gewalt auf die Entwicklung der modernen Architektur ein, und jedesmal, wenn er später das Wort ergriff und über „Ornament und Verbrechen“, über „Heimatkunst“, über „Gehen, Stehen, Essen, Trinken“, über die Grundbegriffe der Architektur, über Akustik sprach, faszinierte die lapidare Einfachheit, deren gültige Wirkung die Zeit noch verstärkt. Nicht von ungefähr sind selbst viele seiner ältesten Artikel auch 1930 modern genug gewesen, um den damals Jungen als aktuellstes Vorbild zu dienen. Und es wird berichtet, daß Loos' Aufsätze und Essays in vielen Abschriften jahrelang kursierten, als seine Bücher im Brenner-Verlag längst nicht mehr aufzutreiben waren. Le Corbusier, der Loos-Verehrer, der sich sogar auf dessen Werke berief, schrieb 1930 in der „Frankfurter Zeitung“ über seinen großen Wiener Kollegen: „Loos fegte unter unseren Füßen, es war eine homerische Säuberung — genau, philosophisch und logisch. Dadurch hat Loos unser achitektonisches Schicksal beeinflußt.“ Untrennbar scheint der Mensch Loos von seinem Schaffen, untrennbar sein Bauen von seinen Schriften, untrennbar seine denkerische Entwicklung als Humanist von seiner Stellung Architektur gegenüber. Reisen durch die USA in den Jahren 1893 bis 1896, nach New York, Philadelphia, Chikago etwa, haben auf ihn entscheidenden Einfluß ausgeübt. Ebenso seine Verbindung zum Kreis um Peter Altenberg, Karl Greil, Arnold Schönberg und Kokoschka in Wien. 1906 eröffnete er seine eigene Architekturschule, 1920 bis 1922 wurde er Leiter des Stadtbauamtes in Wien und ging bis 1930 nach Paris.
Werner Hof mann hat einmal in einer Analyse die Zusammenhänge zwischen Loos' Werken und denen seiner großen Zeitgenossen Perret, Wright und Behrens geartet. Als die eines der wichtigsten Architekten der ersten modernen Generation, als Polemiker, Moralist, der stets Architektur im Zusammenhang mit Leben und Kunst exekutiert sehen wollte und daher alle falschen, verlogenen Verzierungen haßte. Loos war der erste in Europa, der die Architekturrevolution der USA im ausgehenden 19. Jahrhundert in ihrer Bedeutsamkeit für Europa erkannte, er war der erste, der gegen das wuchernde, durch die Industrie banalisierte Jugendstilornament für Europa auf die Barrikaden rief. Er war es, der hier wieder Zusammenhänge zwischen Fassaden und Innenkonstruktion sichtbar machte und so ein neues Maß des Bauens schuf. In Villen, aber auch in großzügig geplanten Gemeindebauten, wo er erstmals Terrassenkonstruktionen zu schaffen gedachte. Dazu Loos selbst 1923: „Es war immer meine Sehnsucht, ein Terrassenhaus für Arbeiterwohnungen zu bauen. Das Schicksal des Proletarierkindes vom ersten Lebensjahr bis zum Eintritt in die Schule dünkt mich besonders hart Dem von den Eltern in die Wohnung eingesperrten Kinde sollte die gemeinsame Terrasse, die eine nachbarliche Aufsicht ermöglicht, den Wohnungskerker öffnen.“ Die gleichen architektonischen Prinzipien wie bei Arbeiterwohnungen leiteten ihn aber auch bei Luxusvülen. Auch das macht das Universale seiner Werke aus. Beispiele dafür sind das Haus Strasser, das von Loos ungewöhnlich elegant gestaltet wurde, oder das Haus Scheu, aber auch die schlichte Werkbundsiedlung im 13. Bezirk.
Uberall spürt man es, wie Loos dem Mittelmaß auszuweichen trachtete, wie er optische Lösungen suchte, die vor allem funktionell ideal sein mußten. Und wie er malerische Effekts erzielte, ohne jemals das Malerische berücksichtigt zu haben. „Baue nicht malerisch“, schrieb er etwa 1913 in dem Aufsatz „Regeln für den, der in den Bergen baut“: „Uberlasse solche Wirkungen den mauern, den bergen und der sonne. Der mensch; der sich malerisch kleidet, ist nicht malerisch, sondern ein hanswurst. Der bauer kleidet sich nicht malerisch. Aber er ist es...“ Das schönste Beispiel dafür ist sein 1930 gebautes Landhaus Khuner auf dem Kreuzberg bei Payerbach. Herkömmliches, der Landschaft Verbundenes und neue Zweckmäßigkeit sind eins geworden. Und ejr hat weggelassen, was nicht pure Konstruktion ist. Gerade dieses Haus von Loos ist eines der wichtigsten geworden für einen Typus moderner Baukultur auf dem Lande. Hätte man sich in Österreich darauf öfter besonnen! Häßliche Dutzendkästen würden nicht unsere Landschaft verschan-dein.
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