Die erschütternde Bilanz des Ernst Fuchs im Wiener Palais Harrach.

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Am Anfang war das Licht, am Ende zeichnet sich ein gigantomanischer Erosionsprozess künstlerischer Substanz ab. Die Ausstellung "Ernst Fuchs, Mythos - Phantasie - Realismus" im Palais Harrach bildet schmerzhaft das Drama eines überbegabten Wunderkindes ab. Ein Jahr nach dem 70. Geburtstag des in allen altmeisterlichen Techniken versierten Malers sind nun erstmals alle Schaffensperioden in über 200 Werken in Österreich zu sehen. Von vielversprechenden, hochtalentierten jugendlichen Anfängen eilte der bis heute sehr produktive Ernst Fuchs vom Surrealismus zum künstlerischen Popularitätshoch als Begründer der "Wiener Schule des Phantastischen Realismus", erstürmte nach den Niederungen der Apokalypse und des Weltschmerzes thematisch himmlische Gefilde, Mythen, Heilige, "Das Licht der Thora" (1961), "Doppelfüßiger Cherub über kristallenem Meer" (1962), "Architektura Cealestis" (1964), um im Alter bei neondurchfurchten Himmeln, prallen Frauen, starken Helden, Sakralwerken im Nazarenerstil und Kunsthandwerk zu landen.

Der Beginn von Fuchs' Malerkarriere war ebenso exzessiv und überbordend wie seine grenzenlosen Exkurse in die Welt der Neonfarben, der Fantasy-Helden, der Überfrauen und des Dekors. Schon mit 15 Jahren wurde er als zeichnerisches Ausnahmetalent auf die Wiener Kunstakademie aufgenommen. Sein Früh- und Jugendwerk ist von Hingabe, meisterlicher Technik, überbordender Fantasie und starker Ausdruckskraft geprägt. Als Zwölfjähriger porträtiert er seine Mutter, skizziert den kreuztragenden Christus in Tusche auf Papier. 15-jährig malt der zum Christentum konvertierte Sohn eines jüdischen Vaters in den letzten Tagen vor Kriegsende im Luftschutzkeller seinen orthodoxen Großvater als "Ahasver - Der ewige Jude", im selben Jahr: "Prophetkopf: wie ich aussehen werde, wenn ich ein alter Mann bin".

Den Schmerz, der das Werk des jungen Fuchs durchzieht, hat der jetzt 71-Jährige gegen Neonfarben, pralle Brüste und klischeehaft flache Schablonengesichter eingetauscht. Er ist zum Propheten der Oberfläche, des überbordenden Dekors geworden. "Das bewegte Zeitalter hat die Ikone vernichtet", sieht sich Fuchs als Kämpfer für das Tafelbild, er verweist auf seine Macht, die einen Wahnsinnigen dazu brachte, sein Altartryptichon der Rosenkranzkirche Hetzendorf zu zerstören. Aufwändig restauriert, ist es dort wieder zu bewundern.

Sein Alterswerk berührt nicht mehr, es ist zum Zerrbild der Ikonen geworden, das die schrille, bewegte Werbeästhetik zur Unerträglichkeit übertreibt und in gigantischen Formaten festfriert.

Dabei hatte Fuchs das Talent, Ikonen zu schaffen. Gezeichnet vom Grauen des zweiten Weltkriegs, malte sich der junge Maler das Leiden an der Brutalität der Welt von der Seele. Mutig, experimentierfreudig und hochexpressiv stellt er mit 15 Jahren einen provokanten, nackten, grausam verrenkten Christus dar. Seine Technik verfeinert sich rapide, mit künstlerischer Sorgfalt, Geduld und in altmeisterlicher Malweise folgt 1948 eine irritierende "Passio", die symbolbeladen einen grauenverzerrten Kopf mit Dornenkrone und Eiern, eine in einen Turm eingemauerte Nackte, und einen entsetzten Frauenschädel zeigt. Viele bedeutungsvolle Details finden sich da, wie auch auf dem Bild "Der Heilige Johannes auf Pathmos". Kahle Bäume hinter Mauern, das Schweißtuch Christi im Hintergrund, ein goldenes Kriegsflugzeug.

Die Arbeit in Serien ist für Ernst Fuchs ebenso charakteristisch wie Einflüsse des Surrealismus, die "Wiener Schule des Phantastischen Realismus", die er mit Arik Brauer, Anton Lehmden und Rudolf Hausner gründete, die Zuwendung zum Manierismus. In der Serie zum Bikini-Atoll wird die altmeisterliche Zeichentechnik mit groben Strukturen gebrochen, der "Dämon über den Grüften" (1947) ragt überdimensional schwarz über die Gräber fein gezeichneter Körper. "Familie in Angst" (1947) ist aus lauter Punkten gezeichnet, für Fuchs eine Metapher zur atomaren Weltsicht. In der "Apokalypse" (1947) scheint giftiges Pink unheilvoll die Welt zu überziehen, deren Sonne schwarz in einem Horizont voller Kriegsbomber strahlt. Auch der Tod Mahatma Gandhis beeindruckte Fuchs stark: er findet sich als Bild dieser Serie.

"Die Metamorphose der Kreatur" ist eine weitere Serie, zu der er mehrere aussagestarke Bilder schafft. In detailreichen Bleistiftzeichnungen auf grundiertem Papier bildet er Schreckensvisionen ab: der "Kreuztragende Tod", "Der Tod", "Golgotha", "Die Metamorphose der Kreatur" oder "Der Kardinal". Letzterer, ein zum Gerippe abgemagerter Mann mit zwei Totenschädeln in der Hand, trägt die Gesichtszüge von Monsignore Otto Mauer, den Fuchs sehr verehrte. Bildgewaltig farbig stellt "Metamorphose des Fleisches" (1949) den Weg der Jugend zum schwarzen Gerippe dar.

"Die Versuchung des Heiligen Antonius" (1949) kleidet tiefstes Grauen in ein Weltuntergangsstimmungsbild, mit totem Gesichtsausdruck und wegwerfender Geste kriecht eine dornenkranzbekrönte Gestalt durch eine Endzeitlandschaft, die schemenhaft Christus, Petersdom und Monster bewohnen. Fuchs überhöhte Selbsteinschätzung zeigt sich auch: 1954 malt er "Selbstporträt als Kaiser von Österreich". Mit Dürerschem Langhaar, Zepter und Krone. Ein drachenartiges Monster blickt von oben auf den jungen Malermonarchen. Bevor er sich in die Niederungen des Banalen begibt, gelingen ihm noch große spirituelle Werke: "Erzengel Michael" (1956), "Kreuzigung" (1957), "Christus vor Pilatus" (1957), "Christus am Ölberg"(1958), "Weinender Christus" (1959).

Bis 14. Oktober

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