"Die Farbe hat mich … Ich bin Maler"

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Die Albertina zeigt eine faszinierende Retrospektive der Arbeiten von Paul Klee - ermöglicht durch eine Schenkung von Carl Djerassi.

Wo der Markt die Kunst regiert, also beinahe immer und überall, tauchen mit großer Regelmäßigkeit Sprüche aus Künstlermund auf, die zu Elementen einer Marketingstrategie umfunktioniert werden. So sie nicht vom Sprecher selbst schon in diesen Kontext gestellt wurden, wie etwa Picassos hilflos überzogenes "Ich suche nicht, ich finde", stammen viele dieser Aussagen entweder aus der Selbstverteidigung gegenüber unverständigen Angriffen oder aus der pädagogischen Praxis eines Kunstschaffenden. In Letzteres gliedert sich Paul Klees grundsätzliche Feststellung über die Funktionsweise von Kunst ein, wenn er sagt: "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar." Wie denn nun dieser Satz zu verstehen, sprich anzuschauen sei, lässt sich derzeit in einer großen Retrospektive aus Klees Œuvre anlässlich der Übertragung von Teilen aus Carl Djerassis Sammlung in die Albertina ebendort nachvollziehen.

Der berühmte Spruch von Paul Klee entstammt seiner Schrift "Das bildnerische Denken", die aus seinen Vorlesungen am Bauhaus hervorgegangen ist - jener berühmten vom Architekten Walter Gropius gegründeten Ausbildungsstätte, die sich eine Verbindung von Architektur, Handwerk und industrieller Gestaltung zum Ziel gesetzt hatte und an der Klee in der Buchbinderwerkstatt, der Textilwerkstatt und im Atelier für Glasmalerei unterrichtet hat. Der Titel ist durchaus programmatisch zu verstehen, dem "Bilden" im Sinne der Bilderzeugung wird ebenso ein Denken zugeschrieben wie etwa einem Bilden im Sinne der Produktion einer philosophischen Abhandlung. Klee versucht in seiner Vorlesung so etwas wie eine Logik des bildnerischen Schaffens darzulegen, um in der Analogie zu bleiben.

Im oben begonnen Textausschnitt heißt es dann weiter: "Das Wesen der Grafik verführt leicht und mit Recht zur Abstraktion. Schemen- und Märchenhaftigkeit des imaginären Charakters ist gegeben und äußert sich zugleich in großer Präzision." Diese Ausführungen über die "Logik" des bildnerischen Schaffens bieten gleichzeitig auch eine Selbstbeschreibung der Arbeiten von Klee, ohne dass sie damit gleich den Anspruch, mehr als bloß eine subjektive Anhäufung von Aphorismen zu sein, verlieren würden. Jede philosophische Abhandlung möchte für sich ja auch eine innere Stringenz aufweisen.

Paul Klee wurde 1879 in der Nähe von Bern in eine Musikerfamilie geboren. Nach einem Kurzstudium bei Franz von Stuck an der Akademie in München bildet sich Klee mehr oder minder autodidaktisch weiter. In der schwierigen Zeit der Entwicklung seiner Formensprache verdient er sich Geld als Mitglied in einem Orchester und mit Opern- und Konzertkritiken. Nach der Eheschließung mit der Pianistin Lily Stumpf sorgt diese für den Lebensunterhalt, Klee kümmert sich um den Sohn Felix, was seinen positiven Zugang zu Kinderzeichnungen sicher unterstützt. 1914 unternimmt er gemeinsam mit August Macke und Louis Moilliet die berühmte Reise nach Tunesien, die den Grafiker zum Maler reifen lässt. "Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht mehr nach ihr zu haschen. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler", fasst Klee diese Erfahrung zusammen.

Von 1921 bis 1931 unterrichtet Klee am Bauhaus, von 1931 bis 1933 an der Akademie in Düsseldorf. Von den Nationalsozialisten als "entarteter" Künstler diffamiert, emigriert Klee im Dezember 1933 in die Schweiz. Im Jahr 1936 erkrankt er an Sklerodermie, schafft aber nach einer kurzen Pause bis zu seinem Tod am 29. Juni 1940 eines der beachtlichsten Alterswerke.

In den frühen Jahren erarbeitet sich Paul Klee einen psychogrammartigen Zeichenstil. Er siedelt sein Schaffen in einem Zwischenreich an, zwischen den äußeren Sinnen und der inneren Wahrnehmung, dort, wo nach seiner Auffassung am besten die Kinder, die Verrückten und die Primitiven hinschauen können. Daher lässt er sein Werkverzeichnis auch mit seinen Kinderzeichnungen beginnen, und den manchmal "primitiven" Eindruck, den seine Arbeiten hervorrufen, erklärt er als Resultat seiner bildnerischen Reduktion, die aus Sparsamkeit geboren wird und wirklicher Primitivität damit als schwer erkämpfter Prozess entgegensteht. Dieser Zugang lässt Klee das Zeichnen als eine Weiterführung des Schreibens begreifen, kalligrafische Elemente gehören dann ebenfalls dazu, wie die Einfügung der Titel in die aufkaschierten Zeichnungen - was für die Betrachter eine weitere Anregung inhaltlich-phantastischer Natur mit sich bringt.

Das Changieren zwischen dem Bekannten und dem Geheimnisvollen, das Ausreizen der Tragfähigkeit jeder einzelnen Linie, der beständige Kampf um eine Bildphysiognomie - was man herkömmlich mit Komposition bezeichnet - angesichts des "dramatischen Ensembles", das Klees Innenleben laut seiner Beschreibung ausmacht, katapultiert ihn zu den grundsätzlichen und damit letzten Fragen. Die Antwort gibt die Kunst in ihrer Einfachheit. "Die Kunst spielt mit den letzten Dingen ein unwissend Spiel und erreicht sie doch!" Kaum einem anderen gelang es, mit einer derartig kindlichen Verspieltheit Werke von so tiefer Ernsthaftigkeit zu schaffen.

PAUL KLEE

FormenSpiele

Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien

Bis 10. 8. tägl. 10-18, Mi 10-21 Uhr

Katalog: Paul Klee, FormenSpiele. Ostfildern 2008, 296 S., € 27,-

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