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Die Klster hinter dem Wald

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Die Landschaft gleicht unseren Voralpen. Und doch sind wir ungefähr 1000 km von Österreich entfernt — und zwar in östlicher Himmelsrichtung. Die Weiten der ungarischen Tiefebene liegen ebenso hinter uns wie die mitunter an Schottland erinnernden waldarmen Hochflächen von Siebenbürgen. Nach Kronstadt (Brasov) wurde der Kar-patenbogen durchstoßen. Der Horizont öffnet sich, die Ebenen des Ostens kündigen sich an. Wir befinden uns in der alten historischen Landschaft der Moldau. Die kleine Stadt Sugeava — sie lag übrigens bis 1918 im östlichsten Zipfel der alten Donaumonarchie — ist unser Ziel. Hierher muß jeder, der die Klöster hinter dem großen Wald der Karpaten besuchen will.

Das Ziel lohnt die Strapazen der vielen hundert Kilometer. Die nahe der heutigen sowjetischen Grenze gelegenen Klöster Sucevifa, Moldovifa, Humor und V or-onef bilden ivegen ihrer in nahezu unversehrtem Glanz erhaltenen Fresken, die vom Dachfirst bis zum Boden jeden Quadratzentimeter der Außenwände bedecken, ein Ziel für Kunstfreunde aus ganz Europa. An der Wende des 15. und 16. Jahrhunderts unter der Regentschaft Stephans des Großen und Petru Rares entstanden, künden sie von der großen Zeit der Moldau, in der auch der Stil Byzanz' eine eigene nationale Ausformung erfuhr, bevor der immer stärker werdende Einfluß der hohen Pforte Land und Volk durch Jahrhunderte in den Dämmerschlaf der Geschichtslosigkeit versetzen sollte.

Sugeava, das bereits in der Ebene liegt (leider nur ein ständig überbelegtes Hotel), ist der Ausgangspunkt der Fahrt zu den einzelnen Klöstern. Sie führt in stille Waldtäler. In Sucevita und Moldovita, trifft der Besucher mit orthodoxen Nonnen zusammen. Ihr Gebetsruf,auf Gongs und Klangbrettern mit Holzhämmern „getrommelt“, erreicht westliche Ohren als Anruf einer mystischen östlichen Gläubigkeit. In Humor und Voronet gibt es zwar keine Klöster mehr, die Kirchen „arbeiten“ jedoch noch an Sonn- und Festtagen. Junge sprachgewandte Theologen stehen den immer zahlreicher werdenden Besuchern als kunstgeschichtlich versierte Führer zur Verfügung. Auch das schon in einem von den Wachttürmen der sowjetischen Grenze gesäumten Waldtal gelegene Kloster Putna Verdient besucht zu werden. Hier, wo Stephan der Große zur letzten Ruhe gebettet liegt, locken allerdings keine leuchtenden Fresken, aber eine intakte Mönchsgemeinde verwaltet ein nach modernen Gesichtspunkten gestaltetes Museum sakraler Schätze. Auch hat dieser Wallfahrtsort nationale Bedeutung. Niemand anderer als der rumänische Parteisekretär Ceaucescu fand im vergangenen Jahr den Weg nach Putna.

Er kam freilich nicht als frommer Pilger. Sein Besuch hatte vielmehr einen ziemlich brisanten politischen Charakter. Seine Verbeugung vor den Gebeinen Stephans des Großen war vielmehr eine nicht zu übersehende Demonstration gegenüber dem großen Nachbarn, der die nördliche Hälfte der unter Stephans Zepter vereinten Moldau heute in seinen Staatsverband einbezogen hat.

Von den zuständigen staatlichen Stellen wird die Bedeutung dieser Klöster als „nationale Kulturdenkmäler“ gewürdigt. In letzter Zeit wurde auch ihre Rolle für den Fremdenverkehr erkannt. Davon zeugen die Arbeiten an den bisher etwas stiefmütterlich behandelten Waldstraßen. Ob Ziel von frommen Pilgern öder von mehr oder weniger kunstverständigen Fremden aus aller Welt, ob durch Jahrhunderte im Dunkel der Geschichte oder im ersten und zweiten Weltkrieg von nahem Kanonendonner umdröhnt: die Klöster „hinter dem Wald“ werden bleiben, die leuchtenden Farben ihrer Fresken werden künden von der Größe des Herrn und der Pracht Seiner Heiligen bis zu jenem Tag, an dem — wie es das grandiose Jüngste Gericht in Voronef zeigt — die Engel den „Schleier der Zeit“ zusammenrollen ...

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