Die Meister des Stimmungsrealismus

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Die Küste, gegen die die tosenden Wellen schlagen, die Ebene, über welche Wolken ziehen, der See, über dem sich ein Gewitter zusammenbraut - die Landschaft an sich war es, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ins Blickfeld einiger österreichischer Maler rückte. Eine Landschaft, die sich selbst genügte, ohne Kulisse sein zu müssen, ohne eine moralische Botschaft zu transportieren und ohne einen narrativen Zusammenhang herzustellen. Der Heroisierung, wie sie in der Romantik üblich war, wurde dabei ebenso eine Abfuhr erteilt wie der pompösen Malerei des Historismus. Diesen "Wegen ins Freie", wie sie vor allem Emil Jakob Schindler und Zeitgenossen antraten, widmet das Leopold Museum derzeit im untersten Stockwerk eine 85 Werke umfassende Sammlungspräsentation.

Es waren die Maler der französischen Schule von Barbizon, die Emil Jakob Schindler und seine Kollegen, die Albert Zimmermanns Klasse für Landschaftsmalerei an der Akademie besuchten, beeindruckten. Als sie 1869 der internationalen Kunstausstellung in München beiwohnten, sahen sie dort die Poetik der "paysage intime" in Werken von Camille Corot und anderen -und nahmen diese Anregungen mit, um sie in der idyllischen Umgebung Wiens, aber auch in Westfrankreich, Italien, Dalmatien, Ungarn und in den Niederlanden im Freien umzusetzen. Den Malern der Schule von Barbizon ging es nicht nur um schlichte Motive, sondern auch darum, als Ausführende mit der Landschaft bedingungslos vertraut zu werden, bevor man sie abbildet. "Stimmungsrealismus" ist der Begriff, den nicht nur Kurator Ivan Ristić jenem des "Stimmungsimpressionismus" vorzieht, wenn es um heimische Maler geht. Ja, auch Österreicher strebten ins Freie wie die Impressionisten. Jedoch war die Herangehensweise eine andere. "Man hatte natürlich mitbekommen, was damals in Frankreich aufkam, ging aber in der emotionsgesteuerten Wiedergabe der Landschaft nicht so weit wie die Impressionisten", sagt Ristić. "Vielmehr war eine Vertrautheit mit dem Sujet essenziell. Schindler predigte, so lange vor dem Motiv zu sitzen, bis dieses etwas im Maler auslöste. Die Bilder entstanden nicht im Wettlauf mit der Zeit, sondern waren letztlich gesammelte visuelle Eindrücke, die dann in einem Bild fusioniert wurden."

Auch wenn man in Otto von Thorens locker gemalter Skizze zum Seebad bei Trouville impressionistische Anklänge erkennen möchte, so relativiert Ristić: "Da die spätere große Ausführung dieser energisch hingeworfenen Skizze sehr viel penibler realistisch und detaillierter war, ist auch er nicht als Impressionist, sondern als Stimmungsrealist zu sehen."

Unaufgeregte Beobachter

Jener Österreicher, der am stärksten nach dem Vorbild der Barbizoner malte, war Eugen Jettel. Er hielt sich oft in Barbizon auf - und unterscheidet sich nicht nur dadurch von seinen ehemaligen Kollegen der Zimmermann-Klasse: "Jettel malte weit düsterer und weniger detailliert. Seine Malerei ist weniger aufgeregt, er ist fast ein parteiloser Beobachter der Landschaft", beschreibt Ristić. Unaufgeregt wirken auch die Umsetzungen von Anton Romako. Starke Konturierungen und ein Faible für japanische Kunst fallen bei Rudolf Ribarz auf. Auch Tina Blau, noch stärker als Schindler am Licht und weniger an Details interessiert, wird als Lebensmensch und Rivalin desselben in den Blickpunkt gerückt.

Selbst wenn das Interesse an der Landschaft an sich damals en vogue war, sieht Kurator Ristić doch auch ein Statement im Wirken der Stimmungsrealisten, das über das reine Interesse am Abgebildeten hinausgeht: "Wenn man überlegt, dass damals die Industrialisierung vorherrschte, so ist es auch ein Statement, die unberührte Landschaft an sich zu malen -man schaute weg und malte das, was in Gefahr war, über kurz oder lang zu verschwinden."

Zusätzlich hat die Schau gleichsam eine Ouvertüre und ein Nachspiel. Arbeiten von Waldmüller und Gauermann zeigen, wie Maler auch im Vormärz in die Natur gingen, was damals als anstößig und vulgär angesehen wurde. Am Ende stehen Exkurse zur aufkommenden Fotografie, die die Malerei ihrer abbildenden Tätigkeit enthob, und zu Ungarn, das vielen Malern als nahe liegende Ersatzexotik diente. Wenngleich interessant, bleibt auf diese Art und Weise manches in der Ausstellung Stückwerk und vieles unerklärt.

Wege ins Freie. Von Waldmüller bis Schindler Leopold Museum, bis 28. April 2019 täglich 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr Di geschlossen www.leopoldmuseum.org

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