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Die Musik in Geschichte und Gegenwart

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Im Unterschied zu zwei vorausgegangenen Bänden, deren Gesicht durch eine Reihe bedeutender Künstler-monographien bestimmt ist, erscheint der vorliegende als. Kompendium umfassender Artikel über, die verschiedenartigsten S p e z i a 11 h e m e n. Die größeren von ihnen haben, bei normalem Ehnck und Satzspiegel, den Umfang kleiner Broschüren. Öie Per-; spektive und Aktualität (sei es in der Form der Verwertung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse, sei ts durch Heraufführen eines Themas bis in die Gegenwart) sind besonders hervorzuheben und bewirken, daß man auch umfangreiche und „historische“ Kapitel mit Interesse und Spannung liest. Gleich eingangs ist „Feste und Festspiele“ ein solcher Artikel, der aber in der Gewichtverteilung etwas ungleichmäßig ausgefallen ist. (Weshalb neben den Dirigentenlisten der Niederrheinischen Musikfeste und der Tonkünstlerfeste des ADMV nicht auch die von Salzburg und Bayreuth?) Sehr lebendig und instruktiv schreibt Edmund Nick über Filmmusik, der durch einen technischen Artikel von Martin Ulner ergänzt wird. Es folgen die größeren Studien über finnisch-ugrische Musik, den Canto flamenco, über Flöteninstrumente (etwa 50 Spalten, besonders reich bebildert), der gewichtige Beitrag von Blume und Miiller-Blattau über „Form“, über die Musik der Franziskaner von Huschen mit reichen Literaturangaben; gut informiert zeigt sich Nett! über Frei-maurermusik, von Bruno Stäblein stammen zwei gelehrte Beiträge über Frühchristliche Musik (etwa 30 Spalten) und Galtikanische Liturgie (25 Spalten); dem Artikel von Miiller-Blattau über die Fuge sind, auf vier Seiten, Thementafeln beigegeben, aber auch die „Nebengeleise“, etwa Galopp und Gassenhauer, sind nicht vernachlässigt. Reich illustriert mit Zeichnungen und Tafeln sind die gründlichen wissenschaftlichen Artikel über Gehörbitdung (Müller-Blattau), Gehörphysiologie (Hensel), Gehörpsychologie (Wel-lek); etwas knapp ist der Beitrag über die Geige geraten, sehr - grundlich und instruktiv sind die Artikel über Kirchengesang (Mittelalter: Stäblein, evangelischen K.: Blankenburg; katholischen K.: Schamagl). Nennen wir noch die ausführlichen Beiträge über Gemischte Chöre (GudewitI), Germanische Musik (Niemayer), Gesamtausgaben (eine Fundgrube.' Schmieder), Gesangbuch (Mahrenholz), Gesangskunst (Moser) und Gesangspädagogik (Geering). Wie in den vorangegangenen Bänden finden sich auch in dem vorliegenden wieder einige große musikalische Monographien der bedeutenden Musikstädte (Ferrara, Florenz, Frankfurt an der Oder und Frankfurt am Main, Freiberg. Freiburg im Breisgau, Genf, Genua sowie Frankreich (75 Spalten von mehreren Autoren). Ueber folgende zeitgenössische Autoren stehen in diesem Band Kurzmonographien: Finke, Fitelberg, Fortner, Foss, Franck, Fried, Fromme], Furtwängier, Gal, Genzmer, Gershwin und Gerstner. Eie wichtigsten Themen aus der österreichischen Musikgeschichte wurden von folgenden Verfassern bearbeitet: Robert Haas über Ferdinand HL, . P. Altmann Kellner über St. Florian und Andreas Lies über Joh. Jos. Fux (besonders gründlich, mit vollständigen Literaturangaben auf 15 Spalten). Hervorgehoben sei auch der umfang-reiche Artikel über Giovanni Gabriele von Denis Arnold. — Wir vermissen bei dem Buchstaben F lediglich die englische Altistin Cathleen Ferrier. —

Von den Registern ist besonders das der Mitarbeiter schätzenswert. Druck tmef Ausstattung sind, wie bei den vorausgegangenen Bänden, erstklassig.

Von neuer Musik. Von Willi Schuh. Atlantis-Verlag, Zürich—Freiburg im Breisgau. 272 Seiten. Preis 11.50 sfr.

Die vorliegende Sammlung von Essays ist bereits die dritte, die der bekannte Schweizer Musikkritiker und Richard-Strauss-Spezialtst in der Atlantis-Musik-Kicherei herausgegeben hajt: Es handelt sich um Kritiken und Essays, die während der letzten acht Jahre in der „Zürcher Zeitung“, und in .der „Schwerzer Musikzeitschrüt“ erschienen sind. Der Autor erweist sich als kenntnisreicher und undogmatischer Beobachter der zeitgenössischen Produktion, der so oft wie nur möglich den flüchtigen Eindruck gewissenhaft durch genaues Studium der Partituren verifiziert und sein Urteil plastisch zu formulieren versteht. Die Studien über Strawinsky und die fünf großen Musikfestberichte legen nicht nur von der Kultur des Autors, sondern auch von dem der Zeitung, in der sie erschienen sind, Zeugnis ab. Empfehlenswert für alle, die an der neuen Musik interessiert sind.

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Arthur Honegger. Von Willy Tappole t. Altantis-Verläg, Zürich—Freiburg i. Br. 256 Seiten. Preis 15 sfr.

Wir haben vor kurzem auf unserer Kunstsonder-eite, die Arthur Honegger gewidmet war, auf das Buch Tappolets als auf die einzige umfassende Monographie des bekannten Komponisten hingewiesen. Tappolet, dem wir auch ein gehaltvolles Ravel-Buch zu danken haben, stellt seinen Landsmann Flonegger in das engmaschige Netz kultureller und persönlicher Beziehungen, besonders in Paris, und gibt uns ein ebenso überzeugendes wie sympathisches Bild des Komponisten, der zeit seines Lebens als Mensch und Künstler ein verträglicher und sozialer Einzelgänger war. Von den größeren Werken gibt Tappolet ausführliche Analysen bzw. Inhaltsangaben. Die von ihm zusammengestellte Werkliste ist imposant und bezeugt eine der bedeutendsten schöpferischen Persönlichkeiten unserer — angeblich unproduktiven — Zeit.!

Wilhelm Furtwängler im Urteil seiner Zeit, P reiß ig Beiträge von Musikern und Schriftstellern, herausgegeben von Martin Hürlimann. Atlantis-Verjag, Zürich—Freiburg i. Br. 296 Seiten und .12 Bildtafeln. Preis 24 sfr.

Wer Furtwängler gekannt hat, weiß von dem hohen geistigen Anspruch, den sein Gespräch — wenn es mehr als gesellschaftlicher Natur war — an den Partner stellte. In einigen der in diesem stattlichen Band vereinigten Beiträgen ist von diesem hohen Geist ein Hauch zu spüren. Ganz ist er da in einem bewunderungswürdigen Essay von E. R i e t z I e r (dem bekannten Beethoven-Forscher), der Furtwänglers geistige Welt von den ersten Jugendeindrücken uijd Bi'.dungstrlebmssen bis zur Qual und inneren Not, die ihm das Dilemma zwischen dem Schöpferischen und dem Reproduktiven bereitete, durchleuchtet. Rietzler tut dies auf eine zugleich so nobel-menschliche und erhellende Art, daß man sich vor dem Autor dieser umfangreichen Studie (die übrigens in einer Sprache abgefaßt ist, welche Goethe und Humboldt zu ihren legitimen Ahnen zählt) tief verneigt. Furtwänglers weiteren und engeren Freundeskreis bezeichnen die folgenden Autoren, die ihm Worte des Gedenkens gewidmet oder Erinnertingen an Erlebnisse und Begegnungen aufgezeichnet haben: Ernest Ansermet, Albert Schweitzer, Bruno Walter, Alfred Cortot, Edwin Fischer, Pablo Casals, Leo Blech, Yehudi Menuhin, Arthur Honegger, Paul Hindemith, Emil Preetorius und Oskar Kokoschka. Von den vielen, zum Teil gehaltvolleij Beiträgen, seien wenigstens noch der zeitgeschichtlich interessante von Martin Hüriimann hervorgehoben, der die politischen Umtriebe und Schwierigkeiten um die Person Furtwänglers während seines Aufenthaltes in der Schweiz schildert, wobei eine Reihe bisher unbekannter (und eir wenig beschämender) Fakten ans Licht kommen. — Bemerkenswert erscheint uns auch das Bekenntnis des durch eine Generation und eine ganze musikalische Welt von Furtwängler getrennten Paul Hindemith zu dem großen Musiker und Dirigenten. Wenn wir sagen: wir werden seinesgleichen nicht mehr sehen, so bezieht sich das zunächst auf die Gegenwart. Hier sieht es nämlich mit der „geistigen Welt“ der meisten Berühmtheiten und Stars recht bescheiden, ja dürftig aus. Dafür sind sie tüchtiger, ehrgeiziger, rücksichtsloser und mehr auf das Geld als auf die Kunst versessen. Lassen wir die Beispiele. Man fände sie, wo man hingreift.

Die Wiener Oper. Von Max Graf. Humboldt-Verlag, Wien—Frankfurt am Main. 3 84 Seiten. Preis 124.50 S.

Als Zeuge festlicher und sorgenvoller Tage, als begeisterter Opernbesucher und als kritischer Beobachter schrieb Max Graf fünfzig Jahre lang fast allwöchentlich seine Impressionen nieder. Dieser mit zahlreichen Kiinstterporträts ausgestattete Band, der ursprünglich den Titel „Mein Opernbuch“ tragen sollte, enthält eine umfassende Auswahl des Gewichtigsten und Interessantesten, was Max Graf über die Wiener Oper geschrieben hat. Unmögbch, in diesem Rahmen auf Details einzugehen. Nennen wir wenigstens die Themenkreise und einige Name: Die Wiener Oper im Spiegel der Wandlungen der Gesellschaft; ihre Direktoren und Dirigenten (von Hans Richter bis Karl Böhm); die großen Opernsänger; die die Wiener Oper bestimmenden künstlerischen Kräfte; die bekanntesten Opernkritiker; Einzelstudien über die großen Komponisten des Spielplans und ihre Hauptwerke; schließlich: der Weg in ein neues Musikzeitalter, gekennzeichnet durch die Namen Debussy, Ravel, Bartök, Schönberg, Berg, Hindemith und Strawinsky. — Allen Opernfreunden kann das Brich empfohlen werden, sie werden bestimmt auf ihre Rechnung kommen. Denn Max Graf schreibt nicht nur für die Künstler oder die Kritikerkollegen, sondern für das Publikum, für die Leser.

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