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Die Revolution der farbigen Photographie

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Wir befinden uns mitten in einer Revolution der Darstellungsmittel unserer Außenwelt. ‘ Bisher wurde uns dies nicht in dem gleichen Maße bewußt wie den Bewohnern anderer Länder, deren Horizont durch den unseligen Krieg und seine Nachwirkungen nicht wie der unsere beengt war. Aber je weiter unser Ausblick wurde, desto mehr waren wir überrascht und manchmal auch bestürzt über die rasche Entwicklung, die die Wiedergabe farbiger Aufnahmen in Zeitschriften, Büchern und im Spielfilm, insbesondere jenseits des großen Wassers, genommen hat. Wir Österreicher, die wir uns wohl eines empfindsamen Geschmacks rühmen dürfen, und auch schon auf dem Gebiet der Farbenphotographie im gegebenen kleinen Rahmen hervorragende geschmackvolle Leistungen zeigen konnten, sehen nun mit recht gemischten Gefühlen eine Flut farbiger Wiedergaben über uns hereinbrechen, die oft unseren Schönheitsbegriffen nicht entsprechen. Mit Sorge stellen viele unter uns die Frage: kann die Farbenphotographie den guten Geschmadc und die Malkunst schädigen, kann sie die Schwarzweißphotographie verdrängen?

Zur Beantwortung dieser Fragen wollen wir davon ausgehen, wie der Farbenfilm beschaffen ist, was er an und für sich leisten kann und wie seine Wiedergabe auf die Projektionsfläche und das Papier wirkt.

Die Farbenphotographie ist bekanntlich keine Erfindung von gestern oder heute. Nach vielen gelungenen Versuchen, Bilder in natürlichen Farben ohne ihre Zerlegung, also im direkten Verfahren, zu. erhalten, sind die ersten um 18 0 nach dem Maxwell sdien Prinzip angestellten Versuche, die Wiedergabe der Farben im indirekten Verfahren durch Zerlegung in die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau mit Hilfe von Filtern zu erreichen, befriedigender gewesen. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte sind dann verschiedenartige Dreifarbenverfahren ausgearbeitet worden. In der ganzen Welt waren ja die Wissenschaftler der Optik und der Chemie unermüdlich am Werke, um diese schwierige Aufgabe zu lösen. Aber alle gefundenen Verfahrensarten waren technisch kompliziert und kostspielig. Die erste große Vereinfachung hat erst die Farbenrasterplatte gebracht; sie bestand aus zwei Schichten, einer mosaikartigen Dreifarbengrundschicht und einer Bromsilberschicht. Durch eine einzige Aufnahme konnte man nun zu einem Transparentbild in natürlichen Farben gelangen. Aber auch dieses Verfahren litt noch unter Kompliziertheit und geringer Lichtempfindlichkeit der Emulsion, es war auch wegen der hohen Kosten nidit allgemein anwendbar. Der entscheidende Fortschritt wurde durch die wenige Jahre vor dem Krieg in den Handel gebrachten lidit- empfindlicheren und wohlfeilen Farbenfilme verschiedener Systeme erzielt. Die leichte allgemeine Anwendbarkeit war nun erreicht. Das neue Verfahren hatte namentlich für die Amateure, sei es, daß diese mit dem Agfacolor, dem Kodachrom oder mit dem Dufaycolorfilm arbeiteten, den großen Vorteil, daß das endgültige Farbenbild auf Grund einer einzigen Aufnahme als transparentes Umkehrbild sichtbar wurde, so daß die willkommene Möglichkeit seiner

Projektion gegeben war. Aber auch die Herstellung von Negativfilmen wurde nach diesen Verfahrensarten möglich und schließlich wurde auch die Frage der Kopierung auf Papier gelöst.

Selbstverständlich haben die Film- und die Druckereiindustrien diese Entwicklung genau beobachtet. Die Kinoindustrie in Amerika bedient sich bei der Herstellung von Farbenfilmen dermalen allerdings noch mit Vorliebe des Technicolorverfahrens, das, wie der Farbendruck, mit Farbenauszügen arbeitet. Bedenkt man, daß erst vor rund 20 Jahren der Ton seinen triumphalen Einzug in diese Industrie gehalten hat, so ist es tatsächlich als ein Schnelligkeitsrekord der Wissenschaft anzusehen, wenn schon vor einigen Jahren als zweiter Meilenstein in der Entwicklung die Filmherstellung in natürlichen Farben begonnen werden konnte. Auf Grund neuer Erfindungen und der Freude weitester Kreise an der Lebendigkeit der Farbe kann angenommen werden, daß in kurzer Zeit die Darstellung in Farben über die Schwarweißproduktion die Oberhand gewinnen wird. Hat ja die Eastman- Kodak-Industrie Experimente durchgeführt, die eine bedeutende Minderung der bisherigen Kosten der Farbfilmerzeugung erwarten lassen. Mit dem neuen, die drei Hauptfarben enthaltenden Filmband sollen sich die Herstellungskosten von 6V2 Cents pro Fuß des Technicolorverfahrens jetzt auf 21/t Cents ermäßigen. Kommt noch durch die Erfindung eines „Yenon“ benannten Blitzlichtes auf, der Basis des Atomzerfalles eine Beleuchtung hinzu, die stärker wirken soll als das Sonnenlicht, wodurch Aufnahmen in Innenräumen erleichtert würden, so ist an einer schnellen Steigerung des Übergewichtes von Farbenfilmen nicht zu zweifeln.

Betrachten wir die bisherigen Ergebnisse der Farbenphotographie, so müssen wir dies mit kritischen Augen tun, denn es steht in ästhetischer, psychischer und erzieherischer Hinsicht viel auf dem Spiel. Gegenwärtig zeigen die laufenden Spielfilme, noch augenfälliger aber die Reproduktionen auf Papier häufig knallige Farben, Härten der Farbenübergänge, grelle Beleuchtungseffekte, scharfe Schatten und zugleich unscharfe Konturen, einen Mangel an zarten Lichtabtönungen und manchmal sogar eine gewisse, schwer definierbare Seelenlosigkeit.

Bei einer objektiven Kritik dürfen wir nicht übersehen, daß unsere Augensinnlichkeit gewohnheitsmäßig durch das Sehen von Schwarzweißbildern sosehr vernachlässigt worden ist, daß von vielen die Farben fast als zudringliche Gäste empfunden werden. Die Entwöhnung geht so weit, daß manche Farbabstufungen kaum mehr wahrgenommen werden. Wir müssen auch anerkennen, daß sich die Schwarzweißbilder in ihrer Vollendung durch feinste Nuancierung des Tons und der Licht- und Schattenwirkungen auszeichnen und der Phantasie einen weiten Spielraum lassen. Durch die Farbengebung wird zwar die Wirklidikeit nähergerückt, aber der Phantasie sensibler Naturen mehr oder weniger Abbruch getan.

Das heikelste Gebiet der Farbenphotographie ist das Erzielen eines selbständig wirkenden Bildes, das eine künstlerische Berechtigung an sich haben soll. Der Vergleich mit der Malerei liegt nahe und wird immer wieder aufgeworfen, aber zu Unrecht. Ein Gemälde entspringt dem schöpferischen Geist, dem Göttlichen im Menschen, wenn auch der äußere Anstoß durch den gleichen Gegenstand hervorgerufen worden sein mag, der auch den Farbenphotographen angeregt hat. Der künstlerisch empfindende Farbenphotograph kann durch die Wahl des Augenblicks der reizvollsten Stimmung, des richtigen Ausschnittes, durch gute Linienführung gemäldeartige Wirkungen erzielen, aber das Bild des Malers entsteht durch einen schöpferischen Akt, der auf ganz anderer Ebene liegt. Das photographische Farbenbild wird daher als eine neue Art der Darstellung mit ihrer besonderen Note anzusehen sein.

Wir müssen die zu behandelnden Fragen aber noch von anderen allgemein wichtigen Gesichtspunkten betrachten: die Farben photographie ist bei dem ungeheuren Umfang, den sie schon hat und noch annehmen wird, dazu berufen, eine starke Belebung der Augensinnlichkeit zu bringen. Die Beobachtung der Farben und das Verständnis für Farbenschönheit und Harmonie kann neu geweckt und in früher ungewohntem Maße fortentwickelt werden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das neue Sehen und das so starke gefuhlshaltige Erleben der Farben die Naturbetrachtung anregen und fördern, oft in weiterer Folge zur Betrachtung von Kunstwerken überleiten und das allgemeine Interesse für diese Werke wie auch die Erkenntnis ihrer unschätzbaren Kulturwerte steigern wird.

Ein wichtiges Wort werden auch die Liebhaber der Schwarzweißphotographie sprechen. Sie haben sich in großen Scharen der Farbenphotographie zugewendet und auf dem neuen Gebiet Vorzügliches geleistet. Viele aber werden von ihrer alten Liebe nicht ganz lassen. Die künstlerische Wirkung ihrer Meisterleistungen war auch von so tiefer, nachhaltiger Art, daß eine

Verdrängung der Schwarzweißphotographie auf nur farblose Objekte wenigstens vorläufig ausgeschlossen erscheint. Jedenfalls werden sie die Weiterentwicklung der Farbenphotographie bedeutend beeinflussen.

Daß bei den ästhetischen und künstlerischen Forderungen an den Farbenfilm auf allen seinen Anwendungsgebieten Österreich ein mitbestimmender Faktor sein wird, ist bei seiner Stellung und Bedeutung im Kunstleben der Welt zu wünschen und zu hoffen.

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