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Die Seele baumeln lassen

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„Relaxation Response" ist die angeborene Abwehrwaffe gegen physischen und psychischen Streß, die durch Konzentration beeinflußt werden kann.

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„Relaxation Response" ist die angeborene Abwehrwaffe gegen physischen und psychischen Streß, die durch Konzentration beeinflußt werden kann.

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Jeder kennt die Situation: Es läuft wieder einmal alles schief. Überall tauchen Schwierigkeiten auf, die einfach nicht zu bewältigen sind. So scheint es zumindest. Ein unheilvoller Gedanke macht sich frei: „Das schaffe ich nie!". Und schon spürt man wie eine innere Unruhe jede Faser des Körpers ergreift. Das ist das Alarmsignal wo gegengesteuert werden muß, damit aus Steß kein Dauerstreß wird, der letztendlich die körpereigenen Abwehrkräfte schwächt oder ganz ausschaltet.

In so einer Situation heißt es sich entspannen. Doch wie?

Der menschliche Körper verfügt über ein angeborenes Entspannungsprogramm. Das muß allerdings durch einen Willens- und Konzentrationsakt ausgelöst werden. Um diese Entspannungsreaktion des Körpers auszulösen, gibt es eine Vielzahl von Ent: Spannungstechniken. Sie funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip.

Der Kardiologe Herbert Benson hat in jahrzehntelanger Forschung den gemeinsamen Nenner herausgearbeitet. Dabei hat er religiöse, spirituelle und mystische Praktiken untersucht und verglichen, aber auch „weltliche" Entspannungstechniken. Läßt man alle kulturellen und traditionellen Ausschmückungen weg, dann wir ein universales Grundmuster erkennbar: die „Belaxation Bes-ponse", eine angeborene physiologische Entspannungsreaktion des Körpers. Um diese körpereigene Abwehrwaffe gegen physischen und psychisehen btreü auszulösen, müssen zwei Vorbedingungen erfüllt sein:

1. Die Aufmerksamkeit muß sich auf einen Gedanken, ein Wort, ein Mantra, einen Ton oder einfach auf den eigenen Atem konzentrieren. Diese Konzentration unterbricht den unablässigen Strom der Alltagsgedanken, schneidet uns buchstäblich von den Streßquellen ab.

2. Eine absolut passive Haltung gegenüber Ablenkungen und eindringenden Gedanken ist notwendig. Dabei hilft die Konzentration auf den „Punkt", zu dem wir immer wieder zurückkehren müssen, sollten uns die Gedanken doch hin und wieder entgleiten.

Der einfachste und unaufwendigste Weg zur Entspannung folgt einem Grundmuster, das Benson mit unterschiedlichsten Versuchsgruppen erprobt hat:

■ Die Wahl eines „mentalen Fokus" - ein Wort, ein Begriff, ein Gebet oder einfach die Konzentration auf das Ein- und Ausatmen,

■ in einer bequemen und ruhigen Haltung sitzen,

■ die Augen geschlossen halten,

■ die Muskeln entspannen,

■ langsam und natürlich atmen, dabei das „Fokus-Wort" bei jedem Ausatmen wiederholen,

■ wandernde Gedanken ignorieren, immer wieder auf den Fokus konzentrieren und passiv bleiben,

■ diese Prozedur mindestens zehn bis 20 Minuten durchhalten,

■ diese Methode möglichst oft, mindestens aber zweimal pro Woche wiederholen.

Herbert Benson stieß auf die Relaxation Response, als er in Tierversuchen den Zusammenhang zwischen Gefühlen, Streß und Blutdruck erforschte. Ende der sechziger Jahre trainierte er Affen, die lernen sollten, auf ein Lichtsignal hin ihren Blutdruck zu erhöhen oder zu senken.

Schon 1949 hatte der Medizin-Nobelpreissträger Walter Hess in der Schweiz mit Katzen experimentiert und herausgefunden, daß er durch elektrische Stimulation einer bestimmten Hirnregion eine sogenannte „trophotropische" Reaktion hervorrufen konnte - verminderten Blutdruck, verminderte Herzaktivität, verminderten Sauerstoffverbrauch, völlige Muskelentspannung. Dieser Zustand ist unserem urzeitlichen „Flucht-oder-Kampf" - Programm genau entgegengesetzt und der physiologische Nachweis für eine körpereigene Entspannungsreaktion war damit geführt.

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