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Die Weihnachtskrippe in osterreich

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Der Verband der Krippenfreunde Oesterreichs mit dem Sitz in Innsbruck gab zu Weihnachten 1955 die 150. Folge seiner volksmäßigen Zeitschrift „Der Krippenfreund“ heraus. Mit diesen 150 Folgen seit 1909 erbrachten er und seine Vorläufer ein gehaltvolles Zeugnis für die praktische Krippenpflege und in bescheidenerem Ausmaße auch für eine ernsthafte Krippenerforschung unserer Heimat. Gleichzeitig erschien im Prestl-Verlag zu München das seit langem ersehnte, .leider durch parteiischen Zwang zwei Jahrzehnte verhinderte, streng wissenschaftliche Werk „Die Weihnachtskrippe“ des früheren Hauptkonservators am bayrischen Nationalmuseum Doktor Rudolf Berliner, dessen Bilderband „D e n k-mäler der Krippenkunst“ im Jahre 1928 in Lieferungen des Verlages Dr. Benno Filser in Augsburg zu erscheinen begonnen hatte, aber nach der einundzwanzigsten eingestellt und daher ohne Name des Herausgebers als Torso mit 168 Kunstdrucktafeln 1932 noch auf den Markt gebracht wurde. Geht dieses reichhaltigste Nachschlagwerk des Krippenwesens auch von den besonderen, zum guten Teil neapolitanischen Krippenschätzen des Münchener Nationalmuseums aus, so ist doch nicht übersehen, daß nunmehr die Krippenforschung zu einem gewissen Abschluß gelangt ist, die für Oesterreich und Bayern gewichtigste Leistungen auf den Gebieten der volksmäßigen und hohen Kunst erbrachte, daß aber andrerseits beiden Ländern nun gerade in dieser überragenden Stellung als deutscher Krippenheimat ins einzelne gehende Aufgaben der Forschung, der Krippenpflege und der Krippenvorstellungen erwachsen, die das, was wissenschaftlich und volksmäßig erreicht wurde, nutzbringend krönen und im österreichischen Kulturleben weiterentwickeln lassen soll.

Die Bezeichnung Krippe für die bewegte Darstellung des Weihnachtsgeschehens hat in den bisherigen österreichischen Wörterbüchern, auch im neuesten der Tiroler Mundarten von J. Schatz und K. Finsterwalder, noch nicht genügende Wort-und Sachforschung gefunden. Sie hatte sich auch nicht gleichmäßig gefestigt. In seiner Bedeutung für das Kind in seiner Liegerstatt und als Kripperl für die Kleindarstellung liegen tirolische Belege aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert vor. R. Berliner schränkt den Begriff Krippe (die Bezeichnungen „Praesepe“ und „Bethlehem“ errangen sich in Oesterreich nur eng begrenzte Bedeutung) auf Darstellungen im dreidimensionalen Räume ein und schließt damit die eindrucksvollen Krippenaltäre der Spätgotik und die Krippen-drucke des 19. und 20. Jahrhunderts praktisch aus. Die weitere Forschung wird sich daher erst näher darum bemühen müssen, inwieweit die Kastenkrippen, die Fahrende als „Kripperln“ schon im 16. Jahrhundert vorführten und in Verbindung mit Weihnachtsaufführungen verwendeten, in Zusammenhang mit den Altarschreinen standen und den Krippenbrauch förderten. Diese Frage tritt jetzt um so stärker an uns heran, als einerseits durch die Nachforschungen der Weihnachtsspiele, wie sie sich bis zum zweiten Weltkrieg auch in den deutschen Sprachinseln der alten Donaumonarchie, angefangen vom Heideboden nordöstlich des Neusiedler Sees bis zu den Donauschwaben des Banats, aufrechterhielten, andrerseits durch die restlichen Bräuche der dort Ausgesiedelten kostbare Altformen dieser Kastenkrippenbräuche und Weihnachtsspiele uns wiederum zum Bewußtsein bringen, welch große Reichhaltigkeit und Vielfalt der Krippenbrauch ge-

rade in Oesterreich entfaltete. Die Sondergruppe der gedruckten Krippenbogen von Führich und Wörndle bis herauf zu Schumacher und Oberkofler steht zumeist am Beginn des Interesses und des Bauens an der Krippe und läßt sich nicht nur sozial, sondern auch räumlich aus der österreichischen Krippenbewegung der letzten 15ö Jahre nicht mehr wegdenken.

Die großen österreichischen Museen, wie das Tiroler Volkskunstmuseum in Innsbruck bis zum Oesterreichischen Volkskundemuseum in Wien, das Salzburger Stadtmuseum bis zum Brixner Diözesan-museum in Südtirol, haben eine stattliche Anzahl der verschiedenen Krippentypen unserem Lande zu erhalten vermocht. Krippenausstellungen, wie sie in den letzten Jahren in vielen österreichischen Städten mit zunehmendem Erfolg stattgefunden haben, aber auch solche in Bayern, Rheinland und Westfalen, in Nord-und Südamerika haben diese Reichhaltigkeit und Vielfalt in einer Weise herausgestellt, daß das damit bekundete Verwirklichungsbedürfnis einfacher Bergmenschen hier eine außerordentlich günstige Gemütslage und einen frohen Realismus des Darstellens gefunden hat, das von der Selbstbetätigung des Volkes bis zur darstellerischen Führung voranstieß.

Die großartigen Kirchen- und Zimmerkrippen der salzburgischen, österreichischen und steirischen Klöster stehen an Zahl und Verbreitung den alpenländi-schen Dorf- und Hauskrippen mehr und mehr nach, deren unbeschwerte kindliche Phantasie und Darstellungslust in der Zeit der Wohnungsenge und Lebenshast starke Einschränkungen erfährt, lieber Josef Bachlechner sind ein Ludwig P e n z und die neueste Bildschnitzergeneration zugunsten der Kleinkrippe strengerer Konzentration auf das Mysterium des Wortes, das unter uns Fleisch geworden ist, hinausgewachsen und hat der Kunstkrippe viele Häuser und Familien erschlossen, ohne daß dem Basteln der Jugend, dem Selbstschöpferischen im Volke Einhalt getan würde.

R. Berliner begründet den Krippenbrauch in dem mittelalterlichen Denken und Sinnen: „Gehen wir nach Betlehem!“ Uns ist diese Sehnsucht in Bräuchen, wie das Kindlein legen, das Kindlein wiegen, bis ins letzte Jahrhundert überliefert geblieben. Es ist gut, daß alte Mythenbildungen und Legenden über die Vor- und Frühzeit dieser Bewegung zur Krippe, wie sie noch in Veröffentlichungen und bei Einführungen zu Ausstellungen der letzten Jahre zutage traten, abgetan werden. Die Liturgiewissenschaft wird R. Berliner dafür dankbar sein, daß er feste Grundlagen und Ausgangspunkte damit geschaffen hat. Was P. Dr. Benno Roth und Prof. Dr. Othmar W o n i s c h für die Osterliturgie von Seckau, Vorau und St. Lambrecht und damit für die Volksbräuche und die Kulturgüter dieses Festkreises geklärt haben, was G. Kurzweil (Karsai) noch für das die Sternfeier von Raab (Györ) zu erarbeiten vermochte, steht nun der Liturgiewissenschaft in ganz Oesterreich für den Weihnachtsfestkreis an, um die Bräuche des Kindelwiegens, die Kindelwiegenspiele und die ersten Verselbständigungen der Krippe aus Liturgie, Spiel und Brauch herauszustellen Das Eisacktaler Kindelwiegenspiel hatte am ltesten deutschsprachigen Sitz der Franziskaner, in Bozen, sich im 15. Jahrhundert festgesetzt und in Sterzing erhalten. Die Stadtarchivalien der Brennerstädte, aber auch Rattenbergs, Kitzbühels und Kufsteins, belegen die Entwicklung der Weihnachtskrippe seit dem 16. Jahrhundert. Hier wird die Krippenforschung mit der des Weihnachtsspiels nunmehr Hand in Hand gehen müssen, um endlich feste Anhaltspunkte zu sichern.

Solche „Entdeckungen“ können sich jedoch nicht mehr allein auf historische Nachforschungen beschränken. Die Krippenbewegung ist eine volkskulturelle und künstlerische Aufgabe in Oesterreich geworden, die der Krippenpflege in zunehmendem Ausmaße Augenmerk schenkt. Einerseits der Verband der Krippenfreunde Oesterreichs mit seinem Organ „Der Krippenfreund“, anderseits die Körperschaften österreichischer Künstler haben ein Lebensinteresse an der Ausbildung der Krippenbauer und Figurenschnitzer und an der Ausbreitung der Krippen im In-und Ausland genommen. Die Krippenausstellung des Landes Salzburg stand daher mit Fug und Recht unter der Patronanz des dortigen Erzbischofs, Landeshauptmanns und Bürgermeisters. Der stolzen Tradition Oesterreichs entspricht ein gesteigertes vielseitiges Leisten und Schaffen in allen Bundesländern und Schichten unserer Bevölkerung. Die 150. Folge der österreichischen Zeitschrift „Der Krippenfreund“ und das Erscheinen des wirklich in gar vielem grundlegenden Werkes „Die Weihnachtskrippe“ von R. Berliner lassen den nach dem zweiten Weltkrieg eingesetzten Aufschwung der österreichischen Krippenbewegung zu Taten befähigen, die das nun fast fünfzigjährige Bemühen dieser Krippenfreunde schlechthin zum Durchbruch bringen.

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