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Die Wunder der Welt erhalten

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Auf jedem Kontinent der Erde befinden sich einzigartige Naturlandschaften mit der entsprechenden Pflanzen- und Tierwelt, sei es das Hochgebirge der amerikanischen Kordilleren sowie des asiatischen Himalajas, der tropische Regenwald Amazoniens oder des Kongo-Beckens, seien es die Wüsten und Steppen Afrikas, Arabiens und Australiens. Außerdem hat der Mensch überall auf unserem Planeten im Laufe von Jahrtausenden seine religiösen und kulturellen Spuren in Form von prachtvollen Baudenkmälern, Monumenten und Kulturlandschaften hinterlassen. Gemeinsam bilden diese Natur- und Kulturgüter ein Erbe aller Völker, das immer mehr Gefahr läuft, verloren zu gehen.

Industrialisierung, Boden-, Luft-und Wasserverschmutzung, unkontrollierter Verkehrszuwachs und Massentourismus verursachen einen rapiden Landschaftsverlust und das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten. Die Landschaftszersiedelung und Urbanisierung sowie die wirtschaftlichtechnische Dynamik der Gesellschaft führen zunehmend zum Untergang traditioneller Lebensformen und zur Zerstörung kultureller Werte.

Um dieser negativen Entwicklung entgegenzuwirken, beschloß die Generalversammlung der UNESCO im November 1972 die „Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" (Welterbe-Konvention). Sie hat zum Ziel, weltweit Landschaften von hervorragender Schönheit und Vielfalt sowie die Zeugnisse vergangener und die Schätze bestehender Kulturen vor Verfall oder Zerstörung zu schützen und das Welterbe der gesamten Menschheit für zukünftige Generationen zu erhalten.

Das Übereinkommen trat im Dezember 1975 in Kraft. Bis heute haben es 147 Staaten unterzeichnet, womit es das international bedeutendste Abkommen ist, das jemals von der Völkergemeinschaft zur Erhaltung und zum Schutz ihres natürlichen und kulturellen Erbes beschlossen wurde.

Tritt ein Staat der Konvention bei, kann er besondere Natur- und Kulturgüter innerhalb seiner Landesgrenzen für die Aufnahme in die „Liste des Erbes der Welt" vorschlagen. Diese Natur- und Kulturdenkmäler müssen von „außergewöhnlichem universellem Wert" sein und den Kriterien der Einzigartigkeit und Authentizität (historische Echtheit) entsprechen. Die diesbezügliche Prüfung wird vom zwischenstaatlichen „Komitee für das Erbe der Welt" vorgenommen, das sich aus Experten aus 21 Mitgliedsstaaten zusammensetzt und über die Aufnahme jener Stätten entscheidet, die in die Welterbe-Liste aufgenommen werden.

Ursprünglich sah die Konvention zwei Kategorien von Welterbestätten vor - das reine „Naturerbe" und das reine „Kulturerbe". Einige wenige Welterbestätten wurden als sogenannte „gemischte Stätten" in beiden Kategorien eingetragen. 1992 führte das Welterbe-Komitee eine weitere Kategorie ein - die „Kulturlandschaft".

Derzeit umfaßt die Welterbe-Liste insgesamt 506 Welterbestätten in 109 Ländern: 107 Naturlandschaften, 380 Kulturdenkmäler, 19 gemischte Natur- und Kulturerbestätten. Davon sind zehn Welterbestätten grenzüberschreitend.

Als Naturerbe gelten Naturgebilde, die aus Erscheinungsformen bestehen, welche aus ästhetischen oder wissenschaftlichen Gründen oder weil sie den Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten bilden, von außergewöhnlichem universellem Wert sind. Als „Kulturerbe" gelten Denkmäler, Werke der Architektur, Überreste archäologischer Art oder Ensembles, die aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.

All diese Stätten gehören zum Erbe der gesamten Völkergemeinschaft. Sie genießen weltweites Ansehen und den Schutz der internationalen Staatengemeinschaft. Dieser kann soweit gehen, daß auf Ersuchen des betroffenen Mitgliedsstaates länderübergreifende Maßnahmen zur Rettung des Kultur- beziehungsweise Naturgutes durchgeführt werden, welches durch natürliche (Erdbeben, Überschwemmungen ...) oder anthropogene Ursachen (Großbauvorhaben, bewaffnete Konflikte ...) gefährdet ist. Die diesbezüglichen wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Unterstützungen (Bereitstellung von Fachkräften, Lieferung von Ausrüstungsgegenständen ...) sowie Darlehen werden, soweit nationale Maßnahmen nicht ausreichen, aus dem „Fonds für das Erbe der Welt" finanziert. Er wird durch Pflicht- und freiwillige Beiträge der Vertragsstaaten sowie durch Beiträge und Spenden anderer Länder, der UNO und nichtstaatlicher Einrichtungen dotiert.

Im Gegenzug dazu verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, die in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Welterbestätten für künftige Generationen zu schützen und zu erhalten, anderen Staaten auf deren Ersuchen beim Schutz und bei der Erhaltung ihrer Welterbestätten Hilfe zu leisten.

Besonders gefährdete Welterbestätten werden in der „Liste des gefährdeten Erbes der Welt" geführt. Sie umfaßt derzeit 22 Natur- und Kulturdenkmäler wie zum Beispiel die Nationalparke Everglades und Yellowstone (USA) und die Ruinen von Angkor (Kambodscha).

Dank der Welterbe-Konvention gelang es beispielsweise, den Bau einer achtspurigen Straße in unmittelbarer Nähe der ägyptischen Pyramiden von Giseh zu Fall zu bringen, die Regenwälder im australischen Bundesstaat Queensland vor Abholzung zu bewahren und ein Aluminium-werk in der Nähe von Delphi in Griechenland zu verhindern.

Nur allzuoft zeigen sich leider auch die Grenzen der Welterbe-Konvention. So mußte zum Beispiel die Altstadt von Dubrovnik und der Nationalpark der Seen von Plitvice (Kroatien) aufgrund des Krieges im ehemaligen Jugoslawien in die „Rote Liste" des Welterbes eingetragen werden.

Osterreich hat seit Inkrafttreten der Welterbe-Konvention freiwillige Zahlungen in der Höhe der vorgesehenen Pflichtbeiträge geleistet, war jedoch als eines der wenigen Länder Europas nicht der Konvention beigetreten. 1993, also erst 20 Jahre nach Beschlußfassung der Welterbe-Konvention hat auch die mit Natur- und Kulturgütern so reich gesegnete Alpenrepublik die Batifikationsurkun-de als 132. Staat unterzeichnet.

Nach dem Beitritt verging ein Jahr, bis sich Bund und Länder einigten, welche österreichischen Stätten für die Aufnahme in die Welterbe-Liste eingereicht werden. 17 Nennungen wurden schließlich in Form einer Vorschlagsliste 1994 an das UNESCO-Welterbe-Zentrum gesandt: die Sem-meringbahn, die Wachau, das Salzkammergut, der Neusiedler See, der Erzberg samt Eisenstraße und der Bregenzerwald als Kulturlandschaften, die historischen Stadtteile von Wien, Salzburg, Graz und Innsbruck mit Schloß Ambras, Steyr samt Wehrgrabenviertel und Hall in Tirol sowie die Stifte Kremsmünster und Heiligenkreuz, Schloß und Park von Schönbrunn, die Burg Hochosterwitz und der Gurker Dom als Kulturdenkmäler. Beine Naturdenkmäler konnten seinerzeit nicht eingereicht werden, da sich die Länder noch nicht darauf geeinigt hatten.

Im September 1995 nominierte Osterreich offiziell seine ersten Welterbestätten: die Salzburger Altstadt, Schönbrunn, die Semmeringbahn und den Neusiedler See. Nach der mehr als einjährigen Prüfung beschloß das Welterbe-Komitee im Dezember 1996, das Schloß und den Park von Schönbrunn sowie das historische Zentrum von Salzburg zu „World He-ritage Sites" zu erklären und über die Semmeringbahn eine internationale Vergleichsstudie erstellen zu lassen, da es bis heute keine einzige Eisenbahnlinie weltweit gibt, die zur Welterbestätte erklärt wurde.

Der Neusiedler See wurde vorerst zurückgestellt und soll - gemeinsam mit Ungarn - neuerlich als „Kulturlandschaft" eingereicht werden. Mittlerweile wurde auch das Salzkammergut mit Hallstatt und dem Dachstein als „Kulturlandschaft" für die Aufnahme in die Welterbe-Liste nominiert.

Der Autor ist

Generalsekretär der Alliance for Natu-re. Weitere Informationen über das Welterbe: Alliance for Nature, 1140 Wien, Töpfelgasse 2/9 Tel 0222/89) 92 98

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