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Die Zwölf vom Art-Club

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Die Sezession hat den Wiederaufbau ihre Hauses vollendet — Wien besitzt jetzt am Getreidemarkt ein wirklich nodernes und repräsentables Ausstellungsgebäude; seine Räume sind verhältnismäßig groß, sie weisen keine toten Winkel auf, sind schön proportioniert und ausgezeichnet beleuchtet. Wäre nicht der seltsame Verputz, der die ornamentalen Details des Außenbaues verkleistert, wäre die Freude über den wiedererstandenen“ Olbrich-Bau ungetrübt.

Der Art-Club genießt den Vorzug, das neue Haus mit einer Herbstausstellung zu eröffnen, die umfangreicher und in mancher Hinsicht — nicht zuletzt dank der Beteiligung ausländischer Künstler — qualitätvoller als die früheren Expositionen dieser Vereinigung ist. Die Tatsache freilich, daß man diesmal den .Abstrakten“ mindestens ebensoviel Platz einräumte, wie man ihn früher den jetzt fast ganz unter den Tisch gefallenen Surrealisten gab, wirkt verblüffend; er sollte doch nicht gar so bedingungslos jede Mode nachahmen — ganz abgesehen davon, daß die Romanen dank ihres natürlichen Formgefühls und sicheren Geschmacks in solchen Dingen ohnehin nicht zu übertreffen sind. Was die Portugiesin Vieira da Silva, der Spanler Palazuelo und der Italiener Spazzapan — deren Arbeiten selbst dem Skeptiker optischen Genuß bereiten — wie von selbst gelingt, gelingt unseren Malern auch unter schweren Anstrengungen nicht. Beweise dafür gibt's genug in der Sezession.

Die .Hinweise“ im Ausstellungskatalog führen, nicht ohne erfrischende Rücksichtslosigkeit an, daß es an Künstlern .in Osterreich vielleicht eineinhalb Dutzend Exemplare gebe“. Wir nehmen das zur Kenntnis, glauben, daß vier von ihnen keine Art-Club-Mitglieder sind und zwei weitere nicht ausgestellt haben. Nun wohl, in dieser Exposition sieht man die Arbeiten von vierundzwanzig Österreichern. Zwölf von ihnen sind also Künstler. Von diesen sei hier die Rede.

Stellen wir an ihre Spitze drei Zeichner: einige Bleistiftskizzen von Kubin — die ersten, die unseres Wissens je in einer Exposition zu sehen waren — vermitteln über das Schaffen des großen Altmeisters überraschend neue Kenntnisse; Entwürfe, die sie sind — Entwürfe für Federzeichnungen! — halten sie den künstlerischen Einfall in all seiner Unmittelbarkeit fest. Man versteht jetzt, daß den Federzeichnungen Kubins so selten der Charakter der Skizzenhaftigkeit oder der nur ungenauen geistigen Durcharbeitung anhaftet. Kurt M o 1 d o v a n zeigt Arbeiten aus zwei einander folgenden Arbeitsperioden: die erste sind, wie die meisten seiner früheren Zeichnungen, noch ganz der Schilderung vegetabilischer und animalischer Triebhaftigkeiten gewidmet, der Darstellung panischen Erschreckens und panischen Uberschwangs. Die späteren Kriegsblätter sind, wie uns scheint, die vielleicht ersten gültigen österreichischen Graphiken, die das Erlebnis dos zweiten Weltkrieges, seiner Tankschlachten und Fallschirmabsprung festhalten. In ihnen, dieser zeichnerischen Niederschrift grausam-mechanischer Vorgänge, nimmt Mol-dovans Kunst halbabstrakte Züge an. Aber hier ist die Abstraktion innerlich durch das Thema begründet. Und die Intelligenz, mit der dieser bedeutende Zeichner seine reichen Mittel je nach dem Thema wechselt, “bewahrt ihn vor jeglicher Erstarrung. — Unter Paul F1 o-r a s spitzen Federzeichnungen fällt insbesondere das .Bootsfest“ auf; hier wird ebenfalls, gewissermaßen als Gegenbeispiel zu den Bildern im Nebensaal, demonstriert, was die Abstraktion zu leisten vermag wenn sie die Realität nicht verläßt, sondern sie durchleuchtet und, wie hier, gleichsam deren Nerven sichtbar macht. Anzuschließen sind die zwei graziösen Zeichnungen, in denen Wolfgang H u 11 e r dem Surrealismus endgültig Valet sagt, um sich, was uns Freude macht, immer mehr in seine bukolischen Blumengärten zu verlieren.

Unter den Malern stehen die Salzburger Agnes Muthspiel mit ihrem kindhaft vergnüglich „Karussel“ und Herbert Breiter mit seiner straff komponierten .Landschaft“ obenan; sie erwecken den Wunsch, wieder einmal eine größere Auswahl ihrer Bilder in Wien sehen zu können. Ursula Schuhs Stilleben ist zweifellos eine malerische Glanzleistung. Und das ist auch Rudolf Hausners .Arche des Odysseus“, an der wir die technische Solidität, zum Teil auch die Farbigkeit schätzen — deren surrealistische Allegorien uns aber bei aller Anerkennung des Handwerklichen und sogar der komplizierten Komposition eben doch allzu exhibitionistisch sind.

Die Bildhauer bieten Erfreuliches: Heinz VLeinfellner eine „Gartenplastik“, die zwar nicht gänzlich original, aber doch schön ist — das Beste, was er bis jetzt gezeigt hat —, B e r t o n i seinen etwas harten, aber überzeugenden Brunnen und reizvolle Bronzereliefs, Maria B i 1 g e r ihre dekorativen und skurillen Tonkompositionen. Steinwend-ners .Violinspieler, der seine technischen

Reize haben mag, darf man — leider — wohl nur als Ergebnis monomanisch verfolgter Trugschlüsse bezeichnen. Die Wandteppiche aus der Werkstatt Schidlo-Riedl unternehmen 'den höchst achtenswerten Versuch, die moderne französische Gobelinkunst — ein Wandteppich von Lurgat gibt Auskunft darüber, was sie leistet — nach Wien zu verpflanzen. Die Photographien K u.d r n o f s-kys verdienten eine Sonderbesprechung — wir hoffen, daß sich die Gelegenheit ergibt, ihnen eigene Ausführungen zu widmen.

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