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Doppelbegabungen aus Osterreich

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Ein Künstler, der eine Kunst ausübt, braucht eine andere zweite Kunst”, schrieb Thomas Rern-hard. Das Literaturhaus stellt nun in einer Ausstellung 23 österreichische Künstler unseres Jahrhunderts vor, die in zwei oder mehreren Medien tätig waren wie Oskar Kokoschka, Albert Paris Gütersloh und Arnold Schönberg. In der Schau finden sich auch multimediale Protagonisten der „jüngeren” Generation wie Wolfgang Bauer, Hermann Nitsch, Valie Export, Gerhard Rühm und Friederike Mayröcker.

Es geht aber nicht um eine traditionelle Präsentation von „Doppelbegabungen”. Vielmehr versuchten die Ausstellungsmacher Anne Zauner und Erwin Köstler dem Phänomen der „Grenzüberschreitung” .— dem medialen Wechselspiel und der Durchdringung von Text, Bild und Klang -aus verschiedenen Perspektiven näher zu kommen.

„Die andere Seite” nennt sich die Ausstellung nach dem 1908 erschienenen Roman des Zeichners Alfred Kubin. Der „phantastische” Text entstand, als Kubin die Erlebnisse einer Italienreise mit seinem Freund Herzmanovsky-Orlando zeichnerisch nicht verarbeiten konnte. Die künstlerische Krise wurde zur Chance. Kubin vertauschte die Zeichenfeder mit der Schreibfeder. Parallel zu dem Schreibprozeß kam wieder die Lust am Zeichnen.

Kubin versah den Text mit Illustrationen und schuf dadurch wohl eines der spannendsten Zusammenspiele von Text und Bild. Die Entstehungsgeschichte des Bomans zeigt, daß sein „Demiurg ein Zwitter ist” - so der letzte Satz der Schilderungen von der Reise des Ich-Erzählers ins mysteriöse „Traumreich”. Das Gesamtwerk Ku-bins lebt durch das Hin- und Herpendeln .des Künstlers zwischen Zeichen-und Schreibkunst und die damit verbundene ständige Inspiration aus dem jeweils anderen Medium. Noch konsequenter in

Grenzübertritten ist in der Nachfolge Kubins der ehemalige Aktionist Günter Brus. Als Körperkünstler, Zeichner, Dichter, Denker und vor allem als „Bild-Dichter” gelingt ihm eine kongeniale Venetzung der Künste auf formaler und geistiger Ebene.

Die Ausstellung zeigt auch exklusive Grenzüberschreiter, die nur kurz einen Ausflug in ein anderes Medium wagten. Egon Schiele schrieb im Jahr 1910 Gedichte - Georg Trakl malte gegen Ende seines Lebens ein einziges Bild.

Gefallen hat an der Ausstellung, daß man nicht enzyklopädisch alle „Mehrfachbegabungen” zusammensammelte, sondern eine interessante Auswahl traf. Insgesamt gab es aber doch weniger Neues zu sehen, als angekündigt. Man verließ sich, wie der Titel der Ausstellung schon vermuten ließ, auf bekannte Größen wie Kubin und Schönberg. Mager vertreten waren vor allem wirklich „junge” „Grenzüberschreiter”. Als einzigen Repräsentanten „neuerer”, österreichischer Multimediakünstler findet man den schon verstorbenen Werner Schwab. Etwas enttäuschend war auch das Fehlen an Originalen. Dennoch ein erfreuliches Projekt, das durch das schön gemachte Buch zur Ausstellung nach dem Prinzip einer Collage aus Primär- und Sekundärliteratur aufgebaut überzeugt. (Bis 31. Oktober).

Buchtip: Die andere Seite. Hrsg. v. Erwin Köstler u. Anne Zäunen Haymon Verlag 1996.

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