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Drei Tore für den Salzburger Dom

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Salzburg, im Mai

Der Salzburger Dom wird drei neue Bronzetüren erhalten. Fürsterzbischof Dr. Rohracher, der unermüdlich den Wiederaufbau des Salzburger Domes seiner Vollendung zuführt, betraute drei bekannte Bildhauer mit der Aufgabe, die neuen Domportale zu schaffen. Der aus Bergamo stammende Lombarde Giacomo M a n z ü, Schustersohn, Autodidakt und Salzburg seit Jahren durch seine Teilnahme an der Sommerakademie auf der Festung Hohensalzburg, wo er die Bildhauerklasse leitet, verbunden, wird die mittlere Tür, deren Thema die Liebe ist, schaffen. Dem Salzburger Bildhauer Toni Schneider-Manzell wurde die Gestaltung der linken Seitentür, die den Glauben versinnbildlichen soll, übertragen, während der aus Aachen, der Stadt Karls des Großen, gebürtige Ewald M a t a r e — der älteste der drei Künstler — die Gestaltung der rechten Bronzetür, die die Hoffnung darstellen wird, übernommen hat. Bis spätestens Pfingsten 1957 sollen die Portale fertig sein.

Es ergab sich in diesen Tagen die Gelegenheit, die Entwürfe für die Bronzetüren zu sehen. Giacomo M a n z ü gab dem Türgriff die Form eines Pelikans. Die Fläche wird beherrscht von Gruppen menschlicher Figuren: den Heiligen der Nächstenliebe. Ewald M a t a r e legte einem Entwurf ein Knospenornament zugrunde, aus dem sich Hände dem Christ-Kind (das Kind als inkarnierte Hoffnung) entgegenstrecken. Unten läßt er die Tür mit einem Fries abschließen, das den Menschen in der Angst symbolisiert. Toni Schneider-Manzell teilte die Fläche der ihm übertragenen Tür in zwei Zonen, die einander begegnen und durchdringen: die Gnadenzone Gottes und die Willenzone des Menschen. In der Mitte leuchtet dann der Glaube auf.

Alle drei Entwürfe machen einen starken, geschlossenen Eindruck. Das mittlere Tor, das die konservativste Lösung bringt, wird vielleicht durch seine heraustretenden Figuren die stärkste Wirkung haben. Aber das ist auch richtig so: denn die Liebe ist ja die größte unter den dreien. Die beiden Schwestertüren werden sie in vortrefflicher Weise beeinflussen und unterstützen. Bei ihnen ist, im Gegensatz zu der Lösung Manzüs, die Fläche der Tür als Einheit aufgefaßt und gestaltet, so daß die Portalfront einen festen Abschluß erhält.

Drei Bildhauer, aus drei verschiedenen Ländern Europas, alle drei hervorgetreten durrh eine Fülle ausgezeichneter Werke reuer christlicher Kunst, haben sich zu der Aufgabe, die Portale für einen der schönsten Dome des Abendlandes zu schaffen, zusammengefunden. Liebe, Glaube und Hoffnung einen sie zu einem gemeinsamen Werk. Möj.e auch das Sinnbild lein wie das Werk, auf das wir warten. W. S. weniger, dafür auch nicht so kostspielig. Immerhin, einiges kann noch getan werden: es kann der fortgesetzten Kulturschändung Einhalt geboten werden und dem Verfall, es kann das Gespinst von Freileitungen, der Mäste und Antennen verschwinden und ein energischer Bürgermeister mag sogar die Reklametafeln entfernen lassen. Steht nicht in der Verfassung Italiens, daß der Staat die Landschaft zu schützen habe?

Was Rom und der Ager romanus in den Nachkriegsjahren an Folklore verloren hat, unmerklich und unwiederbringlich, ist in einem Palast jener Ausstellungsstadt zusammengetragen, die Mussolini hinterlassen hat und mit der Rom heute so wenig anzufangen weiß. Wer begegnet heute noch dem römischen Karren mit seinen Glöckchen und dem leinenen Dachgewölbe zum Schutze des „vinaro“ gegen Regen und Sonne? Der Wein wird heute von den „Castelli“ rascher und bequemer im Lastkraftwagen nach Rom geführt. Oder die typische Osteria romana, die schmucklose, etwas verräucherte Weinstube mit ihrer charakteristischen Geruchsmischung von Herdfeuer, Rosmarin und alten Fässern, hat sie nicht modischen Bars oder von geisterhaftem Licht erfüllten Restaurants Platz gemacht, die viel sauberer sind, aber auch viel schlechteren Wein servieren? Wehmutsvolle Stimmung befällt den Römer, wenn er im Palazzo Barberini die Ausstellung der Landschaftsmaler des 17. und 18. Jahrhunderts besucht. Wieviel untergegangene Schönheit der römischen Landschaft, untergegangen nicht nur unter dem Zwange der Notwendigkeit, weil Roms Bevölkerung seit 1870 um das Zehnfache gewachsen ist, sondern auch durch kurzsichtigen Egoismus. Die römische Campagna hat ihr Antlitz verändert wie die Stadt Rom selbst, wie diese wird sie modern charakterlos und verliert ihren Reiz.

Dann wieder geschieht es, daß die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in grundlosen, heftigen Diskussionen ausartet, gleich einem allzu nachgiebigen Vater, der, sich seiner Erziehungspflicht erinnernd, das Kind im ungeeignetsten Augenblick schlägt. LInverständlich ist der Widerstand gegen das Projekt, auf dem Monte Mario ein Großhotel zu errichten. Der Monte Mario gehört keineswegs zu den schicksalhaften sieben Hügeln Roms, er sieht von Nord in die Stadt hinein und ist durch Sendemaste, die Kuppel eines Observatoriums und eine Kolossalstatue von zweifelhaftem Geschmack „geziert“. An Historischem findet sich auf ihm nur jene Villa, die Mussolini seiner Geliebten Claretta Petacci erbauen ließ, die Grünflächen sind ungepflegt und von Barackenkolonien unterbrochen. Man könnte sich vorstellen, daß das Hotelprojekt, mit den weiten Parks, der Landschaft eher nützen würde, ganz abgesehen davon, daß Rom im Jahre 1960 Schauplatz der Olympiade wird und der Hotel-mangel heute schon eine Sorge der Fremdenverkehrsorganisationen ist, wenn auch nicht des Hotelierverbandes, der jedesmal über eine Krise klagt, sobald nicht auch die Badezimmer zwölf Monate im Jahr vermietet sind. Aber das Hotel soll zu „Hiltons Hotel Corporation“ gehören, jener amerikanischen Gesellschaft also, die überall, wo die Welt schön ist, ihre Dependancen für reiche Leute errichtet hat. Das Projekt hat also auch seine politische Seite. Aber wäre es nicht der Wunsch jeder Fremdenindustrie, möglichst viel reiche Leute anzuziehen und zum Bleiben zu veranlassen?

Die linksextreme Opposition hat die Diskussion im Gemeinderat unter der Fahne des Schutzes von Natur und Stadtbild durchgefochten und die Annahme verhindert. Der neue Gemeinderat wird sich nach den Wahlen nochmals damit beschäftigen, falls Mister Hilton inzwischen nicht die Geduld verlieren sollte. Die neugewählten Stadtväter werden auch das Schicksal der Villa Torlonia entscheiden, wo Mussolini eine prunkvolle, aber unbehagliche Wohnung gefunden hatte — gegen einen Mietpreis von einer Lira jährlich, die er, soweit bekannt, pünktlich an die Besitzer, die Fürsten Torlonia, abgeliefert hat. Die Villa mit ihrem 130.000 Quadratmeter großen Park ist ein Besitz, mit dem die Torlonia nichts anzufangen wissen. Einen neuen Mieter zu finden, der auch nur die Steuern bezahlen würde, daran ist nicht zu denken. Selbst dort zu wohnen ist zu kostspielig. Die Torlonia haben nun der Stadtgemeinde angeboten, ihr die Hälfte des Parks zu „schenken“, die andere sollen sie in Einzelgrundstücke aufteilen und verbauen dürfen. Das steht aber im Widerspruch mit der Stadtplanung, die alle noch vorhandenen Grünflächen im Zentrum Roms schützt. Der Senat und das römische Volk (SPQR) werden hoffentlich nicht mit sich handeln lassen.

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