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Durch Leistung europareif

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„Die Furche“ hat anläßlich der Internationalen ICSID-Ausstellung im September bereits über die neu geschaffene Institution „österreichisches Zentrum Produktform“ berichtet. Am 26. September 1965 wurde in der neuen Halle im Garten des Palais Liechtenstein nunmehr die erste Schau österreichischer Produkte durch den Präsidenten der Wiener Handelskammer, Kommerzialrat Karl Lako-witsch, eröffnet.

Die diesjährige Österreichwoche stand unter dem Leitwort „Durch Leistung europareif“, und dieses Leitwort gilt auch für das österreichische Zentrum Produktform, das nunmehr mit der ersten österreichischen Schau seiner eigentlichen Bestimmung übergeben wurde. Daß als Zeitpunkt der Eröffnung die Österreichwoche gewählt wurde, zeigt aber auch, wie sehr eine realistische, auf wirtschaftliche Gegebenheiten eingestellte Zielsetzung bei Planung und Schaffung dieser Institution im Vordergrund stand. Wie der Präsident des österreichischen Institutes für Formgebung, Generalkonsul DDr. Haslinger, anläßlich der Eröffnung ausführte, soll und darf dieses „Design Centre“ kein Museum werden, das schöne Dinge hinter gläsernen Wänden zeigt, 's soll eine lebendige Institution sein, die sich aus dem Wirtschaftsleben entwickelt und gerade deshalb in der Lage sein kann, auch eine wichtige kulturelle Aufgabe zu erfüllen.

Die Wirtschaft muß mitarbeiten

Die Basis des Zentrum Produktform ist eine umfassende Produktkartei, für die jede Firma Erzeugnisse vorschlagen kann. Diese Kartei ist eine wichtige Informationsquelle für Besucher, da sie naturgemäß weit mehr Produkte umfaßt, als die jeweilige Ausstellung, und sie ist es vor allem für Einkäufer, die sich hier rasch informieren und sich zugleich auf eine Auswahl nach Form und Qualität verlassen wollen. Überdies werden die einzelnen Karteiblätter vervielfältigt und Interessenten im Abonnement zur Verfügung gestellt, so daß sie also auch ein Werbemedium darstellen.

Aus dieser Produktkartei wählt eine Jury unter dem Vorsitz des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau jeweils die besten Produkte für die Ausstellung aus. Die Ausstellung bleibt fünf Monate unverändert und wird dann völlig neu gestaltet und mit neuen Exponaten beschickt. In den Zeiträumen zwischen den Ausstellungsperioden können Sonderschauen zu bestimmten Themen oder auch ausländische Ausstellungen gezeigt werden.

Aus dieser Funktionsweise ergibt sich schon, daß das Zentrum Produktform mit der Mitarbeit der Wirtschaft steht und fällt: sosehr es für jeden Wirtschaftstreibenden eine Auszeichnung sein muß, seine Produkte im Zentrum Produktform vertreten zu wissen, sosehr sollte er auch auf eine ständige Verbesserung seiner Erzeugnisse bedacht sein. Es ist sicherlich nicht damit getan, daß der Erzeuger die mit Absicht niedrig gehaltenen Platzmieten für die Exponate oder die Bearbeitungsgebühr für die Produktkarten bezahlt. Für ihn ist die Ausstellung ein Gradmesser der eigenen Leistungsfähigkeit und ein Hinweis, wo er seine Bemühungen ansetzen muß, um vielleicht noch vorhandene Unzulänglichkeiten der Gestaltung, der Funktion, der Materialbearbeitung, kurz, der Qualität, die sich in der äußeren Form zeigt, auszumerzen. Ähnliche Institutionen im Ausland, die schon seit längerer Zeit bestehen, wie etwa das Haus Industrieform in Essen oder das Design Centre in London, verdanken ihre große Bedeutung ausschließlich der regen Mitarbeit und dem Interesse der produzierenden Wirtschaft, die es verstanden hat, sich diese Institution als Vorbild, aber auch als Schaufenster zunutze zu machen.

Was zeigt das Zentrum Produktform?

Das österreichische Zentrum Produktform will und soll alle Sparten der österreichischen Produktion umfassen. Schon die erste Ausstellung zeigt diese Tendenz ganz deutlich, obgleich natürlich gewisse Unausgewogen-heiten nicht ganz zu vermeiden waren, die sich aber bestimmt nach einer längeren Laufzeit ausgleichen werden. Es sind derzeit etwa

40 Firmen vertreten, die keineswegs nur Gebrauchsgüter im eigentlichen Sinn, also Dinge für den Haushalt oder für individuelle Benützung zeigen. Selbstverständlich stehen die „forminteneiven“ Sparten im Vordergrund, nämlich jene Produkte, für die Form ein in erster Linie maßgeblicher Verkaufsfaktor ist: Tischgerät, Gläser, Beleuchtungskörper usw. Aber schon beim Porzellan etwa — hier durch ein Hotelporzellan vertreten — zeigt sich, daß Käufer, die nicht über den Straßenladen angesprochen werden, hier Anregungen finden. Nocli deutlicher wird dies bei optischen oder akustischen Geräten, bei Meßinstrumenten oder bei Industrieleuchten. Sportgeräte vom Schlauchboot bis zum Markenski werden wieder einen anderen Interessentenkreis fesseln. Die Transistorgeräte und Tonbandgeräte gehören schon zum Standard ähnlicher Ausstellungen, aber vielleicht überrascht es manche Besucher, auch Pumpen, Brillen oder Aufzugskabinen zu finden. Herde, Heizgeräte und Möbel werden wieder die Frauen unter den Besuchern zu Anerkennung oder auch zu Kritik herausfordern — denn eine konstruktive Kritik seitens der Besucher ist durchaus erwünscht, und der Informationsdienst des Zentrums Produktform gibt auf Anfragen gerne Auskunft oder vermittelt solche Anfragen an die Herstellerfirmen.

Erziehung zum Sehen

Die Initiatoren hoffen, daß dieses Zentrum Produktform häufig und regelmäßig, vor allem von jungen Menschen, von Schulklassen und ihren Erziehern besucht wird. Es wurde in vielen Diskussionen immer wieder festgestellt, daß „Geschmackserziehung“ schon beim Kind beginnen muß, und nur durch praktische Beispiele erreicht werden kann. Das Zentrum Produktform maßt sich nicht an, sozusagen mit erhobenem Zeigefinger alle Besucher zu einer bestimmten Geschmacksrichtung bekehren zu wollen. Es will aber klarstellen, was Qualität ist und wie Qualität äußerlich erkennbar wird. Beim Besucher ergeben sich dann ganz automatisch Eindrücke, die er in seinem eigenen Bereich und in seiner persönlichen Sphäre richtig anwenden lernen wird, etwa bei der Einrichtung einer neuen Wohnung oder bei der Wahl eines neuen Küchengerätes. Gerade die Überschätzung von Äußerlichkeiten soll durch diese Auswahl vermieden werden, vielmehr soll der Besucher dazu angeregt werden, auch die Vorteile einer guten Funktion, leichterer Bedienung oder Sauberhaltung zu erkennen. Die „Schönheit“ der Dinge, die hier gezeigt werden, ist also nicht Ausgangspunkt ihrer Gestaltung, sondern das Endprodukt, und so ist auch die erzieherische Bedeutung zu sehen: Der Käufer, der sich einem Ansturm von Waren gegenübersieht und in dem großen Angebot oft unsicher wird, muß zunächst einmal sehen lernen und, mit dem richtigen Sehen, wählen lernen.

Uberlegt wählen und dann kaufen

Im österreichischen Zentrum Produktform kann man nicht einkaufen. Das heißt, der Besucher kann alle Gegenstände in voller Ruhe betrachten, er kann vormerken, was ihn allenfalls interessiert, und er bekommt durch den Informationsdienst Auskünfte über Preise und Bezugsquellen. Er wird aber nicht zum

Kauf gedrängt oder überredet, und er hat nicht das unangenehme Gefühl, als bloßer Zuschauer weniger geachtet zu sein, als vielleicht ein kaufbereiter Kunde. Dieser Faktor dürfte besonders wichtig sein, wenn etwa in der Vorweihnachtszeit das Budget für größere oder bleibende Anschaffungen zusammengestellt wird. Dazu kommt, daß die Auswahl im österreichischen Zentrum Produktform ein hohes Niveau sichert, das, wie die Veranstalter hoffen, im Lauf der Zeit noch strengere Maßstäbe zeigen wird. Der Besucher kann sich also rasch und leicht über das nach Form und Qualität bereits gesiebte Angebot informieren, ohne von einem Ende der Stadt zum anderen laufen zu müssen, bis er das findet, was er vielleicht sucht. Er hat zudem die Gewähr, daß sämtliche Erzeugnisse lieferbar sind und, da es sich ausschließlich um österreichische Produkte handelt, auch das nötige Service und die Ersatzteile vorhanden sein müssen. Damit kann die neue Institution tatsächlich ein Zentrum für unverbindliche Information werden, ein Ort, an dem ein Kaufentschluß in Ruhe erwogen werden kann.

Der Bundesminister für Handel und Wiederaufbau, Dr. Fritz Bock, richtete anläßlich der Eröffnung der österreichischen Ausstellung an die Veranstalter eine Grußadresse, die die wesentlichen Zielsetzungen des Zentrum Produktform hervorhebt und die hier zum Abschluß zitiert sei:

„Zur Eröffnung der ersten österreichischen Schau im Zentrum Produktform übermittle ich meine besten Wünsche für einen nachhaltigen Erfolg.

Allein die Tatsache, daß es gelungen ist, in Wien wie in anderen Großstädten der Welt eine permanente Ausstellung „Produktform“ zu schaffen, erfüllt mich mit besonderer Befriedigung. Im gegenwärtigen Ringen um die Erhaltung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Österreichs ist es besonders wichtig, daß wir uns auch auf jenem Gebiet des internationalen Wettbewerbs bewähren, das immer mehr zum Kriterium der Kaufbereitschaft wird, nämlich der formbewußten Gestaltung der Erzeugnisse. Dies setzt zielbewußte Produktplanung voraus, da mit Material, Funktion und äußeres Erscheinungsbild der Produkte in Einklang miteinander stehen.

Ich möchte der Hoffnung und Erwartung Ausdruck geben, daß diese permanente Ausstellung nicht nur als Leistungsnachweis der österreichischen Qualitätsproduktion, sondern vor allem auch als Vorbild und Anregung zu gesteigerten Bemühungen der österreichischen Unternehmer um gute Form beitragen, und mit immer mehr und immer besseren Erzeugnissen für Österreich werben möge.“

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