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Ein altrömisdier Repräsentationsbau

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Wie im Sommer 1948, so trat die niederösterreichische Landesregierung auch in diesem Jahr an das österreichische Archäologische Institut mit dem Ersuchen heran, die Ausgrabungen "im Bereich der Zivilstadt Carnuntum weiterzuführen. Professor Dr. Erich Swoboda, Graz, leitete die Arbeit von Anfang Mai bis Anfang September.

In dieser Zeit wurde ein Gebäudekomplex von über 53 Meter Breite und 72 Meter Länge freigelegt. Der ursprüngliche Zweck dieses gewaltigen Baues ist heute noch nicht ganz geklärt. Noch fehlen die Ergebnisse, die eine genaue Durchforschung in der Nachbarschaft dieses Gebäudes erbringen muß. Wegen seiner wahrhaft grandiosen Ausmaße können wir an einen Repräsentationsbau denken, der, seiner Anlage gemäß, der Blütezeit der Stadt in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, der glücklichen Zeit vor den Markomannenkriegen, angehört. In der Größe dieses Bauwerkes weisen auch die Mauern in ihrer beachtlichen Stärke — Außenmauern 70 Zentimeter, Innenmaüern bis zu 50 Zentimeter — auf ein mehrstöckiges Gebäude hin.

Das Prachtstück in diesem Komplex ist ein großer Raum, der sich, 6,5 X 5 Meter, hinter dem Hypocaustum, der Zentralheizung, erstreckt, und einen, wenn auch beschädigten, so nicht weniger herrlichen Mosaikboden enthält. In den Farben Rot, Schwarz, Gelb und Weiß, bieten sich dem Beschauer die Überreste, die deutlich das damals beliebte Motiv des Zopfmusters sowohl als Bordüre wie auch als Mittelfeldausschmückung in leuchtender Frische tragen. Die mythologischen Gestalten, welche die Zwischenfelder ausgefüllt haben, sind leider bis auf geringe Reste der Zerstörung anheimgefallen. Dieser Boden, der an Ort und Stelle bleiben und dem Besucher ein eindrucksvolles Bild von den überragenden künstlerischen Leistungen jener Jahrhunderte übermitteln soll, wird von Prof. Franz Deed, der schon im Vorjahre das Abheben der damals gefundenen Mosaikböden besorgte, dem antiken Vorbild getreu, kunstvoll restauriert.

Die rechter Hand gelegene Flucht verschieden großer Räume bietet selbst dem Fachmann im ersten Moment einen verwirrenden Anblick. Und dennoch ist dieser Teil der interessanteste. Hier öffnet sich dem Auge die Folge der verschiedenen Bauperioden.

Die ursprüngliche, älteste Periode, von der Wende des 1. und 2. Jahrhunderts, der Blütezeit Carnuntums, ist jene, der die sorgfältig gemauerten, tiefgelegenen Fundamente und ohne Zweifel auch das Mosaik angehören. Solide Arbeit und Technik zeugen für jene' glücklichen Zeiten. Dann brauste im

Jahre 166 n. Chr, der Sturm der Markomannen und Quaden über die Donau und legte große Teile der Stadt in Schutt und Asche. Die Brandschicht, auf die wir bei den Grabungen in bestimmter Tiefe gestoßen sind, geben uns Kunde aus diesen unglücklichen Tagen. Als unter Kaiser Marc Aurel (161—180) nach der Befriedung der Gebiete eine neue, wenn auch nur kurze Blüte eingetreten war, gingen die Bürger daran, ihre Stätten wieder aufzubauen. Wo eingestürzt und zerstört war, wurde planiert; dennoch erhoben sich die neuen Mauern zum großen Teil auf den alten Fundamenten. So können wir nicht zuletzt an diesen Anlagen, die den Unterschied sowohl in der Technik als auch in der Sorgfalt sehr deutlich zeigen, die verschiedenen Perioden erkennen.

Der zweiten Bauperiode fehlen jene strengen Linien in Anlage und Ausführung. Es mutet alles hastiger und unregelmäßiger an. Die gleichförmigen Mauerquadern der früheren Zeit weichen Steinen von verschiedener Art und Größe. Wir vermissen bei allem Sorgfalt und solide Arbeit. Ein neuer Geschmack bedingt eine neue Änderung in der Architektur, eine andere Anlage der Räume. Mauern werden eingerissen, andere neu aufgebaut, alte Heizungen vermauert und neue angelegt. Wieder geben Überreste von Ge brauchsgegenständen, Schalen, Töpfe, Urnen, Tonlampcn usw. den Hinweis auf das ausgehende 2. und beginnende 3. Jahrhundert, eine Zeit der Scheinblüte. Und dennoch hinterläßt auch noch dieses. Säkulum in einer dritten Bauperiode seine besonderen Spuren.

Wohl finden wir noch den kärglichen Rest eines Mosaikbodens — 80 Zentimeter über dem ersten —, von dem uns nur einige weiße Steinchen erhalten sind, wohl finden wir neue Raum- und Heizanlagen, neue Mauern und neue Bauformen — der eingangs erwähnte Apsidenraum gehört sicher dieser Zeit an —, aber wir vermissen auch hier jene Werte, welche die erste Zeit in so hervorragendem Maße besaß. Die Münzen dieser Periode tragen das Kaiserbild mit der Strahlenkrone, ein Kult, der in seiner Grundidee auf den Hellenismus zurückgeht. Von der Folgezeit künden nur mehr Münzen, am häufigsten finden wir jene des Kaisers Constantin (312—337) sowie Keramik- und minderwertige Sigillatareste. Bauliche Veränderungen sind an diesem Gebäudekomplex nicht mehr feststellbar.

Jenseits der Straße, die von der Bundesstraße zum Schloß Traun führt und die diesen Bau von dem des Vorjahrs trennt, fanden wir zum großen Teil die Fundamente von zwei Gebäuden mit gut erhaltenem Kanalsystem, die ebenfalls der Blütezeit vor den Markomannenkriegen angehören. Ein Stück der antiken Straße, die eine Breite von 6 Meter aufweist und durchwegs mit großen Steinplatten ausgelegt ist, zeigt uns eine ungeheuer wichtige Anlage, die L i m e flit raße, die entlang der Befestigungslinie an dieser nördlichen Grenze des Römischen Reiches Kastell mit Kastell verbunden und Truppenbewegungen sowie Nachschub ohne besondere Schwierigkeiten ermöglicht hat. Ein Vorbild der modernen Autobahnen vor nahezu 2000 Jahren.

In einem Steinsarkophag, der knapp südlich der Bundesstraße ausgegraben wurde und der das Skelett eines jungen Mädchens enthielt, lagen zwei goldene Ohrringe und ein goldener Fingerring als Schmuck, ein Amulett, eine 3,5 Zentimeter hohe geschnitzte Figur aus Bernstein — ein Eros mit Flügeln —, ein Talisman in Form eines Bieiplättchens, eine Münze, die allerdings nicht mehr zu bestimmen war, Spielmarken und drei gläserne Tränenfläschchen als Beigaben Ferner fanden sich noch Metallüberreste eines oder mehrerer Gegenstände (Messer?), die nicht mehr zu identifizieren waren. Die Bernsteinfigur, welche die Eltern des Kindes vielleicht den Anhängern einer kleinasiatischen Mysterienreligion zuweist, und das kapselförmige Amulett mit seinem noch nicht, definierten Inhalt — dieser kann erst nach der Präparierung untersucht werden — deuten auf das ausgehende 3. Jahrhundert. Wie durch ein Wunder scheint dieser Sarkophag vor den gierigen Händen barbarischer Plünderer bis auf unsere Tage verborgen geblieben zu sein. Da sich in nächster Nähe noch ein Urnengrab und der Deckel eines weiteren Sarkophags fanden, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß dieses Gebiet zum alten zivilen Gräberfeld von Carnuntum gehört hat. Auch hier werden weitere Grabungen neue Erkenntnisse bringen.

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