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Ein Barock-Garten

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Im Mostviertel prasentiert das Bun-desdenkmalamt heuer die erste komplette AViederherstellung eines historischen Gartenkomplexes im Stift Seitenstetten, das schon Pionier der eben aus der Neuen Welt einge-fiihrten Kartoffelzucht war und neben ausgedehnten Obst- und Gemusekul-turen einen Formalgarten unterhielt. Freilich muBte dabei auch ein wenig gemogelt werden, denn trotz dauern-der gartnerischer Nutzung des heute prachtvoll gestalteten I Iofgartens bleiben Zweifel, ob die Idealplane des Konventgartens von 1751 jemals aus-gefiihrt wurden. Mit Sicherheit sind die Beet- und Heckenarabesken aber eine Absichtserklarung der Abtei.

Was hier also verwirklicht wurde, war ein kleines osterreichisches Wun-der: Ohne einen Richter zu brauchen, einigte man sich kooperativ iiber die Ausfiihrung, mit bestechendem Re-sultat. Zwischen dem zweistockigen Glashaus des 18. lahrhunderts mit re-staurierter Kanalheizung, heute auf Fernwarmebasis, und der Dorrhiitte am anderen Ende des Bereichs krin-geln und spannen sich Ziegelwege im Rasen - vom klassischen, beinahe noch Renaissanceteil iiber ein Rosarium bis zu einer Gemiise- und Nach-zuchtplantage stiftlicher Eigenversor-gung. All das ist noch gesaumt von einem versenkten Garten im Schutz der Umfassungsmauer mit Formspalieren alter Obstsorten, voll von farblich ab-gestimmten Krauterbeeten.

Die Pfingstrosen heiBen hier Chi-nesischer Drache, Duchesse de Nemours und Konigin der Franzosen und bliihen zwischen Paprika, Salbei, Ko-nigsdisteln und gelbem Enzian, Amaryllis zwischen Polstern von Ma-joran neben Sonnenhut, Frauenman-tel und Stechpalmen. Die Barockrosen sind alle beschriftet, und Stachelbee-

ren unter Kirschbaumen bilden die Grenze zu Kohl und Paradeisern, Buchs- und Eibennachzucht, in Zeilen wehender Petersilie und bluhendem Schnittlauch wie Kohlroserln ...

Durch den strengen Formalgarten mit Springbrunnen und restaurierten Vasen ziehen sich geometrische Zie-gelsplittbander durch Rasenparterres, die mit Zitronen-, Lorbeer-, Orangen-baumchen und hohem und niederem gelbroten Eisenhart umsaumt sind und zur Meditation einladen.

Auch wenn die Kirche den „hortus conclusus", den geschlossenen mittel-alterlichen Garten orientalischer Oa-senerfahrungen gern als Abbild des Paradieses ansah, muB man sich den gewaltigen dafiir erforderlichen Ar-beitsaufwand vergegenwartigen!

Das benediktinische „Ora et labo-ra" konnte die Briicke sein, doch schaffte es die Aufrechterhaltung sol-cher Himmel auch mit zahlreichen Laienbriidern selten. Meist nahm die Natur dann alles wieder zuriick in ihre lassigen Gleichgewichte, in denen es gar keine Unkrauter gibt und noch das geringste Krautchen mit Bliiten, die wie Edelsteine funkeln, kurz auf-leuchten kann. Und doch bleiben sol-che Anstrengungen wie diese herz-erweiternd und begliickend.

Der Mensch will immer beides, Ordnung und Chaos. Er kam vorzeiten aus einem von Gottes Hand geordne-ten Urwald, dem er seine eigene rationale Uberschaubarkeit aufpragte, sie in flachige Raster verwandelte, um sich als Herrscher dartiber zu fiihlen, als verstiinde er alles. Wir aber sollten dabei vorsichtig und bescheiden bleiben - Gott kann das viel besser als Fiir-sten und Fiirstbischofe einst! Nur hier im Historischen Hofgarten dtirfen auch wir es einmal in Fiille und Un-schuld genieBen.

DieAutorin ist

freie Joi/malistin.

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