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Ein gelungenes Rettungswerk

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Das Werk Anton Maulpertschs in Wien hat durch Kriegsereignisse schwere Einbußen erlitten. Der großartige Freskenzyklus in der Schwechater Pfarrkirche ist nicht mehr. Vielfache Bombenangriffe haben dieses Kunstwerk bis auf eine einzige Figur zerschlagen. Leider sind auch die Farbaufnahmen nicht erhalten geblieben. Nur aus Schwarzweißbildern wird die Erinnerung an die herrlichen Kompositionen der Himmelfahrt Mariens, des Alten und des Neuen Testaments, der Erscheinung des hl. Jakob, hoch zu Roß als Sieger gegen die Sarazenen in der Schlacht von Cam- postella, erhalten bleiben. Daneben bestehen einige Farbskizzen von überwältigender Schönheit in der österreichischen Galerie.

Beschädigt wurde auch das kleine herrliche Fresko von Anton Maulpertsch in der Franz-de-Regis-Kapellc der Jesuitenkirche am Hof, das in einem herrlichen Farbenzauber das Leben und Handeln des heiligen Jesuiten und Volksmissionärs Franz de Regis feiert. Eine Granate hat einen kleinen Teil des Gewölbes vernichtet und eine Lücke in die Komposition geschlagen, die seither nur notdürftig geschlossen werden konnte.

Traurig sieht es auch um das Deckengemälde des Anton Maulpertsch in der ungarischen Gesandtschaft in der Bank gasse aus, das wohl trotz des Bombeneinschlages an dieser Stelle erhalten geblieben ist, aber unter dem Einfluß der Niederschlage sehr gelitten hat und nun durch eine sorgfältige Behandlung vor einem weiteren Verfall gerettet werden soll.

Durch ein gütiges Schicksal ist das Abendmahl von Anton Maulpertsch in der Augustinerkirche in Korneuburg unversehrt geblieben. Die Altarblätter dieser Kirche haben aber schwer gelitten. Sie wurden, aus dem Rahmen geschnitten, zusammengelegt wie Leintücher, in Wien nach dem Kriege gefunden. Sie harren ebenfalls ihrer Instandsetzung.

Das malerisch überaus bedeutende Freskenwerk „Die Taufe Christi im Jordan” im Theologiesaal der Alten Universität wurde im vergangenen Jahr restauriert. Die Arbeit hat in der „Furche” ihre Würdigung erfahren.

Das größte Werk des Künstlers in Wien ist aber ohne Zweifel die Deckenmalerei in der Piaristenkirche Maria Treu. Als der junge Vorarlberger, der 1724 in Langenargen am Bodensee geboren wurde, die Wiener Akademie verließ, wandte er sich nach. Oberitalien. Wir wissen, daß er in Udine gearbeitet hat. Im Jahre 1752 brachte der Baumeister Matthias Gerl die Einwölbung der neuen Piaristenkirche zu Ende und Anton Maulpertsch erhielt den Auftrag, die ungeheuren Flächen mit Fresken zu schmücken. Komposition und Technik sind die eines jungen vorwärtsstürmenden Künstlers, der alle Schranken der Tradition durchbricht, um sein Bestes und Eigenstes zu geben.

Die Hauptkuppel zeigt die Himmelfahrt Mariens in einer ungewöhnlichen Komposition. Es wird die ganze Heilsgeschichte aufgerollt: Adam und Eva, völlig unkonventionell dargestellt, unter dem Grün des Paradiesbaumes hingelagert, der braune Adam sich lässig rekelnd, während der Hand Evas der angebissene Apfel entfällt. Die Patriarchen und Propheten von gewaltiger Macht; in drohender Größe Moses, wie eine dichterische Inspiration Salomon, die Opfer des Alten Bundes, wie ein Symbol der nach Rettung schreienden Menschheit der Mann, der sich an die Hörner des geschlachteten Opfertieres hängt und doch über die Brüstung zu stürzen droht, und der stolze Reiter auf dem sich bäumenden Schimmel, der über die Feinde hinwegsprengt, die himmlische Erscheinung aus dem Buch der Makkabäer, der Engel der als Reiter die Tempelräuber des Heliodor vertreibt; gewiß eine Anspielung auf die verflossene Zeit der Türkenkriege. Die Stürzenden sind durch ihre Zöpfe als Sarazenen gekennzeichnet. Dieser Reiter als Lieblingsmotiv des Maulpertsch kehrt als heiliger Jakob von Campostella in den verlorenen Fresken von Schwechat wieder. Die andere Hälfte des Kuppelrundes mit den Aposteln, der Heilung des Lahmen im Tempel, den Kirchenvätern, und als Gegenstück zum himmlischen Reiter, der Sturz des Saulus, dessen Pferd sich wie ein geschlagenes Tier schnaubend auf den Boden kauert. Darüber der Ordensheilige Josef von Calasanz und Thomas von Aquin als das Haupt der Scholastik.

Soweit sich die Figuren in der irdischen Zone bewegen, sind sie von eruptiver Kraft und Ausdruck und Gestalt in Form und Farbe gemalt. Das rotbraune Fleisch mit grünen Schatten, die schillernden Gewänder, die pastosen Lichtspitzen — das ist alles neu und ungewöhnlich und so ganz anders, als man es zum Beispiel von Daniel Gran gewöhnt war.

Um so transparenter 1st die himmlische Sphäre. Einzelne Gruppen von Engeln treten stärker und körperlicher hervor, andere’lösen sich ganz in Licht und Farbe auf, wie ein Hauch ist die Trinität am Zenith der Kuppel, zu dem Maria auffährt, getragen von einem Wolkenwirbel. Von irdischem Gewicht nur das schwere Kreuz, das die jubelnden Engel aufzurichten trachten. Wie gewaltig und von welcher Eindringlichkeit dieses Werk ist, sahen wir erst, als wir vor den Gestalten auf dem 30 Meter hohen Gerüst standen.

Die Fresken waren seit ihrer Entstehung noch niemals restauriert worden. Ihr Erhaltungszustand war seit langem ein bedenklicher. Vor Beginn des ersten Weltkrieges dachte man daran, die Restaurierung durchzuführen. Schon stand das Gerüst, da brach der Krieg aus und die Arbeit mußte unterlassen werden.

Die Fresken waren nicht nur stark verschmutzt, Kondenswasserbildung, hervorgerufen durch menschlichen Atem und wahrscheinlich auch durch Gasbeleuchtung sowie Kerzendunst, hatten neben der Verschmutzung teilweise Versinterung und Korrosion der Oberfläche mit sich gebracht. Noch einmal wurde versucht, die Restaurierung zustande zu bringen, es war in den Jahren des zweiten Weltkrieges. Die ungünstigen Verhältnisse ließen die Absicht nicht zur Verwirklichung kommen.

Die Bomben des Krieges verschonten wohl die Kuppel selbst, fügten aber dem Kloster schwersten Schaden zu. Die Erschütterung und der Sog der Detonation riß von der Kuppel nicht nur Schmutz und Staub, sondern alle korrodierten Teile herunter. Trotz der gewaltigen Kosten, welche durch den Wiederaufbau der Klostertrakte hervorgerufen wurden, entschloß sich der Orden nun, dem fortschreitenden Verfall des Meisterwerkes Anton Maulpertschs Einhalt zu gebieten und die Restaurierung durchzuführen. Die Arbeit wurde dem Restaurator des Bundesdenkmalamtes Doktor Franz Walliser übertragen.

Als wir die Gerüste zum erstenmal bestiegen und die Oberfläche des Freskos befühlten, hofften wir nicht, mehr als eine bloße Erinnerung an ein großes Werk erhalten zu können. Wo die Oberfläche nicht mit versintertem Schmutz bedeckt war, war sie zum Verfallen mürbe. Millionen kleine Ausbrüche bedeckten wie Pockennarben das Kunstwerk. In neunmonatiger Arbeit ist es den Restauratoren gelungen, die Schäden weitgehend zu heilen, die Oberflächen” zu reinigen und zu festigen und in mühevoller Kleinarbeit die ausgebrochenen Stellen auszutupfen. Der Erfolg war überraschend. Die Oberfläche fühlt sich heute vollkommen gesund an und wenn durch die vielen kleinen Ausbrüche auch Teile der künstlerischen Substanz verloren sind, so ist der Gesamteindruck des Kunstwerkes wieder erstanden und für viele Jahre gesichert.

Besonders erfreulich ist, daß auch die versinterten, kaum mehr lesbaren Stellen so aufgehellt werden konnten, daß auch die Transparenz der himmlischen Sphäre wieder vollkommen hergestellt ist. Als dann die beiden kleinen Seitenkuppeln zur Restaurierung eingerüstet wurden, erlebten wir die Freude, daß die Darstellung mit dem guten Hirten, ein Werk, das wohl erst nach 1754 entstanden ist, weitgehend im ursprünglichen Zustand und unversehrt sich darbot. Sei es, daß bei dem darunterliegenden Altar weniger Kerzen gebrannt wurden oder daß die atmosphärischen Verhältnisse hier an und für sich günstiger waren. Der kräftigen Gestalt des guten Hirten steht eine himmlische Erscheinung, die Mutter Kirche, gegenüber, an deren Stab sich der reuige Sünder klammert, während der Wolf über Ruinen seine Zähne nach den Opfern fletscht. Die himmlische Frauenerscheinung ist mit einem unbeschreiblichen Zauber von Farbe und Licht gemalt. Es scheint mir nicht möglich, die hohe malerische Qualität mit Worten zu beschreiben.

Die kleine Seitenkuppel auf der Evangelienseite ist leider nicht so gut erhalten. Hier zeigen sich besonders stark wieder Versinterungen und Korrosionen, doch wird es mit der gewonnenen Erfahrung leicht möglich sein, ein Optimum an Erhaltung des Vorhandenen zu erreichen. Hier ist dargestellt eine Allegorie auf die Errichtung des Gotteshauses. Judas richtet einen Stein in Bethel auf. Ihm gegenüber die Töchter des Laban als Hirtinnen und zu seinen Füßen der Schäferhund, der auf seinem Halsband die Zeichen A. M. trägt. Anton Maulpertsch hat hier vielleicht sein Werk abgeschlossen und sich selbst halb demütig, halb humorvoll auf diese Weise verewigt.

Anläßlich der Freskenrestaurierung wurden auch die ursprünglichen Farben der Architekturbemalung, ein zartes Grün und ein zartes Rosa, wiederhergestellt, die ohne Zweifel von Anton Maulpertsch selbst angeordnet waren, da sie das schönste Licht im Raume geben, welches auch der Farb- komposition der Fresken die größte Wirkung verleiht.

Was durch Generationen nicht möglich war, haben die Zerstörungen dieses Krieges vermocht. Größere Liebe, Sorgfältigkeit und eindringlicheres Verständnis ist niemals vorher bei der Restaurierung eines barocken Freskos aufgebracht worden. Den Gewinn hat die andächtige Gemeinde, die große Opfer für diese Arbeit gebracht hat, haben die Kunstforscher und werden noch Generationen haben, die sich an diesem Meisterwerk österreichischer Barockmalerei erfreuen werden.

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