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Ein Haus- und Heimatbuch

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Haller Buch. Schlernschriften, Band 106, herausgegeben von R. Klebeisberg. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck. 548 Seiten, 48 Tafeln auf Kunstdruckpapier, je eine Doppeltafel und Farbtafel Stadtwappen von Hall, Abbildungen und Pläne im Text. 1953. Preis 180 S.

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Haller Buch. Schlernschriften, Band 106, herausgegeben von R. Klebeisberg. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck. 548 Seiten, 48 Tafeln auf Kunstdruckpapier, je eine Doppeltafel und Farbtafel Stadtwappen von Hall, Abbildungen und Pläne im Text. 1953. Preis 180 S.

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Anläßlich der 650-Jahr-Feier der Stadterhebung Hall — am 3- Juli 1303 erhielt die Stadt vom Herzog Otto das Stadtrecht — erschien ein Heimatbuch, das eine vorbildliche, wissenschaftliche Gemeinschaftsarbeit von 21 namhaften Historikern und Forschern darstellt. R e i m m i c h 1 schrieb das Vorwort zur reich ausgestatteten Festschrift des „tirolischen Nürnberg". Der Herausgeber R. v. Klebelsberg zeichnet in prägnanter Kürze den geologischen Aufbau der Landschaft von Hall, während L. Franz die vorgeschichtlichen Altertümer würdigt. Einen wesentlichen Beitrag liefert der um die Geschichte Tirols verdienstvolle O. Stolz in einem geschichtlichen Aufriß der Geschichte der Verfassung, Verwaltung und Wirtschaft der Stadt von den Anfängen bis heute, mit einer Uebersicht über die Quellen und Literatur der Stadt. K. M o e s e r erklärt instruktiv Siegel und Wappen der Stadt. G. Kienberger befaßt sich in seinen wertvollen Beiträgen mit der älteren Geschichte der Saline Hall, zeigt insbesondere die Entstehung des Namens und Emporblühen des Salzvorkommens im Halltal, die alten kirchlichen Verhältnisse und die Geschichte der Stadt bis zum frühen Tode des erfolgreichen Landesfürsten Sigmund Franz 1663 bis 1665, d. i. bis zur Vereinigung Tirols und Vorderösterreichs mit den österreichischen Gesamtlanden unter Kaiser Leopold, wobei er sich nach Vereinbarung mit dem Redaktionsausschuß bezüglich Anmerkungen auf das äußerste beschränkt. Für weitere Forschung wird auf ein Exemplar des im Stadtarchiv mit genauem Quellennachweis hinterlegten Buches verwiesen! Von 1665 an läßt Fr. Egger bis 1930 die Haller Chronik sprechen, um später einmal dort anzuknüpfen, wo im Jubiläumsjahr 1953 die Chronik ihren Schlußstrich setzte!

Der Kunsthistoriker E. E g g umreißt Leben und Werk des Haller Bürgers Hans Sewer, der an der führenden Stätte süddeutscher Baukunst, in Landshut, beim größten Meister seiner Zeit, Hans Stet- haimer, in die Lehre ging, in Hall als Festungsbaumeister, Kirchenbauer und Steinmetz selbständig arbeitete und so zum Lehrmeister der tirolischen, spätgotischen Baukunst wurde. Aus Alt- Haller Klosterchroniken entwirft P. Florentin Nothegger ein anschauliches Bild in kunst- und kulturgeschichtlicher Entwicklung, die die Augustinerinnen, Klarissen. Jesuiten, Franziskaner entscheidend beeinflußten. Die Geschichte des von den Jesuiten 1571 bis 177374, von 1825 von den Franziskanern bis heute geführten Gymnasiums bestimmt nicht unwesentlich das kulturelle Antlitz der Stadt. Entbehrte im Mittelalter Hall eines Klosters, so gehörte in der Neuzeit das Damenstift und seine Kunstdenkmäler, eine Gründung der Töchter K. Ferdinands I., Erzherzogin Magdalena, Margaretha und Helena, zu den größten Sehenswürdigkeiten Halls. Darüber, insbesondere über das kulturelle Wirken des königlichen Stiftes berichtet N. Grass ausführlich. In skizzenhafter Kürze zeichnet Fr. Grass Leben und Wirken des Stiftsarztes und Stadtphysikus Dr. Hippolytus Guarinoni, eines ungewöhnlich vielseitigen Mannes, der mit der Stadt verbunden war und bleibt. Zwei bisher unbekannte Predellenbilder Marx Reichlichs vom ehemaligen Votivaltar des Ritters Florian Waldauf gelingt J. Ringler den Fachkreisen bekanntzumachen und in die tirolische bzw. deutsche Kunstgeschichte einzuführen. Ueber die Salvatorkirche Hall mit ihrem kostbaren Kleinod, dem Fresko — Christus als Weltenrichter, vor 1406 — berichtet H. Grätsche r. Einen knappen Rechenschaftsbericht über „Alte Kunst in neuem Glanze" gibt der Landeskonservator O. Trapp. In Dr. Johannes Fuchsmagen wird uns von H. Kramer ein Haller Bürgersohn gezeichnet, der zur Zeit des deutschen Humanismus einen mit Kultur durch’sättigten Mäzen und vornehmen Patrizier darstellt. W. Senn führt uns mit seinen Beiträgen in die musische Welt der Kirchenmusik und der geistlichen und weltlichen Schauspiele ein. Die große Bedeutung der Münzstätte Hall für das gesamte deutsche Münzwesen schildert eingehend der berufene Kenner K. M o e s e r. Neben der „Haller Stubengesellschaft" von E. Verdroß — das Stubenhaus ist eines der ältesten Bauwerke der Stadt — dürfen auch die „Haller Törtchen und Stadtköche des 18. und 19. Jahrhunderts" von M. Grass- C o r n e t nicht fehlen. Eine Statistik des Solbades Hall nach der Personenstandsaufnahme 1951 von J. Peer sowie ein Verzeichnis namhafter Haller, mit Kurzbiographien von N. Grass nebst einem sorgfältig gearbeiteten Orts- und Personenregister schließen dieses Heimätbuch, von dem man sagen kann: Endlich einmal ein Heimatbuch, das alle Anforderungen und Wünsche erfüllt. Möge es allen Hallern zum Haus- und vielen Ge- schichts- und Kunstfreunden zum Heimatbuch werden.

Kaiser — Kurfürst — Herr und Bauer. Von Carl Hans W atzinger. Wancura Verlag, Wien. 358 Seiten.

Das Thema des Bauernkrieges hat auch im österreichischen Schrifttum anregend gewirkt; Hanrieder vor allem, dann 1933 Ortner und zuletzt Hochrainer. Watzinger aus Steyr, geb. 1908 bewegte schon früher die Zeit der Gegenreformation 1938 „Die Pfandherrschaft’’ und stand gesinnungsmäßig mit Itzinger „Das Blutgericht auf dem Haushamerfeld" in einer Reihe. Beweis für die noch immer lebendige Ueberlieferung der alten Zeit ist das jetzt wieder aufgenommene „Frankenburger Würfelspiel". Die Wissenschaft hat zum Gegenstand Stoff genug gesammelt — von Kurz, dem St.-Florianer Chorherrn 1805 angefangen. Man ist sich so ziemlich einig, daß der Aufstand, der am 7. Mai 1626 losbrach, auf schwere soziale, aber auch religiöse Mißstände zurückzuführen war; man hat aber, auch Watzinger, die nationale Seite zu wenig beachtet. 1620 war Oberösterreich als Pfand an Maximilian von Bayern gekommen; die Bauern haben oft betont, dem Kaiser, dm österreichischen Erbhause wohl, nicht aber dem bayrischen Kurfürsten dienen zu wollen siehe die Fahneninschrift der Bauern: „Von bayrischem Joch und Tyrannei mach uns, o lieber Herrgott, frei". Fadinger führte — bis zu seinem Tode — die Aufständischen nur zwei Monate. Die Bauern haben immerhin erreicht, daß 1628 das Land ob der Enns wieder an Oesterreich kam. Man wünschte nur, daß jene traurigste Epoche des Dreißigjährigen Krieges auf innerösterreichischem Böden frei von durchsichtigen Tendenzen bleibe. Fadinger war kein Held, zu den ihn die spätere Dichtung verklärte. Lamormain war „ein reiner, wahrheitsliebender und gewissenhafter Mann" Hantsch, der auch fürs Worthalten gegenüber den Protestanten eintrat, und keineswegs so schwarz in schwarz zu halten wie auch Ferdinand II. selbst. Sogar Kerbersdorf war nicht unbedingt das Gespenst; es wären ihm gewisse große Züge zuzubilligen gewesen, obschon seine Justiz ohne Frage verurteilenswert „Das rechtlose, brutale Verhalten" schrieb das Kronprinzenwerk „Die österreichisch-ungarische Monarchie" 1889. Watzingers Roman ist auch durch eine konventionelle Liebesgeschichte verwässert worden. Die große epische Gestaltung des ober- . österreichischen Bauernkrieges steht nach wie vor aus.

Katharina, die Heilige von Siena. Von Michael Bedoyere. Verlag Walter, Olten. 252 Seiten. Preis 13.90 sfrs. — Katharina Benincasa. Von Sigrid Undset. Verlag der Bonner Buchgemeinde. 375 Seiten.

Zwei Bücher, die den gleichen Gegenstand zum Inhalt haben: die Geschichte jener Färberstochter aus Siena, die — niemals Ordensmitglied — im 14. Jahrhundert eine erstaunliche geistliche und politische Aktivität im Sinne der Reformierung der Christen entfaltete — ihr äußerer Höhepunkt war die Rückführung des Papstes aus Avignon nach Rom — und als Mystikerin schon in jungen Jahren starb. Zwei Bücher, die den gleichen Gegenstand zum Inhalt haben und dennoch völlig verschieden auf den Leser wirken: Bedoyere zeichnet, auf Grund eingehendster Quellenstudien, mit der Skepsis des Wissenschaftlers das Bild dieser eigenartigen Frau, die manchmal brutal, manchmal hysterisch, manchmal maßlos auf ihre Umgebung wirken mußte. Sigrid LTndset dagegen, die mit ihrem Buch — es ist ihr letztes — fast eine Saga, fast eine Heiligenlegende, fast einen Roman schuf, gibt das Bild einer starken, aber doch sehr demütig wirkenden Frau wieder. Im Grunde dürften beide Autoren recht haben: Bedoyere ist der Wissenschaftler und muß das äußere Bild zeichnen, Undset, die große Dichterin, kann sich dem inneren Bild widmen. Beide Bücher haben somit ihre Daseinsberechtigung, ja. sind eine Ergänzung.

Der zweite Augustus. Roman. Von Siegfried W e y r. Obelisk-Verlag. 274 Seiten. Preis 38 S.

Mit dem zweiten Augustus ist Josef II. gemeint. Neben ihm steht sein Günstling, der Geheime Kabinettskonzipist Günther, eigentlich Oberleutnant, jetzt aber „alter ego“ des Kaisers und wahrer Drahtzieher der österreichischen Politik, im Mittelpunkt des Geschehens. Günther ist das Muster eines sympathischen Günstlings: Der Monarch liebt ihn geradezu und er liebt seinen Herrn, ohne mit seiner Sonderstellung „Amtsmißbrauch“ zu treiben. Rückhaltlos verehrt er Josef II. und dient ihm uneigennützig, indem er nicht nur die kaiserlichen Erlässe verfaßt und in Schönschrift ausarbeitet, sondern seinem hohen Gebieter auch mit Rat und Tat bei politischen und privaten Affären zur Seite steht. Schließlich bringt ihn aber eine Spionageaktion des preußischen Gesandten gerade in dem Augenblick zu Fall, als seine Befolge und seine Macht ihren Höhepunkt erreicht haben. Anstatt nämlich nur an den Dienst für seine Majestät zu denken, sinkt Günther eines Nachts unversehens der millionenreichen, schönen Jüdin Eleonore Eskeles in die Arme und läßt, auf daß solch dienstwidriges Verhalten sich auch gehörig romantechnisch räche, ein hochpolitisches Geheimschreiben in seinem Ueberrock stecken, den er in einem Vorraum aufgehängt hatte. Und wie es schon zugeht in Romanwelten, kommt ein preußischer Spion vorbei, visitiert die Taschen des fatalen Kleidungsstückes und das Malheur ist glücklich herbeigeführt. Das Werk wirkt uneinheitlich. Ernstgemeinte Zeit- und Milieuschilderung wechselt mit beinahe erheiternder Kolportage- romantechnik. Stellenweise wieder wird ein vorsichtig dosierter Schuß Ironie spürbar. Das Ganze ist zweifellos gut gemeint und stellenweise sogar gut getroffen.

Das Hochzeitsbild. Erzählung. Von Franz Turnier. Pilgrim-Verlag, Salzburg. 84 Seiten. Preis 25 S.

An einem trüben Wintertag im ersten Nachkriegsjahr steigen der Heimkehrer Omann und Frau Flora aus dem Tal ins Gebirge hinauf, um in dem Dorf Deutsch-Ellen bei den Bauern Aepfel und Milch zu kaufen. Drunten im Tal regnete es; droben ist frischer Schnee gefallen. Beim Dorfphotographen beginnen die beziehungsvollen Mißverständnisse: kurz vorher hat eine Hochzeit stattgefunden und der Photograph vermeint in den beiden, die nicht als Mann und Frau zueinander gehören, das Hochzeitspaar vor sich zu haben. So entsteht das unfreiwillige’ Hochzeitsbild, zu dem sie sich nötigen lassen. Dann geraten die unglücklich Liebenden in die Hochzeitsgesellschaft: das falsche neben das echte Hochzeitspaar. Als sie sich auf den Heimweg machen, wissen sie, auch ohne Reden, „daß dieser Tag sie zurückgewiesen hatte, zurückgewiesen in ihr gewöhnliches Leben". „Aber dort”, meint die Frau, „wie wir neben dem Herd gesessen sind, war es doch einen Augenblick, als ob es unser Herd und unser Haus wäre." „Aber es ist", sagte sie leise, „nur droben Winter gewesen." Diese einfache Geschichte erzählt Turnier mit wirklicher Meisterschaft, großer Zurückhaltung und schönem Ernst.

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