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Ein Hofmaler als Gesellschaftskritiker

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Das junge Mädchen und der verwachsene Alte - die Geschichte eines schändlichen Menschen-Schachers tut sich auf, bei Betrachtung des Blattes „Welches Opfer!”. Geschlagene und verkrüppelte Soldaten schleppen sich aus dem Schlachtfeld; Titel des Blattes: „Noch sind sie felddiensttauglich” - beißender und erschreckender kann Gesellschaftskritik auch heute nicht ausfallen als in den 253 Badierungen des spanischen Hofmalers Francisco Goya, die das Salzburger Museum Ca-rolino Augusteum in de”r Ausstellung „Francisco Goya (1746-1828) - Die graphischen Zyklen” bis 31. August zeigt. Die Blätter stammen aus der Sammlung des Morat-Instituts in Freiburg/Breisgau. Die Stiftung vereint sämtliche Druckserien, die Goya schuf, in vollständigen Ausgaben. Gezeigt werden die jeweils vollständigsten Fassungen der frühesten Auflagen und Finzelblätter.

Im Titel seiner ersten Graphikfolge „Los Caprichos” nimmt Goya ironisch Bezug auf die Tradition des „Capriccio” (italienisch: „Laune”, „bizarrer Einfall”). Das Capriccio bot dem Künstler alle Möglichkeiten zum kar-nevalistischen Ausleben eigenwilligster Phantasien in den unwahrscheinlichsten Kombinationen. Unter dem Anschein frei erfundener Phantasien gestaltet Goya in den „Caprichos” statt der heiteren Traumwelt der

Commedia dell' arte den Alptraum einer ungeheuerlichen Satire, nicht allein bezogen auf die gesellschaftspolitische Situation in Spanien um 1800, sondern auch auf die Nachtseiten der Psyche und der menschlichen Verhältnisse.

Goyas analytischer Blick ist einzigartig in seiner Zeit. Der Künstler, der in Spanien übrigens auf keine druckgraphische Tradition zurückblicken konnte, wurde damit zu einem Wegbereiter der Moderne.

Der Krieg zwischen Frankreich undSpanien 1808 bis 1813 ist der Hintergrund für den Zyklus „Los Desast-res de la Guerra”, der zwischen 1810 undzirkal815 entstanden ist und erst 1863 posthum veröffentlicht wurde. Goya selbst druckte nur zwei vollständige, gebundene Ausgaben dieses Zyklus'. Die Ausstellung aus der

Sammlung des Morat-Instituts bietet die Möglichkeit, Blätter unterschiedlicher Druckgänge direkt zu vergleichen. Im Zyklus „La Tauromaquia” widmet sich Goya der Kunst des Stierkampfs, „Los Disparates” (Tollheiten oder Ungereimtheiten) umfaßt weitere Blicke in seelische Abgründe.

Die Besucher der Ausstellung können ein umfangreiches Begleitprogramm sowie Führungen auch für Gehörlose in Anspruch nehmen. Schließlich ertaubte Francisco Goya selbst im Alter von 46 Jahren.

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