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Ein Komponist als Symbol fur Prestige

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Mehr als hundert Jahre ist Japans Mozart- A Tradition alt. Die # Tonträgerindustrie ' des Landes leistete % daslheezur Verbreitung seiner ^ Werke, und ^ Japanische Sponsoren M sind in Österreich ^įį vielfach vertreten.

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Mehr als hundert Jahre ist Japans Mozart- A Tradition alt. Die # Tonträgerindustrie ' des Landes leistete % daslheezur Verbreitung seiner ^ Werke, und ^ Japanische Sponsoren M sind in Österreich ^įį vielfach vertreten.

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Japans Mozart begann 1865. Damals spielte eine japanische Militärkapelle die Ouvertüre zur Zauberflöte in der Bearbeitung für Blasmusik. Mozart in Japan erklang anfangs gekürzt: in einer vom Klavier begleiteten Zauberflöte, in einem Symphoniensatz transkribiert für Klavier, in einem „Don Giovanni“ für Blasmusik, bei den Tanzfesten in westlichem Gewände für die neue gesellschaftliche Elite. Heute hat Mozart sogar Beethoven in Japan an Beliebtheit überholt.

Zwar ist das erklärte Lieblings-stück der Japaner noch immer die Neunte Beethovens, aber die „g-Moll. Symphonie“ Mozarts folgt auf den Fuß.

Mozart hat eine eigene Gesellschaft in Japan. Streng limitiert in der Mitgliederzahl auf die Nummern des Köchelverzeichnisses, dürfen gerade nur 622 Mozart-Fans den zehn Abonnement-Konzerten des Jahres beiwohnen. Wer beitreten will, muß auf den Tod eines Mitgliedes warten ...

Japans Mozart stand Pate für einen speziellen Reiswein, der im Mozartgedenkjahr 1991 bei seiner Lagerung mit Mozart-Musik berieselt wurde. Japans Mozart hat Übersetzer, Essayisten und japanische Mozart-Forscher. Sie halten Symposien ab, vergleichen sich mit den Forschern des Abendlandes, sprechen über dieselben Themen wie sie und vergessen oft völlig, daß Mozart ja nun auch in Japan eine Heimat hat.

Japans Mozart profitierte von einer Entwicklung, die sein europäischer Ursprung nicht kannte: die Tonträgerindustrie. 1928 schon gab es drei japanische Schallplattenfirmen, 1936 gar

5.000 Plattengeschäfte. Der elitäre Anstrich blieb gewahrt: der Preis einer Platte entsprach einem Monatsgehalt. Die ersten CDs kamen 1982 auf den Markt. Heute haben mehr japanische als deutsche Haushalte einen CD-Player. Japanisch-österreichische Eintracht herrscht im CD-Werk von Sony in Anif bei Salzburg, das zehn Prozent des CD-Weltmarktes abdeckt.

Die Lebensversicherung Daiichi sponsert pro Vertragspartner den Wert einer Briefmarke für Mozart - was immerhin bei zehn Millionen Vertragspartnern ein Sponsorenaufkommen von 800 Millionen Schilling ausmacht. Mit diesem Geld wurde nun Mozarts Wohnhaus, das „Tanzmeisterhaus“ am Makart-Platz in Salzburg renoviert. Den gleichen Betrag gibt Dai-ichi übrigens auch für caritative Zwecke aus. Im Jahr 1989, als die Firma die Entscheidung fällte, herrschte in Japan eine Mozart-Euphorie. Drei Jahre später schon wäre die Entscheidung vermutlich nicht durchgegangen.

Es wäre nicht das erste Mal, daß Japan dem österreichischen Mozart finanziell unter die Arme greift: in Österreichs großen Konzertsälen prangen auf den Stifter-Tafeln die Namen japanischer Spender, bis zu den Bregenzer Festspielen reicht die Firmenliste von japanischen Sponsoren bei österreichischen Festivals.

Die Rechnung ist aber nicht so unausgeglichen wie es scheint: Jährlich unterweist die Wiener Musikhochschule 115 japanische Studenten, alle österreichischen Musikausbildungslehranstalten zusammen 229. Setzte man den Wert eines Musikstudiums im Jahr mit etwa 180.000 Schilling fest, finanziert Österreich Japans musikalische Geläufigkeit mit jährlichen 20 Millionen Schilling.

Daß Japaner endlich gemeinsam mit Europäern Mozart aufführen mögen, das wünschte sich Michael Hampe dieser Tage beim Symposion „Mozart in Japan“ der Salzburger Stiftung Mozarteum. Hampe, derzeit Intendant in Köln, brachte sehnsüchtige Erinnerungen von einer Idomeneo-Inszenierung mit: soviel entspannte Konzentration hätte er, der Vielgereiste, nirgendwo auf der Welt erlebt. Ein Chor, wie jener der Studenten der privaten Kunitachi-Musikuniversität, der nicht auf die Uhr schaut, nicht tuschelt und dem Regisseur jeden Wunsch von den Lippen ahliest, könnte für die „verlotterte Insti tution Oper“ nur Verbesserungen bringen. Die japanischen Künstler brächten nicht nur Fleiß, Geduld und Demut vor der Kunst, sondern auch eine weite emotionale Spannbreite für die Opern Mo zarts mit.

Mozart ist in Japan fast ein Gott. „Ersatzreligion“ nannte ein Mozartforscher Mozarts „Requiem“. Mozart ist ein Wort der Magie. Und eines des Prestiges. Kaum ein hochrangiger Japaner, der nicht betont, ein passionierter Mozart-Fan zu sein. Kein Wunder: abendländische Musik ist der Mercedes-Stern oder das Lacoste-Krokodil der Gesellschaft.

Beim „Mozart in Japan“-Sym-posion kam die Frage auf, ob sich auch andere Nationen so hingebungsvoll ihrer Mozart-Rezeption widmen. Mozart, hat eine Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Günter Schweiger (Service Fachverlag 1992) erwiesen, ist nämlich in den letzten Jahren in Deutschland, Ungarn und den USA noch beliebter. Wenn also ein Land sich über seine Mozart-Liebe definiert, kann Mozart nur für ein Konzept hinter dem Musikerna men stehen: für das Konzept des Genies, für die hierarchische Ordnung der abendländischen Musik oder für Spitzenleistungen schlechthin.

Ist Mozart in Japan noch die Musik des Abendlandes oder schon jene Japans? Ist das japanische Musical „Mademoiselle Mozart“ eine Entweihung oder eine verballhornte Arabella? Übfigens heben die Japaner Frauen in Hosenrollen und die Geschichte von einer „Elizabeth Mozart“, die — da als Frau chancenlos - von ihrem Vater als Amadeus erzogen wird, wurde ein Erfolg.

Bei der Hochzeit mit Mademoiselle Mozart wird Constanze mit der unerfreulichen Wahrheit konfrontiert und betrügt Mozart mit seinem Schüler Süßmayr. Worauf kein anderer als Antonio Salieri schrecklich eifersüchtig wird ...

Ab wann beginnt die japanische Geschichte Mozarts: vielleicht mit der ersten kreativen Bearbeitung oder Kürzung? Oder mit den Adaptionen des Konjaku-Theaters — benannt nach einer gummiartigen Speise — wo Mozart, oft um eine Oktave tiefer als vorgesehen, von Schauspielern gesungen wird. Mozart, sagte ein Japaner, ist vom Objekt der Sehnsucht zu einem Teil der japanischen Kultur geworden.

Jeder Opernsänger, meint Hampe, möge nach der europäischen Gesangstechnik auch in jener der chinesischen Oper und des japanischen Kabuki-Theaters unterwiesen werden. Und, als hätten die Hermanns in ihrer „Ombra felice“-Inszenierung während der Mozartwoche das japanische Thema vorausgeahnt, malten sie ihren Figuren jene hohen, schwarzen Augenbrauen auf die Stirn, die aus dem japanischen Noh-Theaer stammen.

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