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Ein Maler wird entdeckt

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Das Dilemma des Porträts besteht darin, größte plastische Durchbildung — auch in der Projektion auf die Fläche oder mit rein linearen Mitteln — mit größter Ähnlichkeit und Eindringlichkeit zu vereinen. Denn jeder Mensch besitzt nicht nur charakteristische Züge, ist ein mehr oder weniger unverwechselbares Individuum, seine Züge sind Teil einer plastisch-räumlichen Wirklichkeit, die lebt, sich bewegt und für eine Strecke in der Zeit ein Kontinuum bildet, und säe leugnen hieße die Wahrheit — selbst einer nur angenommenen Wirklichkeit — leugnen. Die meisten Künstler helfen sich mit einem Kompromiß, der zugunsten der Ähnlichkeit ausfallen soll, und so gibt es sogar heute, in der Zeit des Niederganges des Porträts, noch zahllose Bildnisse, die wohl ähnlich, aber keine guten Zeichnungen oder Bilder sind. So auch die meist überlebensgroßen Bildniszeichnungen des jungen Linzers Anton Watzl, bei denen einer manchmal recht oberflächlichen Ähnlichkeit keine genügende Form entspricht. Stilistisch bewegen sie sich zwischen Kokoschka und dem linear klassizistischen Picasso, den zu studieren — etwa die Strawinsky-Zeichnungen — man dem Zeichner raten möchte. Sein Geschick, Charakteristisches zu erfassen, seine Unbekümmertheit und sein Sinn für Effekte würden dringend Vertiefung und Ergänzung brauchen. (Galerie auf der Stubenbastei, bis zum 12. Februar.)

Die Kulturabteilung im Amt der Tiroler Landesregierung veranstaltet derzeit in der Galerie Würthle eine Ausstellung von Arbeiten des 1940 im Alter von 70 Jahren verstorbenen Malers Artur Nikodem. Nikodem wurde 1870 in Trient als Sohn eines aus Prag stammenden österreichischen Offiziers und einer Veroneser Adeligen geboren. Sein Mittelschul- studium absolvierte er in Innsbruck, um dann Malerei in München bei Defregger und Kaulbach und später in Mailand und Florenz zu studieren. 1891 wurde er anläßlich eines Parisaufenthaltes von Manet und Cėzanne stark beeindruckt. Im gleichen Jahr trat er in den österreichischen Staatsdienst als Postbeamter ein, dem er in Meran und Innsbruck bis zum Jahre 1920 angehörte. Seither lebte er zurückgezogen als freischaffender Künstler in Innsbruck.

Wie in Graz auf der großen Ausstellung „österreichische Malerei von 1908 bis 1938” ist er auch in der Galerie Würthle eine Entdeckung. Besonders sind es die kleinformatigen, oft nur postkartengroßen Ölbilder, deren funkelndes Kolorit in der österreichischen Malerei nicht so schnell seinesgleichen hat. Nikodem zeigt sich in diesen kleinen Kostbarkeiten als geborener Maler von koloristischen Graden, als ein früher, wenn auch gemilderter Fauvist, der in Flächenteilung und Komposition noch von Jugendstilelementen beherrscht wird. Hervorzuheben ist an den kleinen Bildern noch die erstaunliche Wärme der Farbgebung, die nie in Buntheit oder Schwüle umschlägt. Die Zeichnungen und Pastelle, sichtlich die Überreste eines Werkes, bleiben dagegen meist nur interessant. Sollte von dem Oeuvre Nikodems wirklich nichts Wesentliches mehr vorhanden, sondern der Zerstörung anheimgefallen sein, so wäre dies ein schmerzlicher Verlust für die Geschichte der österreichischen Malerei. Claus Pack

In der Galerie Willy Verkauf ln der Riemergasse werden bis 11. Februar Ölgemälde von Friedrich Dantelis ausgestellt. Die Arbeiten des 21jährigen Malers beweisen, daß auch das ungegenständliche Bild nicht durch Zufall oder durch unverbindliches Spiel mit dekorativen Teilstücken entstehen muß. Obwohl in den Gemälden von Danielis elementare Kräfte frei werden und sich in einer dynamischen Formensprache ausdrücken, sind die Farben lasierend und dünn aufgetragen, damit nirgends der Eindruck „greifbarer” Dinge entsteht. Auch wenn die Bildtitel, die sich aus mythischen Begriffen zusammensetzen, sich der Erfahrung der sichtbaren Welt entziehen, erfährt man die überzeugende und nicht vorgetäuschte Bindung eines Künstlers an die Welt des Alten Testaments, der Zauberflöte und der Dichtung von E. T. A. Hoffmann und erfährt die schöpferische Auseinandersetzung mit dem Gedanklichen.

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