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Ein Nomade und Lebenskünstler

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Heimat ist immer dort, wo ich gerade bin. Aber ich bin dann auch unglaublich treulos. Wenn ich einmal abhaue, dann komme ich überhaupt nicht mehr zurück", sagt der heute 66jährige Künstler Daniel Spoerri. Überall und nirgends zu 1 lause ist der Begründer der „Eat-Art" räumlich und künstlerisch. In Bern war Spoerri Solotänzer am Stadttheater, in Paris Mitbegründer der Kunstrichtung „Nouveau Realisme", in Düsseldorf Gastronom und in München Professor an der Akademie der Bildenden Künste. Außerdem war das Multitalent Bühnenbildner, Dichter, Verleger, Galerist und Filmregisseur. Heute lebt der außergewöhnliche Gesamtkünstler in Italien, wo er unter anderem sein eigenes Olivenöl herstellt, das in Galerien verkauft wird.

Begonnen hat das abwechslungsreiche Wanderleben, als Spoerri unter dem Namen Daniel Isaac Feinstein 1930 als Sohn eines zum Protestantismus konvertiertem Juden in Rumänien geboren wird. Im Jahr 1941 fällt der Vater im rumänischen Jassy einem Progrom der Nationalsozialisten zum Opfer - die Familie flieht in die Schweiz und nimmt den Mädchennamen der Mutter an.

Eine zentrale Rolle in der Kunst des leidenschaftlichen Kochs spielt das F,sscn. Schon 1960 stellte Spoerri Lebensmittel aus und erklärte sie zu Kunstwerken. Aus dieser Zeit stammt die Erfindung der „Fallenbilder", mit denen Spoerri als Sammler von Wirklichkeiten in die Kunstgeschichte eingegangen ist. „Fallenbilder" - eine neue Art der Collage - sind um 90 Grad gekippte und an die Wand befestigte Tische mit festgeklebten Tel-lern, Gläsern, Speiseresten und Zi-garrettenkippen. Es geht dem Künstler darum, einen bestimmten Augenblick der Wirklichkeit festzuhalten und vor dem Tod zu bewahren. Dabei spielt Kommunikation eine wichtige Rolle. Seinen Objekten gehen große, inszenierte Bankette mit Freunden voraus, die plötzlich unterbrochen werden, um die J'afel im momentanen Zustand „einzufrieren".

Auch in seinem 1968 eröffneten Restaurant in Düsseldorf konnte der Gast um 1000 Mark seinen Tisch als Kunstwerk in Erinnerung an den Abend mit nach I lause nehmen.

Spoerri ist einer der größten Geschichtenerzähler der Kunstszene. An jedem seiner Objekte klebt die Geschichte eines Augenblicks unseres Daseins gesehen mit den unkonventionellen Augen des unermüdlichen Nomaden und 1 .ebenskünstlers Daniel Spoerri.

Bawag-Fondation,

1010 Wien, Tuchhuben 5 (bis 22. Februar)

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