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Digital In Arbeit

Ein Seitenstück zu einem Kefermarkter Relief?

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Während einer Arbeit über den Kefermarkter Altar stieß ich in Wien auf ein Steinrelief, dessen Darstellung sich mit dem Kefermarkter Altarrelief „Die Geburt Christi'’ deckt. Durch die Enträtselung der Altarinschrift war ich auf Hans Valken- auer gekommen, den ich als Schöpfer des großen Kunstwerks nachzuweisen mich bemüht hatte. Valkenauer galt zwar bisher nur als Steinbildner, da aber zu seiner Zeit auch andere Meister in Stein und Holz arbeiteten, fiel dieser Umstand--'nicht ins Gewicht. Daß aber nun ein in Stein gearbeitetes Seitenstück zu einem der Reliefs des Kefermarkter Altars existieren sollte, war natürlicherweise eine besondere Überraschung. Ich fand ein hervorragendes Werk im Hause des verstorbenen Malers und Radierers Ferdinand Schmutzer, der es vor etwa dreißig Jahren in Wien erworben hat. Frau Alice, die Witwe nach Ferdinand Schmutzer, gab mir die Möglichkeit, das in Sandstein gearbeitete Relief zu studieren und dem vorliegenden Aufsatz eine Abbildung davon beizufügen. Die Nebeneinanderstellung dieser Abbildung und der des entsprechenden Reliefs des Kefermarkter Altars ermöglicht es dem Leser, festzustellen, daß sich die beiden Fassungen bis auf geringe Einzelheiten entsprechen.

Im oberen Teil des Steinreliefs fällt auf, daß rechts statt der drei Engel auf dem Kefermarkter Relief' nur einer vorhanden ist, links oben auf dem Dach fehlt das Fenster. Das Antlitz Mariens wie das Josefs ist von größerer Schlichtheit. Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Fassungen aber besteht darin, daß das Steinrelief von Säulen umrahmt ist und eine Art Dach trägt. Das verleiht dieser Arbeit Selbständigkeit, sie ist nicht wie die Holzfassung von Kefermarkt ein Teil eines vierteiligen Ganzen, sondern ist offenkundig als ein einzeln Werk aufzufassen.

Von den Fragen, die dieses Steinrelief zu lösen aufgibt, sind die wichtigsten die: Ist es eine Arbeit des Meisters, der das Holzrelief schuf? Ist es jünger oder älter als dieses? Als was diente es? Woher stammt es?

Unser Relief läßt vermuten, daß seine Entstehungszeit von der des Holzreliefs nur wenig abweicht; es verrät die Hand eines großen Künstlers und kann daher eine Arbeit jenes Meisters sein, von dessen Hand das Holzrelief stammt. Daraus könnte weiter gefolgert werden, daß seine Bestellung, beziehungsweise Verwendung irgendwie mit den Zelkingern, denen wir den Kefermarkter Altar verdanken, in Zusammenhang steht. Es kann aber, da Hans Valkenauer, nach meiner Forschung der Schöpfer des Kefermarkter Altars, für Wolfgang von Polheim, den Schwager des Stifters desselben, das Grabmal schuf, auch mit einem Mitglied des Geschlechtes der Polheimer Zusammenhängen. Im Handel wechseln die Objekte nicht selten den Ort, und weil nicht bekannt ist, ob das Relief aus Wien stammt, hat man sein Augenmerk auf die Zelkinger und Polheimer überhaupt zu richten.

Von den damaligen Polheimern kommen hauptsächlich die Brüder Wolfgang und Bernhard als Auftraggeber in Betracht. Wolfgang von Polheim, mit Maximilian I. innig befreundet, war kaiserlicher Hofmarschall, Geheimer Rat und Landeshauptmann von Niederösterreich. Er und seine Gemahlin stifteten 1497 das Kloster der Franziskaner zu Thalheim bei Wartenburg in Oberösterreich, in dessen Kirche sie auch ruhen. Ihr Grabdenkmal ist eine der besten Arbeiten Valkenauers. Bernhard von Polheim stand unter Friedrich III. und Maximilian I. in diplomatischer Verwendung, war von 1499 bis 1504 bischöflicher Administrator von Wien und ist in Wels bei den Minoriten begraben. Viele Mitglieder des Geschlechtes der Polheim fanden im

14. und 15. Jahrhundert bei den Minoriten in Wien ihre letzte Ruhestätte. Von diesen erkauften Sigmund und Andreas von Polheim 1453 auf Lebenszeit ein Haus, das auf dem Minoritenfriedhof stand. Christoph von Zelking, der Stifter des Kefermarkter Altars, besaß auf der „Hochstraße“ (der heutigen Herrengasse) ein Haus. Sein Nachbar war Jörg von Pottendorf, seine erste Gemahlin, mit der er sich 1466 vermählte, ein geborene von Pottendorf. Sie starb um 1479/80 (1475?) und ruht in der Michaeler- kirche in Wien. Seine zweite Gemahlin war Apollonia, die Schwester Woifgangs und Bernhards von Polheim. Christoph von Zelking, dem Herrn von Weinberg, gehörte auch die halbe Veste Zelking, die Stammburg seines Geschlechtes, die sich einst etwa eineinhalb Gehstunden südwestlich von Melk auf einem Hügel erhob und heute in Trümmern liegt. Damals saß auf Zelking Christophs Vetter Otto VIII., dessen älteste Tochter Agnes seit etwa 1500 zu St. Jakob in Wien als Nonne lebte. St. Jakob auf der Hülben, das älteste Kloster Wiens, wurde mit vielen anderen Klöstern von Josef II. aufgehoben, wodurch zahlreiche Kunstschätze in den Handel kamen oder verschwanden; es mag noch da und dort ein solches Kunstwerk eingemauert sein oder sich im Privatbesitz befinden. Aus diesem Untergrund könnte auch unser Steinrelief aufgetaucht sein. Das Kloster erhob nach dem Tod des Vaters der Agnes von Zelking für diese Anspruch auf die Erbschaft. Otto hatte keinen männlichen Nachkommen und für seine Töchter wurden im Jahre 1500 von Kaiser Maximilian Wilhelm von Losenstein und Hans von Zelking, der älteste Sohn des Stifters des Kefermarkter Altars, mit der Ordnung der Erbschaftsangelegenheit betraut.

Schon seit dem Jahre 1300 waren Zelkinger bei den Minoriten in Wien beerdigt worden. Durch lange Zeit hatte dieses Geschlecht ein Erbbegräbnis außerhalb der Minoritenkirche, zunächst der Katharinen- Kapelle, und hier wurde 1540 auch Franz, der Sohn Wolfgangs von Zelking, des jüngsten von den Söhnen des Stifters des Kefermarkter Altars, begraben.

Unser Steinrelief wurde in Wien erworben. Seine Bestellung, beziehungsweise Verwendung dürfte mit dem Geschlecht der Zelkinger oder Polheimer in Zusammenhang stehen. Beide Geschlechter, besonders die Zelkinger, haben enge Beziehungen zu Wien. Es ist daher ganz gut möglich, daß sich das Relief von je in Wien befand, ja, daß es, in Sandstein gearbeitet, überhaupt in Wien entstand.

Mit Wilhelm von Zelking, dem Herrn der Veste und Herrschaft Sierndorf bei Stockerau, der als Altarstifter in die Fußstapfen seines Vaters trat, hat as Steinrelief jedenfalls nichts zu tun. Wilhelm, der drittälteste Sohn Christophs von Zelking, ließ für die Schloßkirche von Sierndorf einen wundervollen Hochaltar bauen, auf dessen Predella sich die Jahreszahl 1518 befindet. Dieser Altar hat, wie der von Wilhelms Vater für Kefermarkt gestiftete, zwei Flügel mit je zwei Reliefs. In der Predella, auf der die Beschenkung des Jesuskindes durch die heiligen drei Könige dargestellt ist, sehen wir den Stifter mit Frau und Kindern verewigt. Auf dem Kefermarkter Altar sind, wie ich in meiner Arbeit über dessen Schöpfer aufzeige, der Stifter und seine Söhne (dazu der Künstler) in der Rolle der heiligen drei Könige und ihrer Begleiter wiedergegeben. Wilhem von Zelking, der auf diesem Bild neben dem Künstler steht und um diesen den Arm legt, knüpft mit seinem Altar also deutlich an den Altar seines Vaters an. Auf einem der ebenfalls von ihm erbauten Oratorien der Sierndorfer Sdiloßkirche ist seine lebensgroße Büste und daneben die seiner Gemahlin zu sehen. Wahrscheinlich sind auch die vier anderen Steinaltäre dieser Kirche, die im 18. Jahrhundert entfernt wurden, eine Schöpfung Wilhelms, doch war anscheinend auch seine Schwester Anna, die Witwe nach Johann IV. von Kuenring, mitbeteiligt, denn sie machte zur Schloßkirche von Sierndorf 1518 eine Stiftung. Deren Inhalt ist freilich nicht bekannt. Die Reste der vier Nebenaltäre sind abgewandert und befinden sich in verschiedenen Händen. Anna von Kuenring stiftete übrigens 1518 auch einen „Ordnungsbrief“ zur damaligen Pfarrkirche von Sierndorf, die im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden zerstört worden sein soll. Der Hochaltar der Siern- dorfer Schloßkirche ist das Werk eines unbekannten Meisters, und auch die Reste von deren Nebenaltären stehen, wie mir von maßgebender Seite versichert wird — ich habe selbst nur wenig davon gesehen —, in keinem Zusammenhang mit Valkenauer. Von Überbleibseln der Altäre aus der ehemaligen Pfarrkirche von Sierndorf scheint nichts Näheres bekannt zu sein.

Wilhelm von Zelking, seine Gemahlin und seine Kinder sind bei den Minoriten in Wien in einer eigenen Grabstätte bö- gesetzt.

Durch den Besitz von Schallaburg erhielten die Herren von Zelking das Patronat über die Kirche von Loosdorf. Auch mit Loosdorf dürfte unser Steinrelief in keinem Zusammenhang stehen.

Wenn es nun von Anfang an in Wien war, ab was hat es wohl gedient? Daß es nicht wie das mit ihm verwandte Altarrelief von Kefermarkt Teil eines größeren Ganzen war, sondern für sich bestand, wurde schon gesagt. Es kann jedoch gleichwohl altarmäßige Verwendung gehabt und sich über einem Altartisch erhoben haben. Es kann auch nach Art etwa des Ölbergs bei St. Michael in Wien an einer Kirchenoder Klostermauer, in einem Klostergang und dergleichen angebracht- gewesen sein. Hier käme in erster Linie das Kloster Sankt Jakob auf der Hülben in Frage, in welchem, wie oben erwähnt wurde, eine nahe Verwandte des Stifters des Kefermarkter Altars als Nonne lebte, bei der für diesen Altar wohl ein besonderes Interesse vorausgesetzt werden kann. Dann wäre das Relief vielleicht als eine Stei'nnachbil- dung des Kefermarkter Reliefs anzusehen, die diese Frau ihrerft Kloster zukommen ließ. Möglich, aber wenig wahrscheinlich ist es, daß das Relief als Grabmal fungierte. In diesem Fall käme als Verwendungsort vornehmlich die Minoritenkirche in Frage.

Auch folgendes wäre zu überlegen. Bernhard von Polheim war 1499 bis 1504 bischöflicher. Administrator von Wien. Vorher war er Domherr in Passau und als solcher ein Amtsbruder des Passauer Bischofs Friedrich Mauerkircher gewesen, dessen Grabplatte in Braunau am Inn als ein Werk Valkenauers erkannt wurde. Valkenauer, der diese Grabplatte um 1485/86 herstellte, ist auch als Schöpfer des 1497 vollendeten Kefermarkter Altars anzusehen, den Bernhards Schwager, Christoph von Zelking, stiftete. (Der Meister hat, wie schon angeführt wurde, später — um 1512/13 — auch das Grabmonument für Bernhards Bruder, Wolfgang, geschaffen.) Es wäre also auch denkbar, daß die Herstellung des Reliefs, beziehungsweise dessen Verwendung mit Bernhard von Polheim zusammenhängt. Valkenauer ist übrigens möglicherweise auch der Schöpfer des in der Katharinen-Kapelle des Stephansdoms befindlichen, aus rotem Salzburger Marmor gemeißelten Taufsteins, der die Jahreszahl 1481 trägt.

Meine Meinung geht dahin, daß wir in dem Steinrelief, welches die Heilige Familie mit Engeln und Ochs und Esel im Stall darstellt und dahinter auf einem steil ansteigenden Gelände Hirten, Lämmer und Bäume zeigt, einen jener Weihnachtsaltäre der spätgotischen Zeit vor uns haben, die in volkstümlichen deutschen Krippen ihre, Nachfolge fanden. (Siehe Oswald A. Erich und Richard Beiti, Wörterbuch der deutschen Volkskunde, Leipzig 1936, S. 421 ff.) Ob es aber ein Vorläufer des Reliefs von Kefermarkt ist oder eine spätere Verselbständigung desselben, wird schwer zu entscheiden sein. Jedenfalls mutet es etwas einfacher an, und wenn es nicht eine geschickte Nachbildung aus der Werkstatt des Meisters ist, sondern, was ich für wahrscheinlich halte, eine Arbeit des Meisters selbst, dann ist es wohl vor dem Kefermarkter Relief entstanden, in welchem es in verfeinerter Form wiederkehrt.

Leser, denen über unser Relief von früher her etwas bekannt ist, mögen an die Schriftleitung der „Furche“ darüber eine Mitteilung gelangen lassen. Die gleiche Bitye ergeht an diejenigen, die etwa von einer Darstellung wissen, die einem der anderen Reliefs von Kefermarkt entspricht.

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