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Ein Sommer völler Geigen

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Meisterkurse für Instrumentalisten und Sänger gibt es allsommerlich von Wien bis Wörgl. Was bringen sie wem?

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Meisterkurse für Instrumentalisten und Sänger gibt es allsommerlich von Wien bis Wörgl. Was bringen sie wem?

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Seit sich die Salzburger Sommerakademie des Mozarteums 1916 als ältester Meisterkurs gründete, haben sich in Österreich ein Vielzahl von Sommermusik-Lehrangeboten auf höchstem Niveau etabliert: von Wien bis Attergau, von Neuberg bis Neuwaldegg, von Ambras bis Altenburg, von Viktring bis Wörgl.

Sobald die Musiker eingezogen sind, beanspruchen die Orte Exklusivität, neuartige Methoden des Unterrichts und ein singuläres Repertoire.

Ganz so unverwechselbar sind sie aber nicht. Viele Künstler verbringen ihren Sommer reisend-lehrend: Walter Berry gar fünfmal. Ist das nicht ein Überangebot? „Mit vier Begabten kann man keinen Unterricht machen” begründet Berry die Breite. Er selbst freut sich auf die alljährliche Bereicherung, freut sich, neue Sänger, das Niveau anderer Musikhochschulen kennenzulernen.

Noch liegt die Idee einer Evaluation der Kurse in wirtschaftlicher und künstlerischer Hinsicht fern: Wer kommt und warum? „Einen Studien-' platz bei einem Lehrer finden” ist häufiger Anreisegrund, gibt Gernot Wi-nischhofer vom Ost-West-Musikfest in Krems zu.

Manche Kurse - wie die „Cartusia-na” in Mauerbach und Hütenstein/NÖ - vermeiden gerade dies und bieten ihren Studierenden einmalige Gelegenheiten,'Tit^va-Rnrjeftr

Holl, der noch voll im Künstlerleben steht.

Schließlich dient der Kurs auch dazu, die langen Hochschulferien zu überbrücken. Das völkerverbindende Konzept - wie es sich die Internationale Sommerakademie der Wiener Musikhochschule für den Donauraum vorstellt- gehtauf. Wenn auch manch eine Japanerin ihr Abschluß-Diplom nur darum erworben hat, um ihre Chancen auf einen Ehemann zu erhöhen.

Wie paßt das zusammen - der vielstimmige Klagegesang um den Musikernachwuchs und ein weites Angebot an Meisterkursen? „Tatsächlich sind die Mehrzahl unserer Studenten Ausländer”,, erläutert Edda Graf von der „Cartusiana” in Mauerbach die Schere.

Die Wiener Meisterkurse lehren meist Schüler aus Deutschland, Japan und Süd-Korea. Das Nachwuchsproblem ist also dadurch nicht gelöst. Viele Seminare - wie das Kammermusikfestival Austria in Altenburg-Brei-_teneich - bieten deshalb auch Kinder-und Jugendmusizleren~än7Ab~ünu~zvT

ist auch ein älterer, begabter, interessierter Amateur durchaus ein Könner - wenn auch die Altersgrenze der Teilnehmer zumeist mit 35 Jahren festgesetzt ist.

Jeder Ort des Unterrichts beruft sich auf den Geist vergangener Musen, die genau hier die Musik lustwandelnd erfanden, sie wiedergaben oder auch lehrten: die Wiener Musikhochschule mit ihrer Sommerakademie am Semmering zitiert Schönberg und Berg als Spiritius rector, das Kremser Ost-West-Musikfest Beethoven in Gneixendorf und den Mozart-Verzeichneter Ritter von Kochel.

Manche Klöster und Schlösser leben erst durch und von den musikalischen Ereignissen, wie Schloß Breiteneich im Waldviertel mit dem Kammermusikfestival Austria. Die Kartause Gaming hätte nach dem Wunsch ihres Besitzers wieder gern

monastisches Leben angelockt, gibt sich aber jetzt mit den jährlichen Chopin-Festivals zufrieden. „Gotik goes Klassik” könnte man für die Kurse im Neuberger Münster sagen: Wo früher die Mönche schliefen, aßen und lehrten, werden jetzt sieben Seminare für Streichinstrumente, Flöte, Cembalo und Orgel abgehalten.

Vorausgesetzt, man hat die Aufnahmeprüfung bestanden, das Beper-toire vorstudiert, und auch das eingesandte Tonband hat gefallen - kann man „Meister” werden? „Entkrampfung und Atemfluß sind die wichtigsten Disziplinen”, sagt Walter Berry, „Lehrer und Schüler müssen musikalisch, stimmlich und menschlich zusammenpassen. Ich sehe mich als erfahrenen Kollegen.”

Grenzen werden im Sommer leichter überwunden. Neuberg verbindet Jazz und Klassik ebenso wie das Viktringer Musikforum - es wurde ja von einem Vielbegabten gegründet, nämlich von Friedrich Gulda. Interpretation steht höher im Kurs als Komposition. Zwar ist der Schladminger Musiksommer vom steirischen Komponisten Ernst L. Uray gegründet worden, aber nur in Viktring wird von Christoph Cech auch Komposition unterrichtet.

Die Kurse bieten aber auch Politikern - Bürgermeistern, Landeshauptleuten, ab und zu dem Bundespräsidenten - Gelegenheit für ein kurzes Begrüßungsstatement, in dem sie erklären, warum sie ihre Hand über den Ort der Musen halten. Trotzdem - die Festivals laufen nur dank viel unbezahlten Einsatzes. Neuberg an der Mürz lädt ein, einen Teilnehmer singend oder spielend zu sponsern.

Was kostet das musikalische Sommerglück? Wer nur zuhört, zahlt weniger. Die Gebühren für Aktive betragen zweitausend bis fünftausend Schilling für zehn Tage. Cembalo ist billiger als Flöte, alte Musik zu lernen in Ambras ist teurer als Chopin spielen in Gaming. Dirigieren ist am teuersten - schließlich muß auch ein Orchester angemietet werden.

Motivzuckerln sind ein Auftritt mit dem Kursorchester, manchmal eine Radioübertragung - und das Gelernte. Sind Meisterkurse Sprungbretter für eine große Karriere? Nicht immer, bedauert Gernot Winischofer: „Eine Schülerin, die das Beethoven-Violinkonzert gespielt hat, ist jetzt Tänzerin in einem Nachtklub”

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