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Ein Vorbild für Kunstfreunde

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Maecenas liebte die Kunst. Unter den Dingen der Welt, die liebenswert sind, hatte er sich nicht das schlechteste ausgesucht. Er brauchte sich seiner Liebe nicht zu schämen. Er liebte die Kunst, und er förderte sie, soweit es in seinen Kräften stand. Und weil er die Kunst liebte und sie förderte, wurde er unsterblich und kennen wir seinen Namen.

Karl Ströher liebt die Kunst und fördert sie, soweit es in seinen Kräften steht. Wenn auch heute der Darmstädter Unternehmer im allgemeinen Bewußtsein eher als Mann der Wirtschaft denn als Kunstfreund leben wird: die Nachwelt wird ihn vor allem als großen Förderer und Sammler der Malerei seiner Zeit nennen.

Kunstliebhaber waren stets zugleich große Kunst-sachverständige. Auch Karl Ströher hat nicht wahllos gesammelt, sondsrn mit profunder Kunstkenntüis und; einem sicheren-Erkennen dessen, was unter neu-auftauchenden Namen und Arbeiten bleibenden Wert zu haben versprach. So . ist es möglich, daß eine Ausstellung des deutschen Teils der Ströherschen Sammlung zu Recht den Titel tragen kann: „Deutsche Kunst unserer Zeit“, denn sie gewährt in der Tat einen tiefen Einblick in die deutsche Malerei unseres Jahrhunderts. Diese Ausstellung, die gegenwärtig von der Neuen Galerie der Stadt Linz veranstaltet wird, umfaßt rund 120 Nummern und wird ergänzt durch 20 weitere Leihgaben aus deutschen Galerien und Privatbesitz; sie reicht von Willi Baumeister zu Mac Zimmermann, von Max Ernst zu Emil Nolde; Namen wie Marc, Macke. Klee, Feininger, Beckmann, Kan-dinsky fehlen in ihr ebensowenig wie Hofer, Rohlfs, Kirchner und Otto Mueller; fast alle aber sind nicht mit irgendwelchen kleineren Arbeiten, sondern mit Hauptwerken vertreten. So wird ein Rundgang durch die Ausstellung in der Linzer Neuen Galerie zu einem Gang durch fünfeinhalb Jahrzehnte Malerei in Deutschland.

Ein solcher Rundgang weckt einige wehmütige Gedanken. Er läßt zunächst daran denken, daß Oesterreich kaum eine zweite so rührige Galerie wie das Wolfgang-Gurlitt-Museum der Stadt Linz (auch zu ihm legte die Sammlung eines privaten Kunstfreundes den Grundstock!) besitzt; denn die Ausstellung der Sammlung Ströhers wird in Oesterreich nur noch aus Anlaß des Europäischen Forums Alpbach des Oesterreichischen Colleges in Alpbach, Tirol, gezeigt werden, und dann nach Darmstadt zurückgehen, wo sie die Hallen des wiederaufgebauten Darmstädter Museums, das im Oktober eröffnet werden soll, füllen wird. Und dann denkt man daran, daß es bei uns in Oesterreich kein privates Mäzenatentum großen Stils mehr gibt. Wir wissen von keinem Sammler, der systematisch die Kunst unseres Jahrhunderts sammelt, und sei es nur die Kunst österreichischer Provenienz. Auch von keinem Privatmann, der alljährlich wie Ströher Preise verleiht, haben wir gehört.

Das mag zwei Ursachen haben. Zum einen gibt es bei uns keinen Kunsthandel, bei dem die Werke heimischer Künstler einen Kurswert besitzen. Bilder „notieren“ nicht und scheinen schon deshalb keine •wertbeständige Kapitalsanlage zu sein. Kein Sammler darf annehmen, daß die Werke eines Neuentdeckten nach Jahren ein Vielfaches von dem wert sein werden, was er ursprünglich dafür bezahlte. So unterbleibt nur zu oft der Ankauf und damit die Förderung des jungen Malers. Bilder auch der prominentesten lebenden heimischen Künstler wird man, bei annähernd gleichem Wert, zu gänzli.-h unterschiedlichen Preisen angeboten bekommen. Auch das mag zur geringen Wertschätzung österreichischer Malerei im Ausland, wie man ihr leider sogar in den Standardpublikationen begegnet, beitragen. 1

Zum anderen ist der Staat, der sich gern den „einzigen Mäzen unseres Jahrhunderts“ nennt, daran schuld; denn er sabotiert systematisch jedes private Mäzenatentum. „Wo kämen wir denn da hin. wenn jeder selbst bestimmt, was er fördert“, sagte einmal allen Ernstes ein Ministerialbeamter zu einem Vertreter der Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft, die seit Jahr und Tag ebenso nachdrücklich wie vergeblich die Forderung nach Steuerfreiheit der Aufwendungen für Kunst und Wissenschaft stellt. Diese Forderung, deren Erfüllung ein Vielfaches der schmalen Förderung, wie sie bisher gepflegt wird, mit sich bringen würde, muß immer wieder gestellt werden — so lange, bis sie erfüllt wird, oder bis die amtlichen Stellen darauf verzichten, Oesterreich noch einen Kulturstaat zu nennen.

Die Sammlung Karl Ströher mahnt uns daran. Möge es möglich werden, daß einmal nach ihrem Beispiel eine private Sammlung österreichischer Malerei im Ausland davon kündet, daß unsere Malerei von Klimt und Schiele bis zu Kokoschka und Boeckl, von Gerstl und Kolig zu Gütersloh und Wickenburg zu Unrecht übersehen wurde. .

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