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Ein Wahlwiener aus Paris

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Den so. Geburtstag des in Lemberg geborenen Wahlwieners Georg Merkel, der seit 1938 in Frankreich lebt, ehrt eine Ausstellung im Oberen Belvedere. Seine kleinformatigen Bilder, idyllische und bukolische Szenen, leben vom Geist des französischen Spätklassizismus des Puvis de Chavanne, des späteren Andrė Derain. Was ihn mit jener Malerei verbindet, ist die sorgfältig ausgewogene Komposition und die fein nuancierte Farbigkeit, die aber, da in ihr warme Farbtöne vorherrschen, die Süße polnischer und tschechischer Malerei besitzt. Was ihn von ihr trennt, ist das geringe Maß an Plastizität und Räumlichkeit, die oft nur summarisch dekorative Formzusammenfassung. Die Welt Georg Merkels ist eine Wunschwelt der ästhetischen Harmonie, von der Wirklichkeit durch den Schleier des Traums getrennt. Ihr auf der Suche nach malerischen Gesetzen bescheiden und mit Selbstdisziplin nachgegangen zu sein, ist seine eigentliche Leistung.

Nicht sanfte Melancholie, sondern zum Teil leidenschaftliche Erregung kennzeichnet die Arbeiten des noch jungen Karl Stark, der in der Galerie W ü r t h 1 e ausstellt. Unmittelbar überzeugen hier die Aquarelle, denen es oft gelingt, Wirklich- keit,„insublimierte „lyrische .Farbspannun- gėn zu übersetzen, ohne den Gegenstand zu verleugnen, wenn pitch die Grenze zur Willkür manchmal nicht scharf genug gezogen ist. Die Vorbilder, Gerstl einerseits und Herbert Boeckl anderseits, werden manchmal sichtbar. Starks Ölbilder, früher vom Pathos van Goghs bestimmt, nähern sich einem dekorativen Farbgewirk, dem Raum und Form untergeordnet werden. Die Zeichnungen, meist Stadtansichten, leben von einer nervösen Interpretation der Atmosphäre, die teilweise an Absolon erinnert. Hier ist ein eminent malerisches, wenn auch noch ungezügeltes Temperament am Werk, das mit großer Ehrlichkeit zwischen Objektivität und Subjektivität seinen Weg sucht. Von ihm wird noch einiges zu erwarten sein, wenn es ihm gelingt, mit dem Ethos, das hinter seiner Malerei steht, sich geistig und formal zu verfestigen.

Neben diesen ernsthaften Bestrebungen, sich mit den Gesetzen der Malerei zu beschäftigen, findet man derzeit drei Ausstellungen von Malern, die sich dem „Informel“, der Malerei gegen die Form und also gegen die Malerei, verschrieben haben. Angesichts der Tatsache, die sich in Wien herumzusprechen beginnt, daß man wieder „Figur trägt", sind sie bereits vieux jeu. Ihr unsublimierter Naturalismus, der sich darin ausdrückt, daß sie zwar nicht das Naturbild nachahmen, aber die Naturprozesse imitieren, wird am wendigsten und abwechslungsreichsten von Hermann Walenta vertreten. Hier versäumen die Bilder und Graphiken nicht den evokativen Anklang an eine stimmungsgemäß sich ergebende „Natur“ (im Caspar David Friedrichschen Sinne), der manchmal in den mit der Sauberkeit von Gebrauchsgraphik arrangierten Blättern entsteht. Die Plastiken, „vegetative Ballungen“, widersprechen der absoluten Willkür vieler Bilder, die so weit geht, „interessante" Farbschnipsel als Entitäten vorzustellen. Was hier in der Staatsdruckerei zu sehen ist, findet man mutuis mutandis auch im Amerikahaus in der Ausstellung von Günther Kraus, nur reduzierter auf eine geringere Skala, plakativer, gröber und größer im Format. Von „Eroberung der Materie“ kann hier keine Rede sein, das sind Maler — man scheut sich das Wort auszusprechen —, die von ihr beherrscht werden. Das gilt auch für die Ausstellung von Paul M e i ß n e r, dem Präsidenten der Secession, in der Galerie im G r i e c h e n b e i s 1. Er ist der schwächste der drei, da ihm die Großzügigkeit der anderen fehlt. Diese Leinwände und Graphiken in einem häßlichen und spannungslosen Grau sind in ihrem neuen Naturalismus nicht weit von . Meißners früheren entfernt, der ein „Wunderteam"

und eine „Traubenernte in der Wachau“ hervorbrachte. Nur Ahnungslosigkeit kann das Vorwort des Kataloges mit diesen Bildern in Zusammenhang gebracht haben.

Claus Pack

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