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Eine lebendige Liturgie

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Im Kult wird das Mysterium Christi begangen und entfaltet unter Heranziehung von Bildern, die zum tiefen inneren Vorstellungsschatz des Menschen gehören. Die Ordnung der Gemeinde um den nunmehr nahe stehenden Opfertisch wird Ausdruck der Hinordnung auf Christus. Hier zeichnet sich ein Ordnungsbild ab. Es ist das Christusbild, das unserer Zeit vor allem in einem tieferen Verständnis der Kirche als dem geheimnisvollen Leibe unseres Herrn geschenkt ist. Hier treten nun die übrigen Bilder, die die Liturgie voraussetzt (etwa das Kreuz am Altar) klärend und ausdeutend hinzu. Das entscheidende Bild im Raum bleibt jedoch die lebendig gefeierte Liturgie. Die Bilder dienen dem Glauben, ersetzen jedoch nicht die innere Schau. Und sollen sie auch nicht überblenden. Der auf die wesentlichen sakramentalen Zentren geordnete '. aum mit sinnvoller Zuordnung der Andachtsplätze und Nebenbereiche ist am besten geeignet, das feste innere Gerüst christlicher Glaubensüberzeugung gegenüber bloßem Schwärmertum auszudrücken.

Kultgemeinschaft: Der vom Konzil verabschiedete Abschnitt über den Kirchenbau enthält den Hinweis, neue Kirchen so zu bauen, daß die aktive Teilnahme der Gläubigen an der Feier der Liturgie erleichtert wird. Um diese tätige und verständige Teilnahme der Gläubigen an der Kultfeier geht es im gesamten Schema über die Liturgie. Der Kirchenbau soll diesem Bedürfnis seinerseits Rechnung tragen. Wiederholt in der Geschichte hat die Liturgie Einfluß genommen auf die Ausgestaltung des Raumes. In der Begegnung zwischen dem Seelsorger und dem Architekten wird man also fragen müssen, wie den Anliegen des Konzils räumlich am besten entsprochen werden kann.

Einige Folgerungen zeichnen sich schon jetzt ab. Zunächst wird der Raum in erster Linie Ausdruck werden müssen für die Einheit in Christus. Zusammenfassung von Priester und Gemeinde war bereits um 1930 ein entscheidendes Anliegen. Inzwischen haben sich Kirchenbautypen entwickelt, die eine deutliche Gegenüberstellung zweier Raumteile ver suchen. Es scheint nicht gut, auf diese Weise den Altarbereich, zumal auch durch eine ganz andere Belichtung, aus der Einheit des Hauptraumes bühnenhaft auszuscheiden und damit die enge Zusammengehörigkeit von Priester und Volk abzutei-

len. Dem geweihten Priester wird immer der nächste Bereich am Altar vorbehalten sein. Es ist aber nicht notwendig, diesen Teil auch in der Raumform eigens abzusetzen.

Enger an den Altar

Dem erwähnten Wunsch kann auch eine neue Versammlungsordnung entsprechen. Immer häufiger entstehen Anordnungen, die das Herumsein um den Altar ermöglichen (circumstantes-Ordnung). Die Gemeinde schließt sich jetzt so eng um den Altar, wie einst das Chorgestühl der Priester oder Mönche im mittelalterlichen Chor der Kathedrale. Erleichterung aktiver Teilnahme soll aber nicht mißverstanden werden, als müsse das straffe „Ausrichtung“ auf die Altarstelle selbst bedeuten. Streng zentrierte Bankordnungen erwecken leicht den Eindruck einer beengenden Versammlungsmaschine. Vor allem dann, wenn der Raum übermäßig mit Sitz plätzen verstellt ist. Für die in der Liturgie vorgesehenen Bewegungen, besonders auch Prozessionen, muß entsprechend Bewegungsraum bleiben.

Raumschöpfung: Über jedes noch so gute Ordnungsprogramm der Liturgie hinaus sollte im Kirchenbau der Raum selbst gelingen. Sonst wäre die vom Konzil erwünschte künstlerische Leistung nur eine Zutat. Die Kraft seiner Gestalt ist die entscheidende Möglichkeit, über die irdischen Bedingungen einer örtlich versammelten Gemeinde hinaus auf das Ganze heiliger Ordnung und göttlicher Gnadengegenwart in der Kirche zu verweisen. Die Transzendenz liegt in der Raumform als ganzer. Also nicht in einem bestimmten Teil oder Bereich jenseits des Altars, wie Rudolf Schwarz das andeuten wollte. Das theoretische Konzept von Schwarz läuft letzten Endes darauf hinaus, selbst die Transzendenz in das Funktionsprogramm einzuordnen, statt umgekehrt die Funktionsordnung in die umfassende Ganzheit einer Raumschöpfung aufzuheben.

Zusammenarbeit: Die Leistung einer großen Raumordnung überantwortet der Geistliche dem Architekten. Nur der schöpferische Mensch wird sie leisten können. Die Kirche muß ihm notfalls nachgehen. Sie darf sich nicht mit denen begnügen, die sich als Bettler um Aufträge be werben. Die Gaben im mystischen Leib Christi sind zum Aufbau der Kirche verteilt. Und wir sind dort auf sie angewiesen, wo sie Gott als Talent oder Genie erweckt. Hier ist auch mehr denn je die Verantwortung des Architekten in Rechnung zu stellen. Auch Kirchenbau ist ein praktischer Testfall für die Zusammenarbeit des Seelsorgers mit dem Laien.

Jede Bemühung um eine deutlichere Ausprägung der Liturgie und ihr entsprechend um eine klarere und sinnvollere Disposition im Kirchenraum bleibt eine bloß äußerliche Korrektur, wenn es nicht zugleich gelingt, das gläubige Volk tiefer in den Sinn des Kultes und seine Formen einzuführen. Diese Aufgabe ist durch die neu aufgeworfenen Fragen nicht leichter geworden. Aber diese sind ein wertvoller Anlaß, sich wieder neu dieser Aufgabe zu erinnern.

Eines sollte jedenfalls klar werden: Die Bemühung um Kirchenbau ist mehr als eine bloße Geschmacksfrage. Demgemäß läßt sich auch die Vergabe von Aufträgen nicht als ein Werk der Caritas an minderbemittelte Architekten, als persönliches Entgegenkommen oder bloß als Lohn für Glaubenstreue motivieren. Nur der echte, offene Wettbewerb um die allerbeste Lösung kann heute einen Weg zu besserer künstlerischer und sinnvollerer Leistung im Kirchenbau führen.

Kein „Verlust der Mitte“

Architektur ist ein Werk in der Welt. Hier erfüllt die Kirche ihre Sendung hinein in die Welt. Das ist aber nur möglich, wenn sie auf die Gegebenheiten und Bedingungen dieser Welt jeweils eingeht und ihr nicht schmollend und kritisch gegenübersteht. Gerade die schöpferischen Ansätze in unserer Zeit sind, weil zunächst ungewohnt, immer wieder verdächtigt worden. Der Seelsorger müßte sich bemühen, auch die Gemeinden, die ihm anvertrauten Gläubigen zu einer lebendigen Begegnung mit den Problemen der Gegenwart aus dem Glauben anzuleiten. Die von gewisser Seite geförderte Tendenz, überall den Teufel und „Verlust der Mitte“ zu sehen, kann sich nicht auf christliche Grundlagen stützen. Auch ist es nicht möglich, im Namen der Kirche auf die Beibehaltung gewisser Vorstellung von „schön“, von „bauen“ und von „Kirche“ über die Zeiten hinweg zu' beharren. Wer auf die Eigenart dieser unserer Zeit nicht eingeht, kann auch nicht formend an ihr mitwirken. Eine Seelsorge, die diesen Tatsachen nicht Rechnung trägt und die Auseinandersetzung zu umgehen sucht, ist auch bei scheinbaren Erfolgen und größerer Annehmlichkeit der Methode zuletzt Selbstbetrug. In den Weisungen für den Kirchenbau spiegeln sich also verschiedene Grundfragen des Konzils in der praktischen Anwendung auf eine konkrete Aufgabe.

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