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Eine neue Gelehrtengeneration

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Die Museen der Landeshauptstädte, die ihre Gründung der Initiative von Mitgliedern des Kaiserhauses verdanken (so zum Beispiel das Rudolfinum in Klagenfurt, das Ferdinandeum in Innsbruck, das Joanneum in Graz oder das Carolino Augusteum in Salzburg), füllten sich mit antiken Funden. Fußböden aus feinstem Mosaik wurden aus dem freien Gelände in diese übertragen (so zum Beispiel das Theseus- Mosaik in der Antikenabteilung des Kunsthistorischen Museums in Wien aus dem römischen Salzburg, das Dionysos-Mosaik vom „Tempelacker” in Virunum (Zollfeld in Kärnten) in das Klagenfurter Landesmuseum). Besonders wertvolle religiöse und historische Dokumente, wie etwa das Stifter- Mosaik im Fußboden einer Seitenkapelle der Friedhofskirche von Teurnia (St. Peter im Holz) aus dem 5. Jahrhundert nach Christi, wurden mit einem Schutzbau überdacht. Große Objekte, wie das zweite Amphitheater von Carnuntum, oder das ,Heidentor” mußten, nachdem die notwendigen Sicherungsarbeiten durchgeführt worden waren, den Unbilden der Witterung ausgesetzt bleiben. Eine Überbauung wäre zu kostspielig, eine Rekonstruktion zu unsicher gewesen.

Diese verantwortungsbewußte Haltung, die sich in hingebungsvoller Arbeit im stillen äußerte, wandelte sich nach dem ersten Weltkrieg durch einen neuen Zeitgeist. Man begann der sensationslustigen Neugier der Menge Zutritt zu den Stätten der Forschung zu gewähren; das Geheimnisvolle der archäologischen Grabungen wirkte magnetisch auf Halbgebildete und Okkultisten, deren Verhalten fast immer echten Bildungsdrang, gepaart mit Ehrfurcht vor der historischen Vergangenheit und dem Wunsch nach objektiver Wahrheit, vermissen läßt. Die Tagespolitik bemächtigte sich auch dieses Zweiges der Wissenschaft, und nationalistische Tendenzen machten sich bei der Deutung und

Auslegung des Fundstoffes bemerkbar.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen den beiden Kriegen ließen es kaum zu, in großem Stil an die Konservierung und Restaurierung von freigelegten Objekten zu schreiten. Erst später begann, teilweise veranlaßt durch die vorausgegangene Epoche der Profanierung kultureller und geistiger Werte, eine Zeit der regen Ausgrabungs- und Restauriertätigkeit, die mit der Errichtung von Freilichtmuseen der Schaulust der Menge entgegenkam.

Dem Wunsch nach Publicity, von der Tagespresse aus kommerziellen Gründen kreiert, unterlagen schließ lich auch so manche Forscher; die in immer steigendem Maße angelockten Besucher wollen rasch faßliche Erklärungen über das bereitwillig Gezeigte. Wie oft kommt man diesem Wunsch des Publikums und der Presse mit vorschnellen Erläuterungen über die historischen Ergebnisse eines archäologischen Unternehmens entgegen, die sich später als falsch her- ausstellen müssen? So ist es trotz der seit 1948 wieder laufend durchgeführten kostspieligen Grabungen auf dem Magdalensberg in Kärnten den dort Arbeitenden versagt geblieben, das Rätsel der Bergstadt und ihres Namens zu lösen, obwohl bereits zu Beginn der Grabung die Identifizierung dieser Stadt mit Noreia, der norischen Königsstadt, verlautbart worden war. — Studenten, die zur „Führung” der Besuchermassen verwendet werden, leiern meist, noch ohne genügend eigenes Wissen erworben oder eigenes Urteilsvermögen entwickelt zu haben, Eingelerntes mechanisch nach. Noch weniger verständlich aber ist die Haltung einiger Archäologen und ihrer Mitarbeiter, die sich bemühen, in eiliger, meist unmotivierter Restaurierarbeit die für Laienaugen dürftige Hinterlassenschaft der Antike „zu Schulzwecken” aufzumauern. Bereits 1955 sah sich das Bundesdenkmalamt genötigt, dem in in- und ausländischen Fachkreisen Anstoß erregenden Wiederaufbau des „Repräsentationshauses” auf dem Magdalensberg Einhalt zu gebieten. Dieser Wiederaufbau erweist sich wegen seiner Ähnlichkeit mit einem alpenländischen Schutzhaus als besonders unglücklich. Es fehlten den für diese Arbeit Verantwortlichen außer den Grundrissen Anhaltspunkte für den Aufbau und die Gestaltung der Außenarchitektur. Dieser Bau hielt den Unbilden der Witterung, vor denen man die freigelegten Wandmalereien zu schützen vorgab, schon im ersteh Jah’f ‘ nach Seiner Errichtung nicht sfand. Es muß bedenklich stimmen, wenn mit” immer Stärker werdender Betonung der Interessen des Fremdenverkehrs bedeutende Summen von öffentlichen und privaten Institutionen erbeten werden, um in diesem so umstrittenen Stil Konservierungsarbeiten fortzusetzen.

Niemand hat es bisher für notwendig befunden, die auch kirchengeschichtlich sehr interessanten Überreste der Bischofskirche auf dem Kirchbichl von Lavant in Osttirol, die seit der Spätantike bis in das 8. Jahrhundert nachweisbar benützt worden ist, durch einen Überbau vor einem rauhen Klima zu schützen.

Leider vermögen wir in Österreich der vom Deutschen Archäologischen Institut seit seiner Gründung bis auf den heutigen Tag gepflegten Tradition, akademisch geschulte Bauhistoriker zur ständigen Mitarbeit für einschlägige archäologische Aufgaben heranzubilden, nichts Ebenbürtiges entgegenzusetzen. Somit bleiben diese Lekonstruktionsarbeiten in erster Li nie weiterhin vom Bildungs- und Vorstellungsniveau der mit dieser Arbeit betrauten „Grabungstechniker” — ein terminologisches und professionelles Erbe des Dritten Reiches — und den Vertretern der Landesbehörden abhängig.

„Zu Schulzwecken”

Ein ähnlicher Fall, allerdings noch bedenklicherer Art, liegt in der kleinen Margarethenkapelle von Mäüfern an der Donau vor, wo nach der Entdeckung des frühchristlichen Grabes unter dem Altar der St.-Jakobs-Kirche von Heiligenstadt archäologische Untersuchungen durchgeführt wurden. Obwohl diese Grabungen in der Mauterner Kapelle ergebnislos blieben, haben sich Hie damit Beauftragten nicht davon abhalten lassen, die von ihnen unter dem Kirchenschiff in den Jahren seit 1954 ausgehobenen Grube zu einer Krypta auszubauen, zu der man über eine neuangelegte schmale Steintreppe an der Südwand der Kapelle gelangt. In diese künstlich geschaffene Krypta hat man „zu Schulzwecken” ein spätantikes Steingrab aus dem Friedhof des römischen Mau- tern übertragen und dieses entlang der Südmauer aufgebaut. Das innerhalb der Kapelle neueingerichtete kleine Heimatmuseum birgt schöne Funde aus der hier in Mautern seit Jahren geführten Grabungskampagne, deren Ergebnisse die 80 Jahre alte Hypothese, Favianis ist mit Mautern und nicht mit Heiligenstadt zu identifizieren, neu bekräftigen sollten. Über dem Chorbögen der Kapelle wurde eine neue Aufschrift angebracht: EX QUIBUS UNUM ERAT FAVIANIS (= Eines davon war Favianis), Kapitel XXXI, 1 der Vita Sancti Seve- rini des Eugippius. Verantwortungsbewußte Historiker müssen es ablehnen, wenn eine nicht bewiesene Hypothese auf diese Weise verewigt wird, und es ist untragbar, einem wehrlosen — weil unwissenden — Publikum derartiges vorzusetzen.

Es ist nichts bekannt, daß die für die Grabungen und Restaurierungen in Mautern Verantwortlichen etwas unternommen hätten, um den als Kloster des Heiligen Severin gedeuteten römischen Bau auf dem Areal der Kaserne von Mautern vor der Einbetonierung zu retten (Zeitungs- meldungcn in: Das Kleine Volksblatt, 16. Oktober 1958; Oberösterreichische Nachrichten, 17. Oktober 1958; Die Presse, 24. Juli 1958; vgl. hiezu E. K. Winter, St. Severin, Der Heilige zwischen Ost und West, II. Bd., S. 173, 176). Falls es sich hier wirklich um die ehrwürdige Stätte handeln würde, als welche sie gedeutet wurde, so ist es unverständlich, daß man sich in diesem gewichtigen Fall nicht um ihre Erhaltung und Konservierung bemüht hat. Man könnte sich vorstellen, daß die Erwerbung dieses kleinen Areals, das dem Bund gehört, sicherlich nicht schwieriger gewesen wäre als die Erwerbung privater Grundstücke, etwa in Petronell oder auf dem Magdalensberg.

Seltsam berühren Aufrufe, die in den vergangenen Monaten über die Tagespresse an die Öffentlichkeit herangetragen wurden. Sie plädieren für den von den Ausgräbern des römischen Kastells von Zwentendorf geäußerten Wunsch, dieses nach dem Vorbild der sogenannten „Saalburg” am obergermanisch-rätischen Limes wieder aufzubauen. Dieses von Wilhelm II. sehr geförderte Unternehmen wurde zwischen 1898 und 1907 ausgeführt und ist als Produkt einer recht krausen historisierenden Phantasie und solider deutscher Handwerksarbeit in eine Reihe zu stellen mit den kuriosen Monumenten einer Walhalla oder eines Arnim-Denkmales im Teutoburgerwald.

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