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Endstation

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Nach Hannover, Bern, Hagen, Amsterdam und Stockholm hat nun auch Wien seine Hundertwasser-Ausstellung. 132 Arbeiten des neben Kokoschka im Ausland bekanntesten österreichischen Malers im Museum des 20. Jahrhunderts liefern eine ausgezeichnete Möglichkeit einzuschätzen, welcher eigentlichen Leistung außer einer hervorragenden propagandistischen Begabung er seinen frühen Ruhm verdankt. Wie seine frühesten hier ausgestellten Arbeiten beweisen, hat Hundertwasser nie zeichnen gelernt. Dazu waren auch seine Aufenthalte auf den dafür zuständigen Institutionen zu kurz. Seine dekorative Veranlagung, die eindeutig vom Jugendstil und oberflächlich von Klimt und Schiele befruchtet wurde, konnte sich daher unbelastet von wirklichen Form- und Farbproblemen ungehemmt entfalten. Der sorgfältig gepflegte Infantilismus seiner Darstellung, der er poetisch-lyrische Titel frei nach Klee und den Dadaisten aufpfropft, verdankt wahrscheinlich einem ausgiebigen Studium von Prinzhorns „Kunst der Geisteskranken“ nicht wenig. Seine Bilder sind weder geformt noch komponiert, es sind Aggregationen, Anhäufungen, in denen ein deutlicher horror vacui lebt und denen selbst als Ornament die strenge Gestaltung und die komprimierte Bedeutung oder Ableitung aus einer Naturform fehlt. In ihrer manchmal mehr und manchmal weniger geschmackvollen Farbgebung verzichten sie sogar auf jene Evokation, die in einer Übereinstimmung der Farbe mit der Form liegen müßte. Die Evokation wird über das Modische hinaus allerdings durch die Titel geliefert, die dem Hang des Laien nach der literarischen Deutung eines Bildes entgegenkommen. Diese Pseudopoesie — die nicht im Bilde selbst liegt —, ver-hunden mit den kunstgewerblichen Reizen berechnender „Naivität“, und der Glücksfall, daß hier ein instinktiver, wenn auch formloser Rückfall auf den Jugendstil vorliegt in den Augenblick, in dem dieser wieder „modern“ wird, erklären, abgesehen von den undurchsichtigen Machenschaften des Kunsthandels, den Erfolg eines Malers, dessen dekorative Begabung in bescheideneren Grenzen liegt. Daß dazu gerade heute das besonders geringe Wissen der Kritik und des Publikums um die entscheidenden Dinge der Kunst gehört und die Angst vor der InFrage-Stellung der Existenz durch das Kunstwerk, die Rilke durch sein Gedicht über den „Torso eines archaischen Apolls“ so gültig ausdrückte, ist der eigentliche Kernpunkt des Problems. Daher auch wirkt die „lustige Abwechslung“ der Ausstellung, die keine eigentliche Heiterkeit in sich birgt, nach längerem Betrachten so langwellig, weil sie den Endpunkt einer geschickten und geglückten eklek-tizistischen Kompilation bezeichnet, aus der, wie bei so vielem, kein Weg weiter führt. Und darauf kommt es schließlich an.

Offener und freier wirkt die Ausstellung der Galerie Synthese, die Arbeiten von drei Vertretern einer viel jüngeren Generation vereint. Peter Aichholzer und Gerhard Gutruf bemühen sich um wesentlichere Dinge, um Verbindlicheres als Hundertwasser, und sie bemühen sich wirklich. Die Bilder Aichholzers in ihrer spartanischen Strenge versuchen, sich echten Formproblemen zu stellen, wenn ihnen auch noch Differenzierung der Form und der Farbe — aber ihm keineswegs die Begabung — fehlt, und die Graphiken von Gutruf stellen sich in den vor der Landschaft entstandenen Blättern, der Insel Krk zum Beispiel, einem leidenschaftlichen, wenn auch skurrilem Erlebnis, das in den minutiös durchgeführten Veduten dekorativeren und illustrativeren Charakter gewinnt. Hier ist ein wirkliches Streben nach Essentiellerem zu spüren, die Offenheit eines Weges, ein Engagement, das sich die beiden bewahren müssen, um mit ihrer Begabung nicht irrezugehen. Aber in ihnen liegt ein echtes Versprechen, das allerdings noch gültigere Formen anzunehmen hat, der Ernst mangelt ihnen nicht. Ihnen ebensowenig wie Weitzdörfer, dessen „Spiele“, die absurde und präzise Kompilation von technischen Bestandteilen, die dabei von ihrem Urheber bescheiden und richtig nicht als „Plastik“ bezeichnet werden, so viel mehr Grazie und Witz besitzen, als die mit pseudometaphysischen und mythologischen Titeln lackierten Arbeiten entgleister Kunstschlosser. Eine besuchens-werte Ausstellung.

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