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„Erde im Kosmos“

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Am 19. März wurde in der Landesgalerie des Museums in Linz die Ausstellung von Gemälden und Zeichnungen des Malers Doktor Rudolf Pühringer unter dem Titel „Erde im Kosmos“ eröffnet.

Um das Werk Pühringers in seiner gangen Bedeutung erfassen und würdigen zu können, muß man wissen, daß er kein neuer in der Ausübung der Kunst ist. Er hat aber viele Jahre auf die Tätigkeit als Maler und auf die Beteiligung an Ausstellungen verzichtet, um sich geistig ein neues, größeres Ziel zu erarbeiten und um Kräfte aufzuspeichern, die ZUE Ausführung der gewonnenen Zielsetzung erforderlich waren. Mit der Technik der Malkunst hervorragend vertraut, mit außergewöhnlichem Formgedächtnis und unerschütterlicher Energie begabt, aber auch mit der philosophischen und literarischen Entwicklung bekannt, hat er um die Erkenntnis der reinen Idee der Natur gerungen. Als begeisterter Verehrer Adalbert Stifters Ethiker und Ästhetiker, hat er durch tiefes Versenken in das Göttliche im Kleide des Reizes die Klarheit und Reife gefunden, die ihn zu seiner Arbeit befähgten. Wie aufwühlend tief sein R:pgen gewesen sein muß, das offenbaren seine Bilder!

Der Gedanke an Adalbert Stifter tritt, ganz abgesehen davon, daß wir ihn als Gründer der Landesgalerie kennen, oft vor uns, wenn wir die Gemälde betrachten. Der Dichter hat bekanntlich in späteren Jahren Skizzen zu symbolischen Gemälden entworfen, er wollte die „Ruhe“, die „Feierlichkeit“, die „Luft“, die „Bewegung“ darstellen. Er liebte die atmosphärischen Erscheinungen, nach deren wilder Bewegung jene farbenklare Ruhe eintritt, die seine Beschreibungen zum beglückendes Erlebnis macht. Ähnliches tritt uns in Pühringers Gemälden entgegen. Auch er hat die Landschaft ins Geistige, Symbolische erhoben. Während Stifter aber in seinen Erzählungen das Kleine und Kleinste in seine weiten Räume stellt, malt Pühringer nicht den Grashalm der Heide. Er läßt das Kleine in der Gesamtheit des Kosmischen als selbstverständlich vorhanden nur erahnen. Mit tiefem Ernst nachschaffend, das Urbild erfühlend, das Charakteristische aus Chaos und Kampf harmonisch formend, läßt er den gewordenen Zustand des Seienden vor uns treten. Den derart gestalteten Gemälden wohnt eine Kraft des Ausdrucks inne, die uns nahezu den Atem nimmt und nach längerem Einfühlen nicht mehr losläßt.

Pühringer hat neuartige Einzelbilder geschaffen, die jeweils einen Begriff ergeben sollen; mit dem Namen dieser Begriffe benennt er seine Gemälde. Der inneren Monumentalität entsprechen ungewöhnliche äußere Ausmaße (bis zu 140 bis 180 cm). Bisher hat der Meister nur einen Teil des von ihm geplanten Zyklus ausgetführt. In seiner Vollendung sollen die Gemälde dem rhythmischen Kreislauf des Jahres entsprechen. Heute schon sind der Frühling durch die Bilder „Bach“ und „Lärchenwald“, der Sommer durch die Bilder „Berg“, „Land“ und „Regenbogen“, der Herbst durch den „Strom“, den „Wald“ und den „See“ vertreten. Zusammengefaßt sollen die Gemälde den Gesamtbegriff der oberösterreichischen Landschaft ergeben, losgelöst von allem Kleinlichen und Alltäglichen. Da Zeitloses dargestellt wird, hat der Mensch auf diesen Bildern keinen Platz, wir bemerken nur ab und zu, daß er da ist und die äußere Formgestaltung der Landschaften beeinflußt hat, etwa an einem bearbeiteten Acker, an Garbenbündeln, Zäunen oder Stegen.

Sehr schwierig ist die Frage zu beantworten, wie der Maler seine eindrucksvollen Wirkungen erzielt, wie er insbesondere das Gefühl in uns hervorruft, die Schöpfungsgeschichte mitzuerleben. Zunächst stehen wir ja fassungslos . vor einem Rätsel, denn wir fühlen den dramatischen Kampf der Elemente, die dämonischen Kräfte der Dunkelheit, die nun vom siegreichen Lichte überwunden wurden, wir sehen die beglänzte Ruhe und Ordnung, die sich feierlich gesetzmäßig ergeben hat. Wir suchen ähnliche Wirkungen suggestiver Art in der Kunst überhaupt und können sie etwa im Reiche der Töne Beethovens und Bruckners finden. Pühringer bringt bedeutend mehr als den Rundblick des Naturbeobachtenden in die begrenzte Bildfläche. Er verdichtet die realistisch-symbolisch erfaßten und im Erinnerungsvermögen bewahrten Naturerlebnisse, Erkenntnisse und Ausschnitte dadurch, daß er sie zusammenfügt, ohne daß der Beschauer diese Komposition bemerkt. Der Maler hat die Entwicklungsgeschichte derart eindringlich in sich aufgenommen und in den Bildern aus- gedrückt, daß sich dieser Inhalt suggestiv dem Beschauer mitteilt. Die unerhörte Tiefenwirkung erzielt Pühringer dadurch, daß er seine Überblicke vom erhöhten Standpunkt aus gibt und den Vordergrund stark betont. In seinen Landschaftsraum führen außerdem oft dynamisch bewegte Linien, wie Wege, Alleen oder Furchen und auch die Schatten, die von der Sonne im Gegenlicht geworfen werden. Manchmal setzt er diesen Schatten noch energische Farbtöne auf. Uber seinen Landschaften wölbt sich meist ein weiter Himmel. Oft ist er von Wolkenstimmungen belebt, die den Eindruck des Kosmischen und Gewordenseins erhöhen, so wenn Wolkenfetzen die vorhergegangenen Stürme erkennen lassen oder wenn eine rosenfarbige Wolke einen Hauch vom verlorenen Paradies zu bringen scheint.

In seiner Farbentechnik verwendet Pühringer keine Mischfarben, sondern nur die reinen ungebrochenen Töne, nie Schwarz, nie ein dunkles Grau. Er nuanciert durch Nebeneinanderstellen und Lasieren. Seine reine, aus der geistigen Durchdringung der Natur entstandene Form kann nicht die Einordnung unter die Naturalisten und Impressionisten, geschweige denn in neuere radikale Richtungen finden.

Jedes der Einzelbilder weist eine vollkommen harmonische Geschlossenheit auf. Jedes hinterläßt den tiefen, bleibenden Eindruck von Visionen der Landschaft unserer Heimat.

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