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Im oberen Ausstellungsraum der Galerie Nebehay werden derzeit 114 Lithos von Honore Daumier aus der Folge „Robert Macaire“ unter dem Titel „Schwindler und Beschwindelte“ ausgestellt, die in der Zeit von 1836—1838 entstanden sind. Wenn diese Serie in ihrer Gesamtheit auch nicht zum Besten des Werkes von Daumier gehört, der als Maler in der Münchner Ausstellung der „Französischen Malerei des 19. Jahrhunderts“ so großartig vertreten war, so ist sie doch in ihrer künstlerischen Prägnanz in der hier ein Typus der frühkapitalistischen Welt — und nicht nur dieser — zum Leben erweckt wird, eindrucksvoll und faszinierend, am stärksten jedoch in den farbigen Blättern. Macaire, der Gauner, und sein Faktotum und Mitspieler Bertrand, die Stellung, Kleider und Rollen wie Chamä-leone wechseln, sind so sehr Teil der menschlichen Gesellschaft, verkörpern so sehr die brutale Schlauheit des gewissenlosen Schwindlers, daß sie aus den Romanen von Balzac stammen könnten. Die Größe Daumiers liegt darin, daß er anders als George Grosz die ganze Erbärmlichkeit dieser Gestalten festhielt, daß sein Stift nicht von Haß, sondern von einer Verachtung gelenkt wurde, die nicht einer bestimmten Spezies Mensch, sondern einer Art „Mensch“ zu sein galt. Indem er sie nicht als Fratze schildert, sondern noch durchaus „menschlich“, zwingt er uns, den Robert Macaire — den er decouvriert — in uns zu erkennen: die verringerte Distanz trägt zur Katharsis bei.

Ebenfalls in der Galerie Nebehay — im unteren Ausstellungsraum — hat Arnulf Neuwirth 38 Aquarelle und Collagen unter dem Titel „Freuden des Landlebens“ vereinigt. Sie umfassen von der behutsam vorgetragenen Assoziation, den literarischen Anspielungen in den Collagen, bis zur „naiv“ lyrischen Darstellung, einem atmosphärisch bukolischen und gegenständlichen „Tachis-mus“ in den Aquarellen, in seltener Geschlossenheit die ganze Ausdrucksbreite dieses so genau profilierten Malers. Ihre engagierte Romantik gilt mehr einer subjektiven Form der Welt als der Welt der

In der Zentralbuchhandlung kann man nun eine Ausstellung von Bildern Roman Hallers sehen, der, zum Kreis der „Wiener Schule“ gehörig, in Ausstellungen zu Unrecht eher im Hintergrund stand. Seine Herkunft aus dem genannten Kreis zwischen Rudolf Hausner und Wolfgang Hutter ist natürlich unverkennbar, und doch besticht bei ihm eine weniger bengalische Farbgebung, eine saubere, fast technische Zeichnung, ein spezifischer Lyrismus, der aus vegetativen und tech-noiden Formen die an die „Neue Sachlichkeit“ erinnern, beachtliche Gefühlswerte gewinnt. Bemerkenswert wirkt bei ihm auch die Organisation und Komposition der Bildfläche, die imaginierte Pseudoräumlichkeit, mit der er — in den letzten Bildern immer mehr sich verflachend — seine suggestiven Wirkungen erzielt. Mit dieser Ausstellung hat sich Roman Haller auf eine sympathische Art in die erste Reihe der „Wiener Schule“ gestellt.

Die Bilder von Alandia Panloja aus Bolivien, die in der Wiener Sezession im Oberstock ausgestellt werden, stammen eindeutig aus dem Heimatstil des südamerikanischen Kontinents der von Orozco, Rivera und Siqueiros geschaffen wurde. Das unbestreitbare Ethos wird hier ebenso wie bei den Obengenannten mit einer zu summarischen Zeichnung, zu süßer und zweifelhafter Farbigkeit vorgetragen. Die erkennbare Plastizität läßt auf eine eher bildhauerische Begabung schließen.

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