6573160-1950_30_04.jpg
Digital In Arbeit

Erhellter Himmel über Spanien

Werbung
Werbung
Werbung

Madrid, Anfang Juli Wenn die Madrider das Pferdegetrappel einer Reiterschwadron auf der Avenida del Generalisimo hören, dann wissen sie, daß wieder ein Gesandter in Madrid seinen Einzug hält. Die diplomatischen Missionschefs, die 1946 in Madrid einen diskriminierten Militärdiktator verließen, überreichen ihre Akkreditierungsschreiben nun dem selbstsicheren Regenten eines Königreiches, der sie mit der Würde eines Königs im Thronsaal seines Palastes empfängt...

Den Madridern ist es ein Vergnügen, die mittelalterliche Reiterkavalkade der „Guardia mora“ in ihren Burnussen mit der Helmspitze, die aus dem Turban hervorblitzf, und den lustig flatternden Lanzenfähnlein, über die „Cibeles“ tänzeln und in die Hauptstraßen der Innenstadt einbiegen, zu sehen, die blitzblanken Luxuslimousinen eines der Diplomaten begleitend, die ihre Posten an der Spitze der Gesandtsrhaften ihrer Länder nach und nach wieder einnehmen. Durch die einladend geöffneten Tore des Palacio de Oriente zieht die Kavalkade ein und hält vor dem Hauptportal des Schlosses. Zinnoberrot livrierte, gold- und silberbetreßte Lakaien mit geflochtenen Schulterschnüren und bebuschten Dreispitzen öffnen die Wagenschläge. Der Herr Gesandte steigt aus, in goldbesticktem Diplomatenfrack und mit breiten goldenen Lampassen, den kunstvoll gearbeiteten Knauf des Diplomatendegens in der einen Hand, in der andern nervös den Zweispitz pressend. Er wirft einen erstaunten Blick auf das Gewimmel roter, blauer und weißer Livreen und Uniformen, Zweispitze und Dreispitze — rechts und links des Eingangsportals erblickt er die kaffeebraunen Gesichter zweier lanzenbewehrter Herkulesse aus Afrika —, so viel Pracht ist der Herr Gesandte nicht einmal in seinem südamerikanischen Heimatstaat gewöhnt, wo ein vielleicht nicht weniger prunkliebender kleiner Diktator herrscht. Wie ein König der alten absolutistischen Epoche läßt Franco die ausländischen Gesandten und Minister aus ihren Botschaften oder Hotels abholen und vor sich geleiten. In der Uniform eines Generaladmirals — Horthys Beispiel mag hier gewirkt haben, nur mit dem Unterschied, daß die alte österreichisch - ungarische Admiralsuni-form unmöglich so phantastisch war wie diese, die Francos Kleiderkünstler entworfen haben —, so steht er im Thronsaal vor dem Thronsessel, umgeben von seinem Gefolge, Außenminister Artajo, dem Chef des Protokolls, dem Chef der Casa Militär und der Casa Civil, Vertretern des Kronrates, darunter, irgendwo diskret im Hintergrund, das lächelnde Gesicht eines Prälaten vom Hofe. Der ausländische Minister nähert sich etwas benommen dem Thron, um den protokollarischen Händedruck Francos zu erhalten ... Manch einer der Herren, der einst vielleicht bei Königin Wilhelmine oder König Gustav von Sdiweden seinen Antrittsbesuch abstattete, kann sich an solches Zeremoniell nidit erinnern. Nur die Könige aus dem Morgenland, wie Ibn Saud oder Abdullah, mögen ein ähnlich kompliziertes Formengepränge beim Antrittsbesuch ausländischer Gesandter beobachten lassen wie Franco.

Die Madrider und die Spanier der Provinzen, die zuweilen soloh ein Schauspiel in einer Wochenschau erlebeh, sind nun recht gespannt darauf, wie sich der protokollarische Empfang der schließlich auch bald erwarteten Gesandten und Botschafter aus demokratischen Staaten abspielen wird. Wird Franco das Zeremoniell, mit dem er zweifellos auf die Vertreter gewisser südamerikanischer, afrikanischer und asiatischer Staaten Eindruck macht, ihrer nüchternen Mentalität anpassen? Wie zum Beispiel wird einmal der Botschafter der USA empfangen werden oder der Gesandte einer deutschen Bundesrepublik? Bis es so weit kommt, wird freilich noch viel Wasser den Manzanares hinabfließen.

Die politischen Früchte dieser vielseitigen Kleinarbeit werden nicht auf sich warten lassen. Der peruanische Delegierte bei der UNO, Victor Andres Be-laünde, erklärte Anfang Mai bei seiner Ankunft in New York, daß Peru, Brasilien, Kolumbien, Bolivien und vielleicht nooh weitere Staaten die Initiative ergreifen würden, .damit dem Boykott Spaniens durch die Vereinten Nationen ein fflr allemal ein Ende bereitet werde“. Und bei einer Pressekonferenz in Barcelona vor einem Monat erklärte Mr. Culbertson, der nordamerikanische Geschäftsträger in Madrid, ohne Umschweife, daß die Vereinigten Staaten in der nächsten Vollversammlung der UN Spanien unterstützen würden, .wenn irgendein Staat den Widerruf der .Empfehlungen von 1946' beantragen sollte. Wenn Tage zuvor ein Direktionsmitglied eines großen New-Yorker Blattes ebenfalls in Barcelona einem Vertreter der spanischen Agentur „Logos“ voraussagte, daß die USA innerhalb eines Jahres ihren Botschaft er-posten in Madrid wieder besetzt haben würden, so ist anzunehmen, daß das nicht nur gesagt wurde, um etwa die gemütliche Stimmung einer Cocktail-Party in der Hotelbar nicht zu trüben. Für den amerikanischen Admiral Chester Nimitz bestand jedenfalls die Notwendigkeit einer solchen Rücksichtnahme nicht, als er in einer Rede bei der Eröffnung der Internationalen Messe von San Franzisko die Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen zu Spanien als dringend erforderlich bezeichnete.

Gegenüber dieser offensichtlich für Spanien günstigen Haltung Nordamerikas bleibt die Haltung Großbritanniens und Frankreichs immer noch mehr als fraglich. Die Stimme Cecil Roberts im „Daily Telegraph ist eine in Großbritannien nooh vereinzelte, und die Normalisierung der Beziehungen Frankreichs zu Spanien ist bisher nur von einer „ungenannten Persönlichkeit im Verteidigungsrat“ allerdings für die nächste Zukunft vorausgesagt worden, da Spanien eine wichtige Rolle für die Sicherheit der westlichen Welt spiele. Für den französischen Strategen wie zweifellos für jeden Franzosen, der sich um die Sicherheit seines Landes Gedanken macht, muß die Vorstellung eines Hohlraumes in seinem Rücken bei den heutigen kritischen Zeiten nicht zu den angenehmsten gehören, und wenn solch ein Franzose etwa die Nummer der .United Nations World“ in die Hand bekommt, in welcher der deutsche ehemalige Ge-neralstabsoberst Kurt. Konrad, nach deutscher Art die Dinge rücksichtslos beim Namen nennend, versichert, daß ein russischer Vormarsch nur an den Pyrenäen zum Halten gebracht werden könnte, dann muß er sich zumindest wünschen, einmal jenseits der Pyrenäen — hoffentlich kommt es nie so weltl — ein Reduit vorzufinden, wo man ihn als Freund aufnimmt. Auch Mr. Bernhard Hardion, der französische Bevollmächtigte in Madrid, hielt es dieser Tage für an der Zeit, zu bedeuten, daß die Entwicklung der französich-spanischen Beziehungen einen .befriedigenden Verlauf“ nähmen und daß man die Entscheidung der UN abwarte, um die Abberufung des Gesandten wieder rüdegängig machen zu können.

Die spanische Presse ihrerseits zeigt sich zuversichtlich hinsichtlich des Resultats einer künftigen Abstimmung über Spanien in der UN. Sie erinnert daran, daß am 12. Dezember 1946 34 Nationen sich für die Abberufung der Gesandten aus Madrid ausgesprochen hatten gegenüber sechs, die dagegen waren, und 14 Stimmenenthaltungen. Im Mai des vergangenen Jahres hingegen stimmten nur noch 45 Prozent der 59 Mitgliedsstaaten zugunsten der Vereinbarung, 25 Prozent aber dagegen, während 27 Prozent sich der Stimme enthielten. Das Blatt Arriba kalkuliert, daß im kommenden September zwölf Nationen gegen und dreißig für Spanien stimmen könnten. Zu den Staaten, die seit der Maiabstimmung des Jahres 1949 ihre Einstellung zu Spanien revidiert haben dürften, rechnet „Arriba“ die Vereinigten Staaten, Australien, Neuseeland, Panama, Israel, Kostarika, Chile und Haiti. Mancher Politiker mag es noch für verfrüht halten, wenn in der nächsten Hauptversammlung der Vereinten Nationen in der spanischen Frage ein neuer Weg eingeschlagen würde. Trotzdem rät ein offiziöses Madrider Blatt den Spaniern, „auf Überraschungen gefaßt zu sein“.

übersieht man als leidenschaftsloser Beobachter die unermüdlichen Anstrengungen Spaniens um die Eroberung der Weltmeinung, so ist man wohl geneigt, diesem Lande Erfolg zu wünschen. Schließlich ist es immer das Volk, das die gesalzensten Rechnungen für die Irrtümer seiner politischen Führer bezahlen muß. Wenn die spanische Regierung mit. Fran an der Spitze aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und nun einen neuen Weg einzuschlagen bereit ist, dann kann man sich, um des spanischen Volkes und um Europa willen, nur freuen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung