6654561-1959_21_15.jpg
Digital In Arbeit

Erneuerung aus dem großen Vorbild

Werbung
Werbung
Werbung

Das „Steirische Gedenkjahr“ zum hundertsten Todestag des Erzherzogs Johann Baptist von Oesterreich hat erst begonnen, und schon kann man von einem großen Erfolg sprechen. Wohlgemerkt: ein Erfolg nicht im billigen Managersinn von Profit oder Sensation, sondern genau in jener Richtung, in die der Initiator dieses Gedenkens, Univ.-Professor Dr. Koren, Landesrat und Volkskundler, dessen Strahlkraft gerichtet sehen wollte — als Anfang einer Reinigung und Erneuerung des ganzen Landes, einer Art seelischen Mobilisierung aller Kräfte zu echtem Tun in der Tradition des guten Geistes der Steiermark. Was Professor Koren hier schuf in joanne- ischem Geist, das wird ohne Zweifel Früchte tragen und weiterwirken. Eine Stimmung gehobener Festlichkeit herrscht im Land und seiner Hauptstadt. Es ist, als ob in der wirtschaftswunderlichen Erfolgsjagd und der Langeweile der Luxusverwahrlosung ein frischer ursprünglicher Ton erklungen wäre, den die vielen Hastenden hörten und dankbar aufnahmen. Sicherlich ist deshalb noch keine grundlegende Erneuerung unserer Lebensform zu erwarten, aber ein winziger Schritt zumindest ist getan. Und das ist viel.

Von den zahlreichen Veranstaltungen der Eröff- nüngswoche möge hier nur kurz der Ausstellungen gedacht werden, die das Leben und Wirken des steirischen Prinzen und dessen Spiegelung in der Kunst zeigen. Im Joanneum ist eine einzigartige Gedächtnisschau entstanden, die in mehr als tausend Stücken aller Art — angefangen von Dokumenten und Bildern bis zu Waffen und Geräten — ein vollständiges Bild von der Persönlichkeit und dem stets auf das Gemeinwohl gerichteten Lebenswerk des Gefeierten vermittelt. Das Bild eines Menschen wurde hier aus vielen kleinsten Splittern rekonstruiert, eines Menschen„ der das sanfte Gesetz nicht esoterisch lebte, sondern weitergab zum Wohle aller, der kein bloßer Organisator, kein Manager, kein Betriebsamer war, sondern ein Tätiger, der aus seiner Gemütskraft andere zu neuem Leben zu wecken vermochte. Der Gang durch die Ausstellung zeigt die Herkunft und Erziehung des Erzherzogs, die Welt der Postmeisterstochter Anna Plochl und vor allem das Vielerlei der Tätigkeiten Johanns — eine Vielzahl, die hier nur angedeutet werden kann: die Musterbetriebe, die Förderung des Bergbaues, der Industrie und des Gewerbes, das soziale Wirken. Das Zentrum der Ausstellung ist eine Huldigung des Joanneums selbst an seinen Gründer: um das Porträt des Erzherzogs gruppieren sich die kostbarsten Schätze der verschiedenen Abteilungen, darunter die älteste deutsche Kaiserurkunde.

Zu dieser universalen Lebens- und Wirkensschau gibt die Neue Galerie im Palais Herberstein eine mit Geschmack und hoher Kultur zusammengestellte Ergänzung nach der künstlerischen Seite hin. In einer noch nie gezeigten Geschlossenheit präsentiert sich das Werk der „K a m m e r m a 1 e r um Erzherzog Johann“ und legt Zeugnis ab 'für den „geistigen Umkreis und die Art der Welt- und Menschenbetrachtung“ des Mäzens. Der Großteil der Leihgaben stammt aus dem Besitz der Grafen Meran. „Ein Portefeuille, dessen gesammelter Reichtum und Herrlichkeit kein anderes auch noch so mächtiges Reich überbieten wird“, schrieb 1821 Freiherr von Hormayr. Doktor Koschatzky hat mit seinen Helfern eine nicht nur höchst reizvolle Ausstellung geschaffen, sondern auch eine sehr instruktive Uebersicht- lichkeit bei dieser geistesgeschichtlichen Analyse des Auftraggebers erreicht. Es ergab sich die interessante Tatsache, daß alle die Ruß, Gauermann, Ender, Petter, Schnorr und Krafft, die in ihrem ursprünglichen Klassizismus oder Nazarenerstil gemalt hatten, durch den Einfluß ihres Mäzens zu realistischen Bildnern der Dinge und Ereignisse geworden waren, die der Erzherzog der Aufzeichnung würdig befunden hatte. Es ist ein riesiger Bildbericht von Leben, Taten, Liebe, Familie, Heimat und Freunden des Prinzen Johann, in dessen Mittelpunkt mit Recht Matthäus Loder, die bedeutendste Persönlichkeit dieses Malerkreises, gestellt wurde. Das Palais Herberstein-hat sich zu diesem Anlaß ins allerschönste Kleid geworfen: in jahrelanger Restaurierungsarbeit wurden die ehemaligen Repräsentationsräume in ihrer barocken Schönheit wiederhergestellt und sind damit zu einer neuen Sehenswürdigkeit von Graz geworden.

Neben dieser Rück- und Gedenkschau zeigen im Ecksaal des Joanneum zwei der hoffnungsvollsten jungen Maler ihre Werke. Der Surrealist Franz Rogier gibt sich nunmehr in seinen sehr musikalischen Kompositionen weniger extrem als bisher und beweist seine Begabung in Bildern von großer Klarheit und schöpferischem Formensinn. Mario Decleva, der jüngere von beiden, bietet eine knappe Ueberschau seines künstlerischen Weges: von den vegetabilen Formungen der früheren Jahre über geometrische Abstraktionen und die intensive Beschäftigung mit Glasfensterentwürfen zu den „barocken“ Kompositionen seines derzeitigen künstlerischen Standorts, die wie ein farbenfroher Abglanz eines barocken Freskohimmels wirken.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung