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Eröffnung mit Mahler und Strauss

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Am vergangenen Samstagabend wurden vor dem Wiener Rathaus in Anwesenheit von rund ' 30.000 Wienern und auswärtigen Gästen die heurigen Festwochen eröffnet. Die Ansprachen hielten Vizebürgermeister Hans Mandl, Bürgermeister Franz Jonas, der neue Bundesminister für Unterricht Dr. Piffl-Percevic lind, stellvertretend für den auf Staatsbesuch In Dänemark weilenden Bundespräsidenten, Bundeskanzler Dr. Josef Klaus. Die Darbietungen der Wiener Symphoniker und des Staatsopernballetts bildeten den künstlerischen Rahmen. — Dem Motto der heurigen Festwochen und ihrem Programm wird die nächste Sonderbeilage der „Furche“ mit Beiträgen des Unterrichtsministers, des amtsführenden Stadtrates für Kultur, des Fest-

Wochenintendanten und des Präsidenten der Gesellschaft der Musikfreunde gewidmet sein.

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Mit Gustav Mahlers monumentaler zweiteiliger „Achter“ begann dann, am Sonntagvormittag, im Großen Musikvereinssaal die vielversprechende Reihe der Festwoohenkon/.erte. Joseph - Krips -lenkte den aus den Wiener SympM)kil(eAt,t>l3eTfi Singverein, der Singakademie, den Sängerknaben und einem achtköpfigen Solistenensemble bestehenden Riesenapparat. Aber er beherrschte nicht nur die Massen, sondern auch die Partitur, die mit aller wünschenswerten Akkuratesse — was Tempi, Ausdruck, Nuancen und technische Details betrifft — wiedergegeben wurde. Nach dem gewaltigen Pfingst-hymnus (1. Teil), der von den Chören vorgetragen wird, traten in der Schlußszene von Goethes ..Faust“, 2. Teil, dann die Solisten glanzvoll hervor: ein ebenso kostbares wie homogenes Ensemble (Gerda Scheyrer, Margret Tynes, Maureen Forrester, Louise Parker, Donald Grobe, Her-

mann Frey und Franz Crass). Langanhaltender, stürmischer Beifall für alle Ausführenden.

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Es war eine glückliche Idee der Wiener Festwochen-Intendanz, zur Richard-Strauss-Ehrung gerade die „Daphne“, dieses aparte und wenig bekannte Werk aus der Reihe der mythologischen Opern des Meisters auszuwählen. Wir hörten die im Oktober 1938 in Dresden uraufgeführte „Daphne“ in Wien zuletzt im November 1950, und zwar im gleichen Haus, wo sie jetzt durch Rudolf Hartmann neu inszeniert wurde: im Theater an der Wienl Regisseur und Bühnenbildner haben sich recht genau an die Wünsche und Vorstellungen des Komponisten gehalten, wie sie sich in zahlreichen Äußerungen und Briefen von Richard Strauss spiegeln. Josef Gregor als Textautor und Richard Strauss wollten eine zeitlose Antike mit psychologischem Tiefengrund. Was die Ausstattung betrifft, so schrieb der Komponist: „Ich bin unbedingt für Phantasiekostüme, meinetwegen aus allen Jahrhunderten, an Griechisches anlehnend ... Für Daphne Botticelli, das übrige Rubens. Theater und kein archäologischer Vortrag!“ Die Kostüme und auch die Hauptdarsteller schienen glücklicherweise mehr aus der Welt des er-6teren zu kommen. Vor allem Hilde Gilden in der Titelrolle sah nicht nur bezaubernd aus, sondern bot auch eine ihrer größten, wenn nicht die allerbeste ihrer Leistungen und spielte und sang eine Daphne, wie man sie sich vollkommener nicht vorstellen kann. Ihrer Stimme fehlte es weder an Kraft noch an Ausdruck, dem Spiel nicht an Differenziertheit und Dramatik. Auch das gesamte übrige Ensemble hatte erstklassiges Festwochenformat: Vera Little als Gaea, Paul Schöffler — Peneios, Fritz Wunderlich — Leu-kippos und James King — Apollo.

Geheimnisvoll und naturmagisch wie die Sage ist auch die Musik, die Richard Strauss 1937 unter südlichem Himmel, in Taormina, vollendet hat. (Leider geriet der Regie die Verwandlung der Daphne in einen Lorbeer, worauf ja schließlich Sage und Oper hinauslaufen, recht nüchtern und unpoetisch. Hier müßte wirklich gezaubert werden!) Gleich zu Beginn klingt alles ein wenig nach Wagner, aber nach der ersten Szene wird man eines fast völlig neuen Stiles gewahr, der weder das.Rezitativ, die herkömmliche Form

.derJ Arie; noch das drqniiUsche Duett kennt. Das ganze Werk ist ti-füllt von

.einer- strömenden Melodik, einem?Mu*izie-ren und Phantasieren über die Kadenz, mit Modulationen und enharmonischen Verwechslungen. Diese erreichen ihren Höhepunkt etwa in der 50. Minute des eindreiviertel Stunden dauernden Werkes: in der an Kleist erinnernden Liebesszene Apollo—Daphne. Dr. Karl Böhm am Pult, dem übrigens die Partitur gewidmet ist, erwies sich wieder einmal als Meisterinterpret seines verehrten Meisters Strauss. Die Wiener Symphoniker aber qualifizierten sich mit dieser Aufführung als ein erstklassiges Opernorchester.

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