Erschreckende Kraft

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Eine sehenswerte Schau: "Österreichischer Expressionismus - Malerei und Graphik 1905-25".

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Eine sehenswerte Schau: "Österreichischer Expressionismus - Malerei und Graphik 1905-25".

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Der goldene Glanz des Klimt'schen Jugendstils hat die später wirkenden österreichischen Maler in den Schatten gestellt. Natürlich kennt man Schiele und Kokoschka, doch andere Namen aus dem Feld des Expressionismus sind weniger bekannt, einige sind fast völlig in Vergessenheit geraten. Nun zeigt Klagenfurt diese Richtung der Malerei und Grafik in all ihren Ausprägungen. In der Stadtgalerie sind die Gemälde zu sehen, im Stadthaus die grafischen Blätter. Jedem Namen ist ein eigener Teil der Ausstellung gewidmet, die Hängung der Bilder macht Ähnlichkeiten begreifbar und Unterschiede deutlich.

Nicht selbstverständlich, aber wohltuend ins Auge springend, ist die ausgezeichnete Rahmung der Bilder, zum größten Teil noch aus der Entstehungszeit. Dadurch wird der Fehler vermieden, Werke des 20. Jahrhunderts in Gipsrahmen aus dem dritten Barock einzusperren. Leihgeber sind mehrere österreichische Galerien und Privatsammlungen.

In Wien begann nicht nur der Jugendstil, auch der Expressionismus österreichischer Prägung hatte hier seine Wurzel. Schiele ist mit typischen Werken vertreten, mit "Häuserbogen III", "Alter Mühle" und mit Aktzeichnungen, die auch heute noch in ihrer Kraft erschrecken. Hervorzuheben ist das Blatt "Kümmernis" von 1914. Die hockende Frauengestalt verweist auf das im selben Jahr entstandene Ölbild "Blinde Mutter", Hauptwerk des Kubismus in Österreich. Kokoschka ist mit einer Reihe seiner entlarvenden Porträts vertreten, etwa "Alter Herr - Vater Hirsch".

Aus einer Grazer Privatsammlung kommt das "Selbstbildnis vor einem Ofen" von Richard Gerstl. Zu sehen ist auch die Hinterseite dieses Bildes, ein Selbstbildnis, nur eine Skizze, doch sie zeigt einen ganz jungen Mann, der nie fröhlich gewesen war. Die lachende Fast-Grimasse auf seinem letzten Selbstbildnis ist pure Verzweiflung, sonst nichts. Zum Frühexpressionismus gehörten auch Max Oppenheimer, mit "Geißelung" und "Beweinung" ganz anders zu sehen als in bekannten Porträts und Bildern aus dem Wiener Musikleben.

Betrachtet man die Bilder von Albert Paris Gütersloh, kann man nicht umhin sich vorzustellen, was er wohl zum süßen Phantastischen Realismus gesagt hätte, der sich auf ihn als Ahnherrn beruft.

Albin Egger-Lienz gehört zu jenen Künstlern, die vom Nazi-Regime vereinnahmt wurden. Seine kantigen, kraftvollen Bauern wurden als Symbole "germanischer Überwertigkeit" hingestellt. Ein Bild allerdings wurde wohlweislich verschwiegen: "Leichenfeld" aus 1918: Wie Felstrümmer liegen graue Leiber toter Soldaten eng aneinander gepackt, ein malerischer Aufschrei gegen einen sinnlosen Krieg.

Als Todesjahr steht 1942 neben den Namen Fritz Schwarz-Waldegg und Helene von Taussig: Sie wurden im KZ ermordet. Dasselbe Schicksal traf auch die Gattin Carl M. Cammerlohers, er selbst starb bei Kriegsende. Breiten Raum nehmen in der Ausstellung die Vertreter des "Nötscher Kreises" ein, dem seit heuer ein eigenes Museum in ihrem Heimatort gewidmet ist. Die Abstraktion ist bei diesen Künstlern weiter getrieben als beim Frühexpressionismus, aber auch sie verlassen nie den Boden des Inhaltlichen.

Zwei Werke seien hier als Beispiele für die Vielfalt des malerischen Stils herausgehoben: "Landschaft bei Mondello" von Jean Egger, ein lichtes, farbenfreudiges, sonnendurchflutetes Werk, im Gegensatz zu "Stilleben mit toter Krähe" von Herbert Boeckl: schwarze Farbe, dick mit dem Spachtel aufgetragen, umgeben von drei Blumen in müden Farben, beklemmender Ausdruck von Vergänglichkeit.

Anton Kolig treibt die Abstraktion sehr weit. Aber er malte auch zwei "Gailtaler Bäuerinnen" in minutiös ausgeführter Trachtenkleidung.

Maler aus Tirol und Vorarlberg sind ebenfalls zu einer Gruppe zusammengefaßt. Rudolf Wacker malte starre, farbenfreudige Puppen und Kasperl, zeichnete afrikanische Figuren, ebenso starr, ebenso angstverbergend. "Stadt im Tauschnee" von Alfons Walde erscheint wie eine Paraphrase auf Schieles Städtebilder. Sein "weiblicher Akt" malt das einfallende Licht, ist aber formal weniger geglückt.

Noch viele Maler sind in der Ausstellung vertreten, etwa Faistauer, Clementschitsch und Thöny, dessen Bilder in Graz deponiert und daher so gut wie nie zu sehen sind.

Bis 10. Jänner 1999.

Malerei in der Stadtgalerie, Theatergasse 4, Grafik im Stadthaus, Theaterplatz 3, Klagenfurt, täglich geöffnet.

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