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Sehenswert: Die Sammlung Essl zeigt eine große Valie Export-Retrospektive.

Sie ist eine Pionierin der Medienkunst, die seit drei Jahrzehnten neue Wege im Umgang mit Fotografie, Video, Film, Text und Performance zeigt. Subtil hinterfragt Valie Export den Einfluss der elektronischen Medien auf die Gesellschaft - auch das Verhältnis von Abbild, Bild und Sprache. Zugleich gilt Export für viele junge Künstlerinnen und Theoretikerinnen durch das Ansprechen feministischer und gesellschaftspolitisch relevanter Themen als Vorbild schlechthin. Sogar in Lettland gibt es eine Gruppe von Kunst- und Kunstgeschichtestudentinnen, die in einem "Valie Export Fan Club" Aktionen der Künstlerin wiederholen. Um nachhaltig in die Kunstgeschichte einzugehen, müssen Künstler inhaltlich und formal neue Sichtweisen auf die Wirklichkeit einbringen. Bei Valie Export ist dies in einer seltenen Ausprägung der Fall.

Provokation und Aggression

Berühmt-berüchtigt wurde die 1940 in Linz als Waltraud Lehner geborene Künstlerin zunächst in den späten 1960er und 70er Jahren durch mittlerweile legendäre öffentliche Aktionen. Provokation und Aggression wurden dabei bewusst eingesetzt - um den traditionell männlich besetzten Stadtraum zu erobern und gleichzeitig auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen. "Ich wählte diesen Ansatz, weil ich die Seh- und Denkweisen der Leute zu verändern versuchte", erzählt die Künstlerin rückblickend. 1968 spazierte sie mit dem auf vier Beinen kriechenden Peter Weibel an der Leine durch die Wiener Innenstadt ("Aus der Mappe der Hundigkeit"). In der Performance "Tapp- und Tastkino" erklärte sie ihren Körper zur lebendigen Kino-Leinwand. Durch eine vor den Oberkörper geschnallte Schachtel, der den Kinosaal symbolisieren sollte, konnte jeder Passant ihre Brüste angreifen. Export spielte dabei auf den voyeuristischen Umgang mit dem weiblichen Körper an, zugleich erfand sie eine neue Kunstform - das "Expanded Cinema" (erweitertes Kino).

Den in Versalien geschriebenen Namen valie export legte sie sich 1967 als Pseudonym und Logo zu, da sie weder den Namen ihres Vaters noch den ihres Mannes tragen wollte. Zugleich kreierte sie ein Objekt, das zu ihrem Markenzeichen wurde. Auf einer damals besonders bei Männern beliebten Zigarettenpackung "Smart Export" ersetzte sie "Smart" durch "Valie" und klebte ihr Porträt in die Mitte.

In Österreich verkannt

"Export" steht für das Nachaußentragen ihrer Gedanken und Gefühle - auch für Grenzüberschreitung. Grenzen hat Export in mehrfacher Hinsicht überschritten. Allerdings hat man die Komplexität und Bedeutung ihres Werks hierzulande erst mit einiger Verspätung erkannt. Hans Hollein hat Spürsinn bewiesen, als er Valie Export 1980 gemeinsam mit Maria Lassnig auf die Biennale in Venedig schickte. Obwohl ihr seit damals der internationale Durchbruch gelang, hat sie sich in Österreich zweimal vergeblich um eine Professur beworben. Seit 1995 lehrt sie an der Frankfurter Kunsthochschule für Medien.

Zur Zeit zeigt die Sammlung Essl eine Ausstellung mit 120 Arbeiten, die zuvor in Paris, Sevilla, Genf und London zu sehen war. Die Präsentation, die in Kooperation mit dem Pariser Centre national de la Photographie entstand, gibt einen Überblick über Exports 35-jähriges Schaffen und zugleich einen Einblick in die Vielschichtigkeit ihres Werks.

Hat man 1997 die große Retrospektive im 20-er Haus gesehen, so kennt man mit Ausnahme der erstmals gezeigten "Kinderzeichnungen" und den neuen VideoInstallationen wie "Die Macht der Sprache" (2002) die meisten Exponate. Dies ändert aber nichts daran, dass sich ein Rundgang durch die Ausstellung mehr als lohnt.

Den Auftakt bildet die in Österreich in dieser Form noch nie gezeigte Installation "Die un-endliche/-ähnliche Melodie der Stränge" aus dem Jahr 1998. Auf 25 Monitoren wird durch das Klappern von Nähmaschinen die Atmosphäre einer Fabrikhalle simuliert. Neben der Thematisierung der zunehmenden Medialisierung (von der realen elektrischen Nähmaschine zur virtuellen Nähmaschine auf dem Bildschirm) weist Export mit dieser Arbeit auf die Ausbeutung von Frauen im Industriezeitalter hin.

Körperkunst und Theorie

Bekannt, aber nach wie vor beeindruckend sind Exports frühe Fotografien. Hier geht sie geschlechtsspezifischen Identitätsbildern und der Rolle der Frau in einer von Männer dominierten Kunstwelt nach. Ein Schwarzweißfoto zeigt die Künstlerin in selbstbewusst aggressiver Pose, ein hochgezogenes Kleid gibt den Blick auf ein tätowiertes Strumpfband am Oberschenkel frei. Was der Betrachter zu sehen bekommt, ist Exports intimstes Werk, das nur solange am Leben bleibt wie die Künstlerin selbst. Dass solch persönliche Aktionen bei Valie Export stets eingebunden sind in einen größeren theoretischen Zusammenhang, gibt ein handgeschriebener die "Body Sign Action"-Fotos begleitender Text aus dem Jahr 1970 zu verstehen: "Die Tätowierung demonstriert den Zusammenhang zwischen Ritual und Zivilisation. Als Tätowierung erscheint das Strumpfband als Zeichen einer vergangenen Versklavung, als Spur einer vergangenen Kultur, als Erinnerung. Ein soziales Signal ist in ein privates verwandelt worden."

Mit der Schnittstelle zwischen dem menschlichen Körper und seinem architektonischen Umfeld befassen sich die "Körperkonfigurationen" genannten Fotografien (1972-1982 entstanden). In einer Reihe von Schwarzweißfotos sieht man, wie ein Frauenkörper, meist ist es Export selbst, sich an Randsteine, Treppen oder Hausecken schmiegt. Die Serien verdeutlichen, warum Valie Export derzeit international so gefragt ist. Seit über drei Jahrzehnten gelingt es ihr, aktuelle oder elementare Fragen, denen Theoretiker normalerweise ganze Schmöker widmen (in diesem Fall die Beziehung zwischen "Fleisch und Stein" - auch zwischen "Subjekt und Objekt") in einer unverkennbaren Bildsprache zu thematisieren. Genau das hat seit jeher an bildender Kunst fasziniert.

VALIE EXPORT - eine Werkschau

Sammlung Essl, An der Donau - Au 1, 3400 Klosterneuburg,

Bis 10. April Di-So 10-19, Mi bis 21 Uhr www.sammlung-essl.at

Zur Ausstellung ist ein 20-seitiger Leporello auf Deutsch erschien (e 7,-). Außerdem ist der Katalog der Wanderausstellung in Engl./Frz. erhältlich (e 30,-).

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