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Factory am Schnittpunkt

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Walter Grond, Präsident des Forums, will zur ursprünglichen avantgardistischen Intention des traditionsreichen Vereins zurückkehren.

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Walter Grond, Präsident des Forums, will zur ursprünglichen avantgardistischen Intention des traditionsreichen Vereins zurückkehren.

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Ein Flaneur durch die Grünoase der Grazer City stößt, wenn er den Weg entlang des Burggrabens vom Cafe Promenade her nimmt, unvermutet auf ein Stück Architektur aus den frühen sechziger Jahren. Feinst Furore machend, ist es mittlerweile über die nationalen Grenzen hinaus als Haus der Avantgarde im Stadtpark bekannt. Die plakatverhangenen Fenster des eher unscheinbaren, niedrigen Baus vermitteln einen ersten vagen Eindruck von einem interdisziplinär strukturierten Kunstbetrieb, der für viele bereits zur kulturellen Identität der steirischen Hauptstadt gehört.

Der legendäre Verein „F'orum Stadtpark" konstituierte sich im Jahre 1959, als man auf der Suche nach einer neuen Ausstellungsstätte für junge Künstler auf das alte funktionslos gewordene Park-Cafe stieß. Nach vielen Schwierigkeiten und gemeinsamem Vorgehen verschiedenster Interessengruppen konnte endlich die Zustimmung für den Umbau nach flänen des Architekten Werner Hollomey erreicht werden. Im darauffolgenden Jahr erfolgte die Eröffnung der neuen „Produktionsstätte für junge Künstler und Wissenschaftler". Von Anfang an spielte der Autor Alfred Kolleritsch eine besondere Rolle im Forum. Als Herausgeber der nun schon zur Institution gewordenen Zeitschrift „manuskripte" bot er in konsequentem Kampf gegen die re-staurative Kulturpolitik der Nach-kriegsjahre vielen jungen Autoren ein erstes Medium für Veröffentlichungen. Die Skandale und Kulturkämpfe der Frühzeit sind schon fast in Vergessenheit geraten. Das Forum ist in den achtziger Jahren zu einem durch Symposien und Lesungen prosperierenden Verein geworden.

Heute steht es wieder in einer Schwellensituation. Seit 1995 gibt es einen neuen Präsidenten: Walter Grond. Der Autor war früher als Literaturreferent im Forum aktiv. Er steht nun für eine völlige Umgestaltung dieses Kunstzentrums. Vorrangiges Anliegen ist die Rückkehr zur ursprünglichen Intention des Forunis: dem Bestreben, erneut Avantgarde zu werden, und - dem einstigen Selbstverständnis entsprechend - junge Autoren und Künstler zu fördern und zu bilden. Das Zentrum versteht sich als Experimentierlabor für Künstler aller Disziplinen, als „multimediale Factory am Schnittpunkt Westeuropa -Graz - Südosteuropa", als Begeg-nungs- und Aktionsraum für „zeitgenössische und zukunftsorientierte Kunst", wie es im schriftlich festgelegten neuen Leitbild heißt. Die Qualität der Zukunftsorientierung sichert man sich in der Konfrontation der Kunstszene mit den digitalen Medien, im Anschluß an das Internet oder im Aufbau eines Künstlerservers. Das Vorgehen auf ungesichertem Boden im Experiment mit diesen neuen Möglichkeiten läßt das Forum zu einem Ort werden, an dem auch Leerlaufe zugelassen sein müssen.

Inspiriert vom Factory-Gedanken Andy Warhols wird dessen ABSO-LUT-Idee beispielsweise auf ein Literaturmodell übertragen, das die Neudiskussion des Autor-Begriffs an der Schwelle zum 21. Jahrhundert erforderlich macht. Seinen Niederschlag gefunden, hat dieses Experiment in der Veröffentlichung „Grond Absolut Homer". Ein Kollektiv von 22 Schriftstellern hat verschiedene Kontinente bereist und auf den Spuren Homers, des Vaters der europäischen Autorschaft, die Odyssee neu erzählt. Der Text ist im Literaturverlag DrOschl erschienen. Der Verleger Max Droschl kooperiert eng mit dem Forum und betont selbst Risikobe-reitschaft und Offenheit für Neues als Leitlinien für seine Programmgestaltung.

Für die Zukunft hat man im Forum einige Neuerungen und Projekte geplant: Die größte Herausforderung stellt wohl die Gründung einer Kunst-und Literaturakademie dar, deren Modell im Rahmen des „steirischen herbstes" in einem Symposion von namhaften Experten diskutiert werden soll. Im Mittelpunkt des Konzeptes steht die Wiederbelebung des alten Akademiegedankens vom Zusammenwirken aller Disziplinen und dem Bewußtsein der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Künsten. Der Gründungsakt wird im Wintersemester 1997/98 erfolgen. Als neue Akademiezeitung fungiert der „Li-queur", der, einmal bereits herausgekommen, zukünftig vierteljährlich als Beilage im „Standard" erscheinen wird. Er präsentiert sich als Verbindung von Zeitschrift und Kultursponsoring, ein Pilotprojekt, wie Grond meint, das das Medium Zeitung in völlig neuer Form auszuloten versucht.

Im Zuge der Benovierung des Cer-rini-Schlössels am Gtazer Schloßberg soll in Zusammenarbeit mit der Stadt Graz und dem Europäischen Schriftstellerverband das Projekt „Hotel Fu-ropa" starten. Dieser Name verdankt sich dem gleichnamigen Gebäude in Sarajewo, einem geistigen Umschlagplatz für Intellektuelle. Fs wurde im Krieg zerstört und soll nun wieder aufgebaut werden. Graz bietet verfolgten Schriftstellern Asyl und ermöglicht ihnen intellektuellen Austausch und künstlerisches Arbeiten im Zufluchtsort. Mitkoordinator dieses Projektes ist der aus Rosnien stammende ehemalige Grazer Stadtschreiber Dzevad Karahasan.

All dem gegenüber steht das durch budgetäre Knappheit bedingte Unvermögen der Verantwortlichen, den „historischen Humus" des Forums adäquat zu nähren. Nicht nur, daß das im Besitz der Stadt Graz befindliche Haus stark baufällig ist; auch die Bereitstellung einer notwendigen Infrastruktur (Erneuerung der F.DV, F,in-richtung eines Medienverlags, einer Cafeteria, einer Werkstatt et cetera) müsse, wie Grond betont, Hand in Hand gehen mit der Neuordnung des Forums, das zu einer „robusten Organisation" werden möchte: Kunst soll wieder im gesellschaftlichen Diskurs verankert werden und überall dort Fuß fassen, wo ihre Verdrängung in den neunziger Jahren passiert ist.

Die Autorin ist

Germanistin und unterrichtet an einer Fachschule für Sozialberufe.

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