Fake eines Fake eines Fake

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"Die Ausstattung des 'Hope House' ist eine irritierende Mischung aus Altem und Neuem, aus Echtem und Nachgemachtem, sentimentaler Erinnerungsarbeit und scharfer Kapitalismuskritik."

Was das Kunsthaus Bregenz von anderen vergleichbaren Institutionen grundlegend unterscheidet, ist der Mut, sich auf Experimente einzulassen. Aktuell auf das "Hope House", das der britisch-japanische Künstler Simon Fujiwara in den gläsernen Kunsttempel am Bodensee hineingebaut hat.

Auf den ersten Blick kommt Fujiwaras "Hope House" wie eine Rekonstruktion des Anne-Frank-Hauses, einem der Tourismusmagneten Amsterdams daher. Millionen Besucher lassen sich hier jährlich vom tragischen Schicksal des jüdischen Mädchens Anne Frank rühren, das sich am Dachboden eines typischen hohen und schmalen Grachtenhauses während der NS-Zeit gemeinsam mit seiner Familie versteckt und dort sein legendäres Tagebuch geschrieben hat. Auch der 1982 in London geborene, weltweit umtriebige Simon Fujiwara hat das Haus in der Prisengracht 263 besucht und in dessen Shop den vom niederländischen Künstler Wouter Biegelaar gestalteten Bastel-Bausatz erstanden.

Betroffenheit vermarktet

Der Zusammenbau dieses Bausatzes dauert etwa eineinhalb Stunden, seine für das Kunsthaus entwickelte Variante hat Vorarlberger Handwerker dagegen wochenlang auf Trab gehalten. Galt es doch, ein Haus in das Kunsthaus zu bauen, das in seiner Maßstäblichkeit zwar der des echten Anne-Frank-Hauses entspricht, allerdings ganz bewusst auf die formalen Bedingungen eines Bausatzes übertragen. Der Künstler erklärt damit, dass das Anne-Frank-Haus von heute zwar so tut, als wäre es echt, in Wahrheit aber zum größten Teil eine Rekonstruktion ist -mit dem Ziel, in der Erzeugung von Betroffenheit schamlos Gefühle zu vermarkten. Und da das seiner Erfahrung nach am besten in Fantasiewelten gelingt, macht Fujiwara von der Kopie der Kopie in Form des Bastel-Bausatzes nun im Kunsthaus Bregenz wieder eine Kopie. Diese breitet sich, horizontal durchschnitten, über alle drei Obergeschosse aus.

Die Tatsache, dass es sich hier um eine monumentale Kulisse handelt, wird ganz bewusst nicht verschwiegen -geht es dem Künstler doch darum, Fragen nach Authentizität, Wahrheit und Täuschung zu stellen bzw. höchst "tricky" vorzuführen, wie sehr wir uns in der Konfrontation mit tragischen Ereignissen von gestern selbst im Spiegel sehen. Wie raffiniert Simon Fujiwara diesen hohen Anspruch in seinem Bregenzer "Hope House" durchdekliniert, ist eine Reise an den Bodensee wert. Um sich auf das hier Vorgeführte einlassen zu können, brauchen Besucherinnen und Besucher allerdings viel Zeit -und gutes Schuhwerk: Gilt es doch über steile Treppchen und Leitern zu klettern und durch schummrig beleuchtete enge Korridore zu schlüpfen, bevor man vor der Reproduktion jenes Bücherschranks steht, hinter dem sich die Franks ab 1942 versteckt haben.

Irritierendes, heterogenes Puzzle

Die Ausstattung des Bregenzer "Hope House" ist im Gegensatz zum fast leeren Amsterdamer Anne-Frank-Haus eine irritierende Mischung aus Altem und Neuem, aus Echtem und Nachgemachtem, sentimentaler Erinnerungsarbeit und scharfer Kapitalismuskritik. Die Artefakte haben mit den ehemaligen Bewohnern genauso zu tun, wie mit der Suche nach Authentizität in einer zunehmend beschleunigten Welt. Da gibt es etwa die penible Rekonstruktion von Anne Franks mit Fotos beklebter Schlafzimmerwand genauso zu sehen wie Bilder, die Fujiwara mit dem Make-up der deutschen Bundeskanzlerin Merkel gemalt hat.

An eine Wand sind Eintrittskarten des Apartheid Museums von Johannesburg gepinnt, daneben läuft ein Video, in dem sich eine mexikanische Müllsammlerin und ein Berliner Computeranimationsdesigner über ihre Leben unterhalten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. In einer Vitrine liegt ein in einem Souvenirgeschäft am Flughafen von Tel Aviv gekaufter Spielzeug-Panzer zum Anmalen, in einer anderen der Kopf einer japanischen Sexpuppe, in einer dritten eine Maske aus dunkler Schokolade. Unkommentiert zelebriert sich das als irritierend heterogenes Puzzle, das als "Hope House" monumentale Skulptur wird, die jede Menge Fragen aufwirft. Nicht zuletzt beim Blick in den Dachboden, auf dessen Boden Katzenfutter verstreut ist, obwohl ganz klar ist, dass hier niemand wohnt, nicht einmal eine Katze.

Simon Fujiwara Hope House bis 2. April Kunst Haus Bregenz Di -So 10 -18 Uhr Do bis 20 Uhr www.kunsthaus-bregenz.at

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