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Wassily Kandinskys Bildkompositionen im BA-CA Kunstforum in Wien.

Seit Jahrhunderten galten die Malerei und die Musik als verschwisterte Künste, unzählige allegorische Darstellungen zeigen die beiden in inniger Verbundenheit. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts machte sich ein etwas spätberufener Maler auf den Weg, um diese beiden Kunstgattungen in einer völlig neuen Synthese zusammenzuführen. Von Russland aus führte ihn sein Weg nach Deutschland, kurzzeitig wieder zurück und schließlich nach Frankreich. In malerischer Hinsicht verlässt er allerdings die klar umrissenen Trampelpfade, die Formen lösen sich ihm zur reinen Farbe auf. Im Kunstforum kann man anhand exzellenter Bildbeispiele den Weg von Wassily Kandinsky in den entscheidenden Jahren zwischen 1900 und 1921 mit ästhetischem Hochgenuss nachwandern.

Form löst sich in Farbe auf

Kandinsky, 1866 in Moskau geboren, schließt erst sein Studium der Rechtswissenschaften ab, bevor er 1896 nach München übersiedelt, um Malerei zu studieren. Dieser Schritt mag von seiner intensiven Beschäftigung mit russischer Volkskunst vorbereitet gewesen sein, ein entscheidender Anstoß war aber zweifelsohne die Begegnung mit Monets Heuhaufen-Gemälden. Seine ersten eigenständigen malerischen Gehversuche zeigen einen vom Fauvismus, den französischen "Wilden" um Henri Matisse, beeinflussten Künstler, der in den Wasserspiegelungen, die er um 1906 malerisch erforscht, und den grobformigen Landschaftsbildern bereits einen Vorgeschmack auf das Kommende gibt.

Kandinsky ist eine vielschichtige Persönlichkeit, Kosmopolit und trotzdem Russland liebevoll zugeneigt, offen für damals kursierende spirituelle Bewegungen wie die Theosophie oder den russischen Spiritualismus, ständig auf der Suche für zumindest künstlerische Auswege aus den vielen politischen und gesellschaftlichen Miseren, die er erleben muss. Ein Pfad bot ihm dabei auch die Musik, die durch seine Freundschaft mit Arnold Schönberg auch einen besonderen Wien-Bezug erfährt. Angeregt durch ein Konzert mit Musik von Schönberg im Jänner 1911, tritt Kandinsky mit diesem in Briefkontakt. Aus dem gemeinsamen Ringen um neue künstlerische Ausdrucksformen entsteht eine lang anhaltende Freundschaft, in der Ausstellung durch die Schönberg gewidmeten Holzschnitte dokumentiert.

Neben der wichtigen Verbindung zu Spiritualität und Musik berichtet Kandinsky aber von einer Alltagserfahrung, die ihn zum endgültigen Schritt zur Abstraktion motivierte. Als er abends vom Malen ins Atelier zurückkehrt, nimmt er ein an die Wand gelehntes Gemälde im Spätlicht als ein "unbeschreiblich schönes, von einem inneren Glühen durchtränktes Bild" wahr. Seine Versuche am nächsten Tag, diesen Eindruck malerisch umzusetzen scheitern zwar, trotzdem führt ihn das Erlebnis zu einer tragenden Einsicht: "Ich wusste jetzt genau, dass der Gegenstand meinen Bildern schadet." Fortan wird er die Auflösung des Gegenstandes zur zentralen formalen Aufgabe erheben.

Man kann den Kuratorinnen nur gratulieren, dass neben vielen erstmals hierzulande gezeigten Arbeiten auch das große Werk - mit seinen zwei mal drei Metern auch wörtlich zu verstehen -, die Komposition VII von 1913 als zentraler Angelpunkt der gesamten Schau zu bewundern ist. Kandinsky trennt nun klar zwischen den autonomen Bereichen der Natur und der Kunst, die je eigenen Gesetzen folgen.

Gegenstand schadet

In unzähligen Vorarbeiten legt er die große Diagonale von links unten nach rechts oben fest, kleinteilig und zersplittert treten Formen aus einem metaphorisch unklaren Bildraum hervor. Ob man in der Interpretation eher zu einem gigantischen Rätsel, in dem Geheimes durch Geheimes mitgeteilt wird, neigt, oder ob man eine Kombination aus Auferstehung, Jüngstem Gericht, Sintflut und Garten der Liebe sehen möchte, überlässt Kandinsky wohl den Betrachtern. Ihm schien es wichtig, eine neue Welt zu schaffen, wenn er schreibt: "Das Malen ist ein donnernder Zusammenstoß verschiedener Welten, die in und aus dem Kampfe miteinander die neue Welt zu schaffen bestimmt sind, die das Werk heißt. Jedes Werk entsteht technisch so, wie der Kosmos entstand - durch Katastrophen, die aus dem chaotischen Gebrüll der Instrumente zum Schluss eine Symphonie bilden. Werkschöpfung ist Weltschöpfung." Gegensätze und Widersprüche machen seine Harmonie aus. Schließlich ist die gute alte Harmonia als Tochter des ungleichen Paares Venus und Mars auch kein konfliktloses Geschöpf.

Wassily Kandinsky

Der Klang der Farbe, 1900-1921

Kunstforum BA-CA, Freyung 8, 1010 Wien

Bis 18. Juli tägl. 10-19, Fr bis 21 Uhr

Katalog hg. v. Evelyn Benesch, Ingried Brugger, Wien/Wuppertal 2004, e 29,-

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