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Fast schon wie ein Stück Natur

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Bauwerke begleiten das tägliche Leben. Schöne, gelungene Architektur dagegen ist etwas Besonderes. Die Ausstellung „Osterreich - Architektur im 20. Jahrhundert” hat die Sternstunden neuerer heimischer Baukunst zusammengetragen. Wer sich selbst also einen architektonischen Festtag gönnen will, sollte rasch die Holleinsche Shed-Halle an der Traisen aufsuchen, um sowohl die dort gebaute als auch die gezeigte Architektur zu sehen.

Ein passenderes Ambiente als das Begierungsviertel ließe sich für eine umfassende Architekturausstellung, die die Gustostückerl heimischen Baugeschehens im 20. Jahrhundert dokumentiert, kaum finden. Das fertige Festspielhaus, der Klangturm, der im September erstmals auch Töne von sich geben wird, die Bibliothek, die der Vollendung harrt, sowie einige Bauarbeiter, die an den letzten Fassaden turnen: Architektur begleitet den Besucher schon auf dem Weg zü Hans Holleins Shed-Halle. Diese Bezeichnung ist für das Ausstellungsgebäude allerdings mehr als vornehme Untertreibung. Unter dem metallenen Dach mit dem charakteristischen Wellenschwung, zwischen schrägen, gelben und blauen Säulen, deren Enden als Aschenbecher genutzt werden, betritt man einen wunderschönen Ausstellungsbau.

Durch den Hauptraum, der 50 Meter lang und großzügige zehn Meter hoch ist, winden sich in dynamischer Schräge weiße Ausstellungswände, behängt mit Fotografien, bereichert durch Axonometrien, Skizzen, Pläne, Grundrisse, Schnitte und Texte. Diese Art der Präsentation überfordert nicht, sie regt an, ohne oberflächlich zu sein. Der Blick in die Pläne soll auch Laien ein wenig Einsicht in die Entstehungsgeschichte eines Gebäudes geben.

Die Auswahl der Objekte ist so, daß sogar kritische Architektenherzen höher schlagen können. Die Kuratoren Otto Kapfinger und Sasha Pirker haben selbst für Kenner der Szene noch unbekannte Objekte gefunden. Jeder Skeptiker, der an der modernen österreichischen Baukunst verzweifeln möchte, sollte einen Besuch riskieren, bevor er ein endgültiges Urteil fällt. Durchschnitt ist hier nichts.

Eines der Ausstellungsthemen lautet „Die schöne Landschaft”. Dazu zählt das Haus Kolig am Ossiacher See in Kärnten von Mannfred Kovatsch. Mit seinen dünnen hölzernen Stützen wirkt es fast schon selbst wie ein Stück Natur. Die Bergkapelle von Friedrich Kurrent in Ramingstein in Salzburg wieder strahlt eine derart archaische Qualität aus, daß man das Baujahr 1990 kaum glauben kann. Auch sie fügt sich in die Baumlandschaft, als wäre sie schon immer dagewesen. Der Mursteg, der hier gezeigt wird, ist in seiner skulpturalen Art eine neue Interpretation dessen, was eine Brücke werden kann, wenn Baukünstler dieses Thema ernst nehmen, und die Symbiose zwischen Konstruktion und Form finden. Marcel Meili, Markus Peter und Jürg Conzett ist das in Mu-rau gelungen. All diesen Bauten ist das Material Holz gemeinsam, ein Baustoff mit Tradition, der hier modern genutzt wird.

Auch unter dem Motto „Der historische Ort” finden sich Beispiele, die mit einer konservativen Auffassung von Ortsbildpflege nichts mehr gemein haben, und sich trotzdem selbst verständlich in die alte Umgebung einfügen. Das Kunsthaus in Mürzzu-schlag von Konrad Frey, das sich sehr mutig in eine barocke Kirche schlingt und dennoch von außen an ihr andockt, ist so eine Bauidee. Auch das Glasmuseum von Klaus Kada in Bärn-bach ist auf einem - oder besser um einen alten Bau entstanden. Der Umgang mit Altbestand ist etwas spezifisch Österreichisches, daß er gelingt, ein besonderes Kunststück.

Daneben kommt auch die Prominenz der heimischen Szene, wie Günther Domenig, COOP Himmelblau, Wilhelm Holzbauer, Gustav Peichl, Hans Hollein und viele andere nicht zu kurz. Vom Wohnbau über den öffentlichen Bau bis zu Brückenkonstruktionen reicht das Spektrum.

Eine sehr exklusive, von schwarzweißer Architekturfotografie dominierte Schau im Obergeschoß widmet sich der Verantwortung des Bauherrn für die Landschaft. Die Präsentation ist deutlich anders als im Hauptraum: ein Architekturmodell und dicht nebeneinandergehängte Schwarzweißfotos bilden die Essenz, die ein Haus begreifbar machen soll. Bauherren in Niederösterreich, die geschmackvolle Architektur über Ökonomie stellen, sind das Thema. Ein besonderes Beispiel stellt Anton Schweighofer dar. Der Architekt hat einmal für sich selbst sein eigenes Traumhaus als Bauherr verwirklicht und damit ein exemplarisches Haus geschaffen. Ein hölzerner, turmartiger Zentralbau, der auf mehreren lichtdurchfluteten Ebenen bewohnt wird, ragt aus den Baumwipfeln eines bewaldeten Grundstückes. Alle neun hier ausgewählten Projekte sind mit den Arbeitsmodellen präsentiert, die in ihrer Form als Struktur oder Baumassenmodelle ein weiteres Spektrum in der Architekturdarstellung abdecken. Wer die Ausstellung motiviert in der näheren Auseinandersetzung mit Architektur verläßt, findet in der Nachbarschaft des neuen St. Pölten gleich das erste Betätigungsfeld, sein geschultes Auge zu testen: Das Festspielhaus von Klaus Kada bietet sich als erstes Experimentierfeld geradezu an. Bis 10. August

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