Feinfühliger Berserker

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Figural

Der Jünglingsakt war das von Kolig über Jahrzehnte hinweg bevorzugte Thema. V.l.n.r.:"Jüngling mit Amor"(1911), "Großer Spiegelakt"(1926),"Am Morgen"(1919), "Selbstbildnis in blauer Jacke" aus 1927 und Selbstbildnis aus 1923. Unten: Kindergruppe beim Dominospiel (1912).

Als feinfühliger Berserker wird Anton Kolig beschrieben, einerseits als Lebenskämpfer, andererseits als depressiv -als Künstler voller Gegensätze. So vielschichtig wie die Persönlichkeit dieses frühen heimischen Avantgardisten ist auch sein dynamisches, oft figurales Werk, das im Leopold Museum erstmals seit mehr als 50 Jahren umfassend präsentiert wird - und in allen Brüchen, die das bewegte Leben in sein Œuvre einbrachte.

Die Ausstellung ist nicht chronologisch aufgebaut, anhand von thematischen Schwerpunkten lässt sich aber die Entwicklung des Künstlers anschaulich verfolgen. Jünglinge zu malen war Kolig seine gesamte Laufbahn lang ein großes Anliegen. "Fast obsessiv malte er sportliche, schöne Männer, enthob sie der Realität, idealisierte sie", beschreibt Franz Smola, der die Ausstellung vor seinem Abgang ans Belvedere kuratiert hat, der FURCHE. "Dabei stellt er sie anfangs fahrig und mit verschliffenen Zügen dar, man sieht die Nervosität der Pinselsprache. Später zelebriert er am nackten Körper seine Freude an der Malkultur, wird pathetisch und spielt Varianten der Beleuchtung durch. Die Jünglinge werden ihm dann Mittel zum Zweck, um seine Kunstfertigkeit zu demonstrieren." Die Dynamik des Pinselstrichs findet man selbstredend auch in den Porträts wieder, hierfür bekam Kolig gerade in den 1920ern zahlreiche Aufträge aus Künstlerkreisen und Aristokratie, beispielsweise malte er Berta Zuckerkandl und Marie Gutheil-Schoder. "Dies lag sicher auch daran, dass er zwar wild und dynamisch malte, wie es damals üblich wurde, aber anders als Kokoschka, der ihn hier beeinflusste, bewahrte er in seinen Porträts die Integrität der Person. Er deformierte sie nicht, sondern blieb nah an der Schönheit des Menschen." Wie man vor allem an einem monumentalen Familienporträt sehen kann, scheute er nicht vor einer kühnen Farbauswahl zurück, er sah sich als Farbenkünstler, was sein Spätwerk prägen sollte.

Schrill und karikaturhaft

Zuerst kam es zu einem wichtigen Auftragswerk, Fresken in einem Saal des Kärntner Landhauses zu malen. "Er hielt sich jedoch nicht an die Regeln und vorgegebenen Themen und verursachte einen Skandal, der letztlich die Zerstörung durch die Nationalsozialisten zur Folge hatte", so Smola. 1928 ging Kolig von Nötsch in Kärnten, wo er dem sogenannten Nötscher Kreis angehörte, als Professor nach Stuttgart, die Möglichkeiten sich zu entfalten, blieben jedoch hinter seinen Erwartungen zurück.

Einen letzten Bruch in Koligs Biografie kann man in einem dunkelblau gehaltenen Saal der Ausstellung klar nachvollziehen. "Erstaunlich ist, wie er gerade in den letzten Jahren seines Lebens zu einer neuen künstlerischen Sprache fand -er hielt sich an keine Regeln mehr. Dieser Kontrollverlust führte ihn zu ungeheuer modernen Facetten", beschreibt Smola. "Die Farben wurden immer schriller, die Formen wirkten immer karikaturhafter. Man wusste nicht mehr, was er ernst meinte -aber malerisch ist das sehr zukunftsweisend, denn Kolig nahm sich alle Freiheiten." Auch arbeitete Kolig intensiv an Entwürfen für ein Glasfenster für den Stephansdom, jedoch hatte ihn niemand damit beauftragt. Auch hier überraschen die Kühnheit der Farben und die deformierten Körper. Ein Eiserner Vorhang für das Salzburger Festspielhaus andererseits wäre wohl umgesetzt worden, wäre Kolig nicht 1950 an den Folgen seiner Verletzungen, die er von der Bombardierung seines Hauses 1944 davontrug, gestorben.

In allen Facetten

"Die Ausstellung im Leopold Museum kann für sich in Anspruch nehmen, nach langer Zeit wieder alle wichtigen Werke von Anton Kolig zu versammeln", so Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museums, das mehr als 20 Gemälde besitzt und in der aktuellen Ausstellung nun rund 60 zeigt. Wie einst Rudolf Leopold sei es dem Leopold Museum heute ein Anliegen, Kolig als Hauptvertreter der frühen Avantgarde in Österreich und als innovative Künstlerpersönlichkeit einem internationalen Publikum bekannter zu machen als bisher, das Zeitgeschichte-Etikett zu entfernen und sein Werk in allen Facetten zu zeigen.

Anton Kolig zelebriert am nackten Körper seine Freude an der Malkultur, spielt Varianten der Beleuchtung durch. Die Jünglinge werden Mittel zum Zweck.

Anton Kolig bis 8. Jänner 2018 Leopold Museum, Wien Mi -Mo 10-18 Uhr, Do bis 21 Uhr www.leopoldmuseum.org

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