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Fernand Leger

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Eine bewundernswerte Leistung, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ist dem Direktor des Museums des XX. Jahrhunderts, Dr. Werner Hofmann, gelungen. Nämlich die, für das Wien der heurigen Festwochen eine großartige Ausstellung des Werkes Fernand Legers zusammenzustellen und zustandezubringen, die die Entwicklung dieses wichtigen Meisters der Malerei des 20. Jahrhunderts nahezu lückenlos und mit Meisterwerken demonstriert. Und das, ohne, wie man dem ausgezeichneten Katalog leider entnehmen muß, die Unterstützung der Festwochenveranstaltung zu Anden.

Leger, 1881 — im gleichen Jahr wie Picasso geboren — schloß, wie dieser, anfangs an die kubische Verfestigung der Form, einen Teilaspekt Cėzannas, an. Unter dem Einfluß des von Picasso und Braque entwickelten analytischen Kubismus machte er die Zerschlagung der dreidimensionalen Form und des dreidimensionalen Raumes mit, ordnete aber die Fragmente bereits nicht so sehr in Hinblick auf die neue Perspektive der Simultaneität, sondern, eher Delaunay verwandt, nach rhythmischen Strukturgesetzen, die schon jene formalen Kontraste betonten, mit denen er im Laufe seines Werkes so virtuos zu operieren pflegte. Der Raum der bei Leger auftauchte, war ein reduzierter Raum, ein diskontinuierlicher Reliefraum und seine Gegenstände entnahm er sehr bald der technisierten Welt, wobei er gleichzeitig auch bei allem Geschaffenen, den Erscheinungen der Natur, und selbst beim Menschen, den maschinellen Charakter hervorhebt. Von hier aus resultierte auch seine Trennung vom Kubismus, der ausschließlich Dinge der täglichen und menschlichen Erfahrung darstellte, und seine Wendung zu einer monumentalen und dekorativen Kunst, die den emotionellen Bedeutungsinhalt der Dinge zugunsten einer rein formalen Gleichung im Sinne des autonomen Kunstwerkes aufhob und eine künstlerische Welt schuf, die auch in der utopisch marxistischen Bedeutung keine Unterschiede mehr kannte und keine Gegensätze.

Anfangs fügte Leger die menschliche Figur in seine mechanische Welt noch ein, ab 1921 gewinnt sie aber langsam eine beherrschende Stellung, ohne ihre puppenhafte Starre aufzugeben.

Daneben aber entstanden Bilder, die aus den betont technisierten Formen banaler Gegenstände, die nach einer autonomen Bildarchitektur zusammengestellt und vereinfacht wurden, in der Verwendung von heterogenen Elementen, die Pop-art nicht nur vorwegnahmen, sondern durch ihre souveräne dekorative Gestaltung ad absurdum führen. Hier wird auch die unzweifelhaft lyrische Komponente im Werk Legers sichtbar, die nun bewußt das Triviale feiert und verherrlicht, jene Volkspoesie, die, wie die Bilderbogen von Epinal, auf sein späteres Werk gewirkt hat. Diese Poesie bezieht um 1930 Ideen des Surrealismus mit ein, die aber, künstlerisch souverän und nicht mit den Mitteln letztrangiger bürgerlicher Malerei gelöst wurden.

Im Gefolge dieser rein formalen poetischen Zitate hat Leger auch wiederholt mit ungegenständlichen Formen, die in die Dingwelt eindrin- gen oder sich rein dekorativ behaupten, gearbeitet. Kandinsky, Mirö und Dufy haben auf ihn unzweifelhaft gewirkt, er hat sie absorbiert und umgestaltet. Sein Spätwerk brachte die großen Serien der „Musiker”, der „Akrobaten”. „Artisten”, „Bauarbeiter”, „Radfahrerinnen” und „Ausflügler”, im Grunde Entwürfe für eine monumentale dekorative Wandmalerei, die leider fast nie die notwendigen Auftraggeber fand. Es ist unbezweifelfoar richtig, daß Leger — wie Werner Hofmann sagt — in dieser — von Menschen oder von Puppen bevölkerten? — Welt die Austauschbarkeit jedes Gliedes, ja jeder Tätigkeit symbolisiert, in einem Sinne der ihn geradezu zum idealen Maler des „sozialistischen Realismus”, wenn es so etwas gäbe, stempeln würde. Er symbolisiert aber gleichzeitig in seinen „hommes machine” ä la Lamet- trie unbewußt die Gefahr der Einlösung der Utopie der offenen Gesellschaft, da auch bei ihn in der Darstellung die Entpersönlichung des Individuums und der Zwang der

— hier nur formalen — Gesetze vorherrscht. Die großartigen künstlerischen Qualitäten dieses genialen Dekorateurs werden durch seinen ideologischen Trugschluß nicht beeinträchtigt. Sein materialistisches Weltbild hat sich stets künstlerisch rein ausgedrückt, daher ist vom Künstler Leger, der in seiner Art ein Klassiker war, viel zu lernen. Eine Ausstellung die man unbedingt sehen und für die man dankbar sein muß.

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