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Festspiele in Graz

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Als vor zwei Jahren der Gedanke, in Graz Festspiel zu veranstalten, zum erstenmal verwirklicht wurde, galt es vor allem, Sinn und Sendung zu bestimmen und abzugrenzen. Man wollte keinen Wettbewerb mit den traditionsreichen, repräsentativen Festspielen Salzburgs, sondern steirische Kunstwochen, die nicht nur dem Fremden, sondern vor allem auch der heimischen Bevölkerung durch erstrangige Darbietungen Stunden kultureller Besinnung bescheren sollten. Feierstunden sollten es sein, die unsere leidgeprüfte Zeit so notwendig hat, zwei Wochen des Jahres, in denen gehetzten und geplagten Menschen der tiefere Sinn alles künstlerischen Schaffens wieder voll zu Bewußtsein kommen sollte: nicht flüchtige Rast, nicht Unterhaltung nach anstrengendem Tageswerk, sondern Besinnung und Erhebung, so wie glücklicheren Generationen vergangener Jahrhunderte künstlerischer Genuß Erfüllung von Festtagen, nichts alltägliche Unterhaltung war

Wie weit nun das diesjährige Programm diesen idealen Forderungen gerecht wurde, ist eine sehr umstrittene Frage. Denn: trotz allem propagandistischen Eifer der Festspielgemeinde war es nur ein verhältnismäßig kleiner, kunstinteressierter Kreis, der an den Geschehnissen der beiden letzten Wochen lebhaften Anteil nahm, während die breite Masse kaum von der Feier, die doch allen gegolten, Notiz genommen hat. Freilich sind die Grazer Festspiele noch jung, sicherlich war die Geldknappheit eine gefährliche Gegenspielerin, es lag aber gewiß auch am Programm, das weit mehr willkürlich nebeneinander gestellte Schaustücke enthielt und kein harmonisches Gesamtwerk erstellte. Es war richtig, das steirische Schaffen besonders hervorzuheben, aber man ‘vergaß, daß-die meisten Besucher selbst wieder Steirer waren, die sich aus der Enge des Heimatlichen heraussehnen, und die heute im Zeitalter der Demarkationslinien mehr denn je wenigstens in der Kunst Befreiung im Unbegrenzten suchen! So war es kein Zufall, daß die Gastspiele viel mehr Zustrom hatten, als die eigenen steirischen Veranstaltungen, die man ja zu jeder anderen Jahreszeit auch sehen konnte. Die Anzahl der Fremden fiel nicht ins Gewicht.

Die Reihe der Abende wurde mit einem Orckesterkonzert eröffnet, bei dem Sir Adrian Boult das allzu langatmige Konzert für Cello und Orchester, e-moll, op. 85, seines Landsmannes Edward Eigar brachte. Neben einem Klarinettenquintett des Engländers Arthur Bliss und Strawin.skys „Feuervogel“ war dieses Werk die einzige Probe neuerer ausländischer Kunst, obwohl der völkerverbindende Sinn der Festspiele durch die Darbringung fremder Werke besonders betont werden sollte. Von den übrigen Konzerten verdient Beethoven hervorgehoben zu werden: so wurde die

Wiedergabe seiner 7. Symphonie feuriges Bekenntnis zu höherem Lebenssinn. In einem mehr als überfüllten Saal feierte Graz zweimal die hellen, immer wieder ergreifenden Stimmen der Wiener Sängerknaben, erquickte mau sich an ihrem reizenden Spiel in der Offenbachschen Oper „Herr und Frau und Denise", deren Sujet — betrunkene Soldaten — nicht gerade als kinder- tümlich anzusprechen ist. Ihren wirklich feierlichen Ausklang fanden die Festspiele mit Schuberts „Unvollendeter“ und Bruckners 5. Symphonie, von Eugen Joch um klar dirigiert, ein Abend, dessen stürmischer Beifall nichts von repräsentativer Anerkennung, sondern herzlichste Anteilnahme beglückter Menschen bekundete.

Wirklich im Sinne steirischer Kunstwochen waren die Sonntag-Matineen, die junge steirische Komponisten weiteren Kreisen bekannt machten, so unter anderen die Joseph-Marx-Preisträger Hannes Kügerl, Konrad Stekl, Waldemar Bloch und Wal ther Goldschmidt. Die Oper hatte es sich leidit gemacht, „Ariadne auf Naxos" war ein Mißerfolg, der Applaus in der „Aida“ galt allein der hohen .Kunst Ljuba Welitsch

Über die beiden „Medea“-Aufführungen haben wir bereits berichtet, wobei noch zu erwähnen wäre, daß Csokors „Medea“, wie immer man ihr gegenüber eingestellt sein mag, niemals als Festaufführung im Sinne von Feierwochen aufgeführt werden kann, ein Drama, das Nerven und Intellekt, nicht aber das Herz anspricht. Diametral entgegengesetzt und wohl nur um • seines steirischen Dichters willen gebracht, stand das „Apostelspiel“ am Programm des Schauspielhauses. Dieses Werk eines der wenigen lebenden Dichter unseres Landes hat gewiß ein Recht, in Wochen der Feier geboten zu werden, aber der Raum hiefür, das alte Schauspielhaus am Freiheitsplatz, war falsch gewählt. Ein Drama aber, das dort als d a s Schauspiel der Festwochen gespielt gehört hätte, war ebensowenig gefunden worden wie eine passende Oper.

Die Grazer Festspiele sind verklungen. Sie haben uns manchen schönen Abend geschenkt, ja manches große künstlerische Erlebnis, aber zwei Wochen der Frier, die eine ganze Stadt durchpulst als hohe Zeit ihres Jahres, sind es nicht gewesen. Große Namen allein schaffen es nicht. Nur dort, wo Werke gewählt werden, in denen große Künstler zu allen sprechen, war der Sinn des Festes erfüllt. Wir glauben daran, daß Festwochen unserem Leben einen neuen erhebenden und frohen Sinn wiedergeben können. Sie müssen aber frei sein von gemachter Repräsentation, von falschen Zugeständnissen an den Fremdenverkehr, vor allem aber frei von Mittelmäßigkeit, die der gefährlichste Feind aller Kunst ist.

Daß die heurigen Grazer Festwochen dies nicht immer waren, mag man den widrigen Zeitumständen zuschreiben. Gewiß. Aber rin P r o g-r a m m, das Programm im höheren Sinne ist, hätte das übrige getan.

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